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Petition in Bayern: War das Mathe-Abi zu schwer? Lehrer wollen Noten abwarten

Petition in Bayern

War das Mathe-Abi zu schwer? Lehrer wollen Noten abwarten

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    Am 3. Mai schrieben rund 37.000 bayerische Schüler ihr Mathe-Abi. Einen Tag später startete eine Petition, weil die Prüfung zu schwer gewesen sei.
    Am 3. Mai schrieben rund 37.000 bayerische Schüler ihr Mathe-Abi. Einen Tag später startete eine Petition, weil die Prüfung zu schwer gewesen sei. Foto: Holger Hollemann, dpa (Symbol)

    Am Mathe-Abitur führt an bayerischen Gymnasien kein Weg vorbei. Neben Deutsch ist die schriftliche Prüfung in dem Fach für alle Abiturienten verpflichtend. Am Freitag, 3. Mai, war es in diesem Jahr wieder so weit - bayernweit schrieben rund 37.000 Schüler die Prüfung. Noch am selben Tag startete eine Schülerin eine Petition, in der sie die Senkung des Notenschlüssels fordert. Die Begründung: Das Mathe-Abi sei zu schwer gewesen. Mittlerweile gibt es ähnliche Petitionen in Niedersachsen, Bremen, Hamburg, dem Saarland, Mecklenburg-Vorpommern, Berlin, Thüringen und Sachsen-Anhalt.

    "Wir Abiturienten bitten darum, den Notenschlüssel des Mathematik-Abiturs in Bayern 2019 zu senken und dem Schwierigkeitsgrad anzupassen," heißt es in der Petition an das Kultusministerium Bayern, die am Freitag auf dem Portal change.org. online ging. Seither haben bereits mehr als 57.000 Menschen die Petition unterschrieben (Stand: Montag, 13.45 Uhr), die Zahl steigt minütlich an.

    Schüler starten Petition gegen zu schweres Mathe-Abi in Bayern

    In den Jahren zuvor seien die Mathe-Prüfungen stetig leichter geworden, heißt es weiter in der Petition. Doch in diesem Jahr seien die Aufgabenstellungen so schwer gewesen, "wie in keiner der vergangenen Abitur-Prüfungen". So sei eine entsprechende Vorbereitung nicht möglich gewesen sein. Das diesjährige Mathe-Abitur stehe "in keinem Verhältnis" zu denen der vergangenen Jahre, schreibt eine Nutzerin.

    Diese Einschätzung teilt auch die 17-jährige Sophie aus dem Kreis Günzburg. "Ich wusste, dass ich mich gut vorbereiten muss", sagt sie. Dafür habe sie sogar einen freiwilligen Zusatzkurs besucht. Die Prüfung am Freitag sei für sie und viele Mitschüler dann aber ein Schock gewesen. Standardaufgaben, beispielsweise zu Geraden oder Ebenen in Geometrie, die es in den Vorjahren immer gegeben habe, waren diesmal nicht gefragt. Für einige gute Mathe-Schüler aus ihrem Umfeld sei deshalb schon klar: Sie gehen in die Nachprüfung, um ihre Note zu verbessern. Sophie hat die Petition bereits unterschrieben. Ihr ist es wichtig, deutlich zu machen, dass die Abiturienten nicht etwa keine Lust gehabt hätten, sich ordentlich vorzubereiten - aus Sicht der Schülerin sei die Prüfung aber nicht mit den Aufgaben der vergangenen fünf Jahre zu vergleichen.

    Nachdem die SPD im bayerischen Landtag am Sonntag den Schülern ihre Unterstützung zugesagt hatten, meldete sich auch die bayerische Staatsregierung zu Wort. Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) kündigte an, die Aufgaben unter die Lupe zu nehmen. "Wir nehmen das natürlich ernst und werden das sorgfältig prüfen", sagte der Minister am Sonntag. Dies werde auch "zeitnah" geschehen. Bereits an diesem Montag wolle er sich mit den Experten in seinem Ministerium besprechen.

    Mathe-Abi zu schwer? Lehrerverbände sind zweigespalten

    Der Präsident des Deutschen Lehrerverbands sieht bisher keine Anzeichen dafür, dass die Aufgaben zu schwierig waren. "Im Internet lässt sich Erregung sehr schnell mobilisieren. Deshalb sollten wir abwarten", sagte Verbandspräsident Heinz-Peter Meidinger der Rhein-Neckar-Zeitung. Meidinger leitet ein Gymnasium im bayerischen Deggendorf und sagte: "Ohne dem endgültigen Bewertungsergebnis vorwegzugreifen: Die Tendenz zeigt für Bayern, die Notenresultate bewegen sich im durchschnittlichen Bereich der Abi-Prüfungen in Mathematik." Wenn es Anzeichen für eine erschwerte Prüfung gebe, müsse man über eine Neubewertung nachdenken. "Aber derzeit gibt es dafür keine Anzeichen."

    Auch der bayerische Philologenverband (pbv) rät dazu, die erste Benotung abzuwarten.  In den vergangenen Jahren habe der Schnitt bei den Mathe-Abinoten immer um 3,1 gelegen, sagte bpv-Sprecher Benedikt Karl. Nur wenn das heuer nicht so sei, könne man über die Schwere der Prüfungen sprechen. Nach Einschätzung seiner Kollegen seien die Aufgaben nicht schwerer gewesen. Der Verband vertritt unter anderem die Gymnasiallehrer im Freistaat.

    Der bpv-Vorsitzende Michael Schwägerl sagte in der "radioWelt am Morgen" beim Sender Bayern 2: "Das Gefühl, dass die Abiturprüfung, die man gerade geschrieben hat, die schwerste ist, das ist verständlich. Und es ist klar: Die eigene ist immer die schwerste."

    Sprecher Karl machte zudem darauf aufmerksam, dass nicht alle Schüler in Bayern exakt dasselbe Abitur geschrieben hätten. Die Lehrer bekommen demnach am Tag der Prüfung morgens je zwei Aufgaben aus den Bereichen Analysis, Geometrie und Stochastik. Daraus wählen sie jeweils eine aus. Außerdem sei der Notenschnitt der vergangenen Jahre in Mathematik ähnlich wie im Fach Deutsch gewesen. Es habe sogar Jahre gegeben, da sei das Deutsch-Abi schlechter ausgefallen.

    BLLV-Präsidentin Fleischmann spricht von unnötig viel Text im Mathe-Abi

    Der bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV) sieht den Protest dagegen als durchaus begründet an. Mehrere Lehrer hatten den Eindruck, die Schüler hätten zu wenig Zeit zur Bearbeitung der Mathe-Prüfung gehabt. Das sagte Verbandspräsidentin Simone Fleischmann am Sonntag in München. In einem Teil der Prüfung habe es sehr viel, teils auch unnötigen, Text gegeben. Deshalb seien "eklatant viele" Schüler nicht rechtzeitig fertig geworden.

    Das bestätigt eine Mathematiklehrerin aus Schwaben, die anonym bleiben möchte, unserer Redaktion auf Nachfrage. "Das Mathe-Abitur war in diesem Jahr sehr textlastig - und wir beobachten schon seit längerem, dass die Schüler immer größere Probleme mit dem Textverständnis haben", sagt sie. Die Textarbeit koste außerdem Zeit - und die Aufgabenstellungen, vor allem in den Bereichen Stochastik und Geometrie, seien ungewöhnlich gewesen. Die Analysis-Aufgabe sei vergleichbar gewesen mit den Vorjahren, allerdings habe man hier beim Rechnen einige Kniffe beachten müssen, um Folgefehler zu vermeiden.

    Die Lehrerin sagt, sie sei zwiegespalten, was die Petition und die Kritik an den Aufgaben betrifft. "Ich kann verstehen, dass es Furore gibt, da die Aufgaben so ungewöhnlich waren", sagt sie. Die Prüfung sei in ihrer Verpackung tatsächlich einen Ticken schwerer gewesen als in den vergangenen fünf Jahren - der Inhalt und das tatsächliche Rechnen sei aber vergleichbar mit den Vorjahren.

    Die Aufgaben stellten aber offenbar auch eine Herausforderung für viele Mathelehrer dar, sagt BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann. So hätten selbst diese keine einzige Aufgabe im Kopf rechnen können. Bisher war das teilweise immer möglich gewesen. "Ich will diskutieren", sagte Fleischmann mit Blick auf die Debatte um den Schwierigkeitsgrad des Abiturs. "Aber nicht während der Prüfungen." Erst wenn die Ergebnisse vorlägen, sei es Zeit für eine Debatte über das Abitur-Niveau.

    Der Vorsitzende des Bayerischen Philologenverbandes (bpv), Michael Schwägerl, riet den Abiturienten ebenfalls, nicht jetzt mit der Matheprüfung zu hadern. "Konzentriert Euch voll auf die anstehenden Aufgaben und weiteren drei Prüfungen und wartet dann das Ergebnis ab."

    Florian Borges, Fachgruppenleiter Mathematik im bpv, hingegen widersprach den Schülern. Er sagte, es habe in der Prüfung keine lehrplanfremden Inhalte gegeben. "Viele Kollegen vor Ort teilen die Einschätzung, dass es insgesamt eine sehr faire Aufgabenstellung war. Insofern sind wir überrascht, dass es jetzt eine solche Reaktion gibt."

    Darum ist die Mathe-Note für Abiturienten in Bayern so wichtig

    Das Mathe-Abitur macht in Bayern einen wichtigen Teil der Gesamtnote aus und kann daher den Notenschnitt durchaus beeinflussen. Gerade bei Studiengängen mit Numerus Clausus kann schon eine Nachkommastelle den Unterschied machen. Auch deshalb unterschreiben viele Nutzer. Sie sehen die Chancengleichheit in Bezug auf frühere Jahrgänge sowie andere Bundesländer nicht gewährleistet.

    Doch kann eine Petition wirklich etwas bewirken? Davon ist die Gründerin überzeugt. In Niedersachsen hätte es 2016 einen Fall gegeben, in dem ebenfalls der Notenschlüssel angepasst wurde. (mit dpa/lby)

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