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Interview: Herr Aiwanger, warum sind Sie vor Markus Söder eingeknickt?

Interview

Herr Aiwanger, warum sind Sie vor Markus Söder eingeknickt?

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    Findet beim Blick in den Spiegel, dass er es im Schuldenstreit mit der CSU richtig gemacht hat: Bayerns Wirtschaftsminister und Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger.
    Findet beim Blick in den Spiegel, dass er es im Schuldenstreit mit der CSU richtig gemacht hat: Bayerns Wirtschaftsminister und Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger. Foto: Peter Kneffel, dpa

    Herr Aiwanger, im Schuldenstreit mit der CSU haben die Freien Wähler eingelenkt, am Freitag wird Bayern im Bundesrat dem Berliner Schuldenpaket zustimmen. Waren den Freien Wählern also ihre Posten wichtiger als die Überzeugungen?
    HUBERT AIWANGER: Nein. Dieser Vorwurf ist falsch, weil es nicht um die Posten ging, sondern am Ende darum, ob wir was bewegt hätten. Wir haben unsere Posten nicht um der Posten willen gerettet, sondern, um weiterhin auch bei vielen anderen Themen in Bayern mitbestimmen zu können und zu verhindern, dass die SPD hier an die Regierung kommt. Und es war schlichtweg nichts zu gewinnen. Wenn wir entlassen worden wären oder zurückgetreten wären, hätte die CSU ohne uns zustimmen können.

    Wie hat Ihnen die CSU denn zu verstehen gegeben, dass im Falle eines Neins die Koalition bricht? Kommt da eine SMS vom Ministerpräsidenten, gibt es einen Anruf?
    AIWANGER: Ich gehe hier nicht auf Details ein. Aber es war eben die Alternative für die Minister und die Fraktion, einlenken oder Ende der Koalition. Und dann stimmt die CSU eben in Berlin alleine ab, dazu braucht sie nicht mal die SPD. Die wäre erst anschließend für eine neue Koalition nötig gewesen. 

    Haben Sie sich ein Stück weit erpresst gefühlt?
    AIWANGER: Es war die Alternative, dann aus der Regierung zu fliegen ohne etwas bewegt zu haben.

    Zuerst haben die Freien Wähler ihr Nein zum Schuldenpaket breit in der Öffentlichkeit inszeniert, um dann ebenso öffentlich einknicken zu müssen. Im Nachhinein: Würden Sie das wieder so machen?
    AIWANGER: Der Hergang hat zu dieser Entwicklung geführt. Man liest Dinge aus der Zeitung, die man anfangs nicht geglaubt hat. Dann hatten wir noch die Hoffnung, etwas zu verändern. Also haben wir gesagt: Was hier auf dem Tisch liegt, ist nicht schlüssig, dem können wir aus heutiger Sicht nicht zustimmen. Das hat sich dann immer mehr zugespitzt, bis es hieß: Wir fliegen aus der Regierung oder wir akzeptieren das, weil es ja ohnehin nicht zu verhindern ist. Ich kann doch zu diesem Schuldenpaket, über das wir vorab nicht informiert waren, nicht zehn Tage lang gar nichts sagen. Dann haben wir in der Landtagsfraktion die Ablehnung beschlossen

    Aber es gab ja innerhalb der Fraktion schon früh Stimmen, die gesagt haben, da werden wir mitgehen müssen - oder?
    AIWANGER: Nochmal. Das, was auf dem Tisch lag, auch an Infos dazu, war für uns so nicht akzeptabel. Und damit war es für uns folgerichtig, zu sagen, aus jetziger Sicht nein. Gleich am Anfang zu sagen, wir werden es vielleicht nicht verhindern können - was damals nicht so klar war - und sagen deshalb sicherheitshalber schon mal ja, ist doch unrealistisch. Es war richtig, unseren Standpunkt klarzumachen. Ich glaube übrigens, dass die Dinge von Merz nicht erst nach der Wahl zum ersten Mal erarbeitet worden sind. Wenn er sich innerhalb von wenigen Tagen auf solche Zahlen einigt, war das in meinen Augen vorbereitet.

    Wird dieser Vorgang jetzt Ihr Verhältnis zu Markus Söder belasten?
    AIWANGER: Das ist nun mal das politische Geschäft. Er unterliegt eben auch aus Berlin den Zwängen, die Koalition mit der SPD zustande bringen zu müssen, auch daraus resultiert diese Spannung. 

    Bayern kann aus dem Infrastruktur-Sondervermögen mit 16 Milliarden Euro in zwölf Jahren rechnen. Wo setzt man dieses Geld am besten ein?
    AIWANGER: Bevor wir uns mit dem Geldausgeben beschäftigen, wünsche ich mir Reformen. Wir müssen schnellstmöglich schauen, wie wir die Wirtschaft wettbewerbsfähiger machen. Steuersenkungen und der Abbau teurer Standards wären am sinnvollsten. Ich warne davor, jetzt schon die Milliarden zu verteilen, weil das schnell zu einem Verteuerungseffekt führt. Darum will ich mich nicht jetzt schon an einer Debatte über Ausgaben beteiligen.

    Ist dieser Reformbedarf auch eine Erwartungshaltung an die CSU, was die weiteren Koalitionsverhandlungen betrifft?
    AIWANGER: Sehr deutlich ja. Ich erwarte von der CSU und von der ganzen neuen Bundesregierung, dass sie jetzt Reformen angehen. Wir werden das konstruktiv-kritisch die nächsten Jahre begleiten und deswegen ist mir lieber, es sitzt ein Freier Wähler im Wirtschaftsministerium als ein SPDler.

    Teil des Schuldenpakets ist die Möglichkeit, dass auch Bayern neue Kredite aufnimmt. Im Koalitionsvertrag haben CSU und Freie Wähler das ausgeschlossen. Bleibt es dabei?
    AIWANGER: Ich fürchte, dass die Wirtschaft weiterhin kränkeln wird, trotz dieser finanziellen Möglichkeiten, weil der Reformdruck wegbezahlt wird, wenn es der Union nicht gelingt die SPD auf einen vernünftigen Kurs zu bringen. Deshalb werden wir in Bayern auch einen massiven Konsolidierungsbedarf haben. Wenn man sich mit den Menschen frühzeitig und vernünftig zusammensetzt, sind sie zu Einschnitten bereit, wenn es gerecht zugeht. Wir werden trotz der zusätzlichen Möglichkeiten bei der Verschuldung auf die Bremse treten müssen. Auf Bayern kommen härtere Jahre zu.

    Würden Sie einer weiteren Verschuldung Bayerns zustimmen?
    AIWANGER: Je nachdem, wie sich die Wirtschaftskraft entwickelt und wie viel Geld jetzt aus Berlin für vernünftige Projekte kommt, ist es durchaus möglich, dass wir das tun müssen. Klar wollen wir sparen, aber ich schließe nicht aus, dass auch Bayern sich weiter wird verschulden müssen. 

    Sie haben es vorher schon gesagt: Die Wirtschaft läuft schlecht, große Firmen wollen tausende Stellen streichen. Wo und wie sollen denn neue Jobs entstehen?
    AIWANGER: Erstens haben wir zehntausende offene Stellen, die besetzt werden müssen, von Handwerk über Gastro bis Industrie. Natürlich entstehen auch durch Innovation, Digitalisierung und KI Chancen. Und auch in der Verteidigungsindustrie passiert gerade viel, bis runter zu den Zulieferern und Startups dazu. Ein Drittel der deutschen Verteidigungsindustrie befindet sich in Bayern. Das sind allein 45.000 Arbeitsplätze. Entwicklungen im Bereich der Wehrtechnik kommen ja auch nicht nur dieser zugute, insofern hoffe ich auch auf einen allgemeinen Innovationsschub durch die Investitionen in unsere Sicherheit. 

    Und die anderen?
    AIWANGER: Für alle wichtig wäre eine Steuerreform. Das wäre für mich der allererste Punkt gewesen in Berlin. Stattdessen hat man über Schulden und Klimaneutralität geredet.

    Zur Person

    Hubert Aiwanger ist stellvertretender bayerischer Ministerpräsident, Chef der Freien Wähler und bayerischer Wirtschaftsminister.

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    9 Kommentare
    Wolfgang Boeldt

    Damit dürfte Aiwanger seinen letzten Kredit verspielt haben. Mal sehen wie seine Anhänger dieses Einknicken beurteilen werden.

    Peter Zimmermann

    Wenn der "Futternapf" einem näher ist wie Überzeugungen kommt eben so was raus. Nur sollte man dann auch vorher nicht so tönen wenn man schon gesagt bekommt, dass sich die Koalition schnell ändern kann.

    Johann Koch

    Aiwanger hat verantwortungsvoll gegenüber dem Land bei der aktuell schwächelnden Wirtschaftslage und der militärischen Verteidigungsunfähigkeit des Landes gehandelt. Respekt, dass er Sympathiewerte, Wahlprognosen, Sonntagsumfragen und Ideologien hierbei außer acht gelassen hat und sich rein an der Notwendigkeit für das Land orientiert hat. Das verdient Respekt in einer Zeit, in der die meisten Politiker das Wohl des Landes außer acht lassen und sich nur von Sonntagsumfragen und Wahlprognosen leiten lassen.

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    Georg Kannler

    Volle Zustimmung!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!

    Inge Brenner

    Karl Brenner Mein Respekt gegenüber Aiwanger ist durchaus begrenzt. Unser Wirtschaftsminister wetterte gegen notwendige Polder an der Donau und gegen Windenergie, um sich dann später als Befürworter der Windkraft zu geben. Er bevorzugte zur "Rettung der Demokratie" das Hetzvokabular der AfD und log, dass sich die Balken bogen, z.B. dass angeblich die Grünen das Heizen mit Holz verbieten wollen. Ich hoffe, seine Zeit ist noch in dieser Legislaturperiode vorbei.

    Klemens Hain

    Da bin ich voll bei Ihnen Frau Brenner. Sie haben es gut beschrieben.

    Maria Tkacuk

    Ohje - die Deutschen mit ihrem "Ja-keine-Schuldenmachen-Wahn". Seit 25 Jahren "sparen" sie und was ist das Ergebnis: - keine militärische Verteidigung mehr - marode Infrastruktur - immer weniger leistungsfähige und überforderde Behörden - undundund - dennoch Inflation und Teuerung Offensichtlich ist der völlige Sparfetischismus der Deutschen auch nicht der richtige Weg. Ohne die aktuellen "Schulden" können die Investitionen, die die Zukunft überhaupt möglich machen, nicht gemacht werden. Das wichtigste Beispiel: Wer kein leistungsfähiges Militär ( und natürlich auch nicht den Willen zur Wichtigkeit der Verteidigung) hat, wird bald den Willen Moskaus erfüllen müssen. Da Deutschland diese Wahrheit 30 Jahre absichtlich verschleppt und negiert hatte, wird es nun eben vielfach teuerer. Man kann aber natürlich glauben, man bräuchte das und die daraus kommenden Schulden nicht

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    Georg Kannler

    Genauso sieht es aus!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!

    Klemens Hain

    Danke, Frau Tkacuk, sehr gut beschrieben und so ist es wirklich, wenn man bedenkt wie billig vor Jahren als die Große Koalition regierte und das Geld echt billig zu haben war, schon ein schelte für Deutschland. Viele Häusle Bauer haben es echt angenommen, warum nicht die verantwortliche Regierung? Vertraut man immer noch einem Putin? Ich hoffe nun wirklich nicht. Ich bin voll und ganz bei Ihrer Ausführung! Die Grünen wussten schon worauf es ankam, aber Zustimmung, haben Sie von der CDU/CSU nicht bekommen, sondern nur Ablehnung. Man darf echt gespannt sein wie sich die neue Regierung schlägt. Ich sage nur viel Glück Herr Merz und Herr Söder?

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