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Kranhäuser in Not: Warum Deutschland vor einer Wartelistenmedizin steht

Kliniken in der Krise

„Wir erleben bereits jetzt den Beginn der Wartelistenmedizin“

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    Uniklinik-Ärzte in Hannover demonstrieren für bessere Arbeitsbedingungen.
    Uniklinik-Ärzte in Hannover demonstrieren für bessere Arbeitsbedingungen. Foto:  Moritz Frankenberg, dpa (Archivbild)

    Steigende Verluste und eine erhebliche Zunahme der Bürokratieauflagen lassen die deutschen Krankenhäuser nach Angaben ihrer Träger immer tiefer in die Krise stürzen. „Die Lage der deutschen Krankenhäuser ist so dramatisch wie noch nie“, sagte der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Gerald Gaß, unserer Redaktion. Das gesamte Defizit der Kliniken hat laut der Krankenhausträgerorganisation in diesen Tagen die Marke von 14 Milliarden Euro überschritten. Nachdem inzwischen 80 Prozent der Häuser rote Zahlen schrieben, verschlechtere sich in vielen Regionen bereits die Patientenversorgung.

    Jede sechste kleinere Klinik befürchtet Standortschließung

    „Abteilungen werden geschlossen, Personal wird eingespart, Standorte werden aufgegeben, bevor sie in die Insolvenz geraten“, sagte Klinikverbandschef Gaß. „Die Konsequenzen bekommen leider auch die Patientinnen und Patienten zu spüren“, erklärte er. „Gerade die kleineren Häuser in ländlichen Regionen unter 300 Betten bewerten ihre Lage besonders pessimistisch.“

    Laut einer unserer Redaktion vorliegenden Studie des Deutschen Krankenhausinstituts erwarten 17 Prozent der Betreiber kleinerer Krankenhäuser, dass durch die neue Klinikreform einer oder mehrere ihrer Standorte geschlossen werden müssen. Auch jedes zehnte mittlere Krankenhaus zwischen 300 und 600 Betten hält das Aus seiner Klinik im Zuge der Reform für wahrscheinlich.

    Trägerverbandschef Gaß macht vor allem Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach für die sich verschärfende Krise verantwortlich. Die Kliniken würden mit der Kostenexplosion der Inflation allein gelassen und müssten nun um ihr reines finanzielles Überleben kämpfen. „Die Schließung von Standorten und Abteilungen folgt wegen der aktuellen Gesundheitspolitik oft nicht mehr der Logik, trotz Sparmaßnahmen die Versorgung in einer Region noch sicherstellen zu können“, sagte Gaß. „Jetzt geht es oft nur noch knallhart betriebswirtschaftlich darum, wie man schnell große Verlustbringer loswerden kann.“

    Krankenhausgesellschaftschef Gerald Gaß: „Erleben Beginn der Wartelistenmedizin“

    Der Gesundheitsminister habe diesen sogenannten kalten Strukturwandel trotz aller Warnungen billigend in Kauf genommen und in Teilen sogar bewusst verschärft. „Für die Bevölkerung bedeutet diese Politik in vielen Regionen eine schlechtere Versorgung in ihrer Nähe“, kritisierte Gaß. „Und generell erleben wir bereits jetzt den Beginn der Wartelistenmedizin.“

    Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft Gerald Gaß klagt über eine hohe Belastung durch teils absurde Bürokratie in den Kliniken.
    Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft Gerald Gaß klagt über eine hohe Belastung durch teils absurde Bürokratie in den Kliniken. Foto: Britta Pedersen, dpa

    Zugleich verschärfe die Politik die Krise der Kliniken mit immer neuen bürokratischen Auflagen, kritisierte der Verbandschef. „Die Bürokratie allein im ärztlichen Bereich kostet Deutschland so viel wie 60.000 volle Klinikarztstellen“, sagte Gaß. „Zum Beispiel verpflichtet das neue ,Medizinforschungsgesetz’ Krankenhäuser, ärztliches Personal minutengenau einzelnen Patienten und sogenannten Leistungsgruppen zuzuordnen. Ärzte müssen also dokumentieren, wie lange sie bei welchem Patienten waren – sogar in Mehrbettzimmern. Diese Regelung ist absurd.“

    Krankenpflege- und ärztliches Personal: Drei Stunden Bürokratie pro Arbeitstag

    Sowohl das ärztliche als auch das pflegerische Personal verbringe inzwischen im Schnitt jeden Tag drei Stunden seiner Arbeitszeit mit bürokratischen Vorgaben. „Mit nur einer Stunde weniger Dokumentationsaufgaben, hätten wir bundesweit über 20.000 Ärzte und fast 50.000 Pflegekräfte mehr, die sich um Patienten kümmern könnten“, rechnete Gaß vor. „Das wäre ein großer Beitrag zur Lösung unseres Fachkräftemangels.“

    Die Kliniken hoffen laut Gaß nach der Wahl auf eine Korrektur der Krankenhausreform. „Es klingt vielleicht abgedroschen, aber wir brauchen wirklich dringendst Entbürokratisierung“, sagte er. Deutschland benötige „eine Zeitenwende in der Gesundheitspolitik“, fügte er hinzu.

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    4 Kommentare
    Marianne Böhm

    Ich sehe in der jetzigen Gesundheitspolitik von Lauterbach, einen Verstoß gegen das Grundgesetz und gegen die Rechte des einzelnen Menschen auf Gesundheit.. Wir brauchen einen Standort Deutschlands der auf höchsten Standards, PERSONELL, wie MEDIZINISCH steht und um wieder weltweit Wettbewerbsfähig zu sein.. Made in Germany, Top number one !.. das Potenzial dazu haben wir, junge Intelligente und mit etwas Nachhilfe hochmotivierte Menschen..

    Franz Xanter

    An Absurdität nicht mehr zu übertreffen. Jetzt beginnt wahrscheinlich vermehrt die Phase, in welcher Krankenhäuser gezwungen sein werden, nicht unbedingt notwendige Operationen allein aus betriebswirtschaftlichen Gründen durchzuführen, damit zumindest deren Kosten einigermaßen gedeckt sind. Vermeidbare und nicht notwendige Operationen, welche aber monetär besser bezahlt werden als mögliche und schonende konservative Behandlungen.

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    Peter Zimmermann

    Verzeihung Herr Xanter, aber das ist schon seit 2005 so. Da wurden die Fallpauschalen verpflichtend eingeführt die ein solches forciert haben. Jetzt geht man einen Schritt zurück wodurch sie sich nur noch zu 40% auswirken. Die Fallpauschalen hatten den Vorteil, dass lange Liegezeiten vermieden wurden mit denen man sich vorher finanziert hatte und die nicht notwendig waren, da wurde nach Liegetagen bezahlt. Ich kannte Notärzte die zu der Zeit Obdachlose in die Klinik fuhren wegen drohender Verwahrlosung wohlwissend, dass die schon seit Jahren auf der Straße leben und das nur damit ein Bett den täglichen Obulus bringt.

    Gerold Rainer

    Naja auch das Optimierungspotential einer dringend notwendigen Entbürokratisierung ist schnell ausgeschöpft und wird nicht der große Gamechanger sein. Vielleicht kann noch KI einen Teil der Routinearbeiten übernehmen und damit Arbeitsstunden freischaufeln. Letztendlich läuft es aber darauf hinaus, dass die Krankenkassenbeiträge erheblich steigen oder die "reichen" freiwillig die Gesundheitsversorgung der "armen" quersubventionieren.

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