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Moderator Bönte geht in den Ruhestand

Interview

BR-Moderator Bönte: „Ich wollte nie Menschen mit Fragen quälen“

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    Andreas Bönte ist vielen Menschen als TV-Moderator bekannt. Er selbst machte kaum Schlagzeilen. „Ich habe versucht, frei von Skandalen zu bleiben“, sagt er.
    Andreas Bönte ist vielen Menschen als TV-Moderator bekannt. Er selbst machte kaum Schlagzeilen. „Ich habe versucht, frei von Skandalen zu bleiben“, sagt er. Foto: Markus Konvalin, BR

    Herr Bönte, ist es ein seltsames Gefühl für Sie, interviewt zu werden?
    ANDREAS BÖNTE: Absolut. Ich war ja immer der, der in Gesprächen das Heft in der Hand hatte.

    Sie führten 17 Jahre lang für die kürzlich eingestellte BR-Sendung „Nachtlinie“, die Sie entwickelt haben, Interviews mit Prominenten. Meist in einer Tram, die durch München fuhr – manchmal auch durch Augsburg oder Würzburg.
    BÖNTE: Mit einer Tram durch eine Stadt zu fahren, hat überraschenderweise viele Interviewpartner geöffnet. Oft hörte ich hinterher: „Ich hab viel mehr gesagt, als ich sagen wollte.“ Das lag sicher nicht nur am Setting, sondern auch daran, dass ich aktiv zuhörte – und mich häufig von meinen vorbereiteten Fragen löste.

    Haben Sie ein Beispiel?
    BÖNTE: Ich denke gerade an den im Jahr 2010 gestorbenen Grünenpolitiker Sepp Daxenberger. Ich habe ihn zu einer Zeit interviewt, in der er schon schwer krebskrank war. Wir haben dann über alles Mögliche geredet – aber nicht über Politik. Solche Interviews waren von ganz anderer Qualität als die, die ich zuvor als Moderator des Politmagazins „Report München“ führte. Das waren harte, investigative Interviews, in denen man Menschen auch mal verletzte. Manchmal tat es mir leid, jemanden mit unseren Rechercheergebnissen zu konfrontieren.

    Warum?
    BÖNTE: Weil ich wusste, dass sie für denjenigen weitreichende Folgen haben konnten, bis hin zum Rücktritt. Klar, das gehörte dazu. Leicht fiel mir so etwas dennoch nicht.

    Darf man als Journalist Mitleid empfinden?
    BÖNTE: Ich habe nie ein Problem damit gehabt. Man muss human bleiben. Es war auch nie mein Ansatz, Menschen mit Fragen zu quälen.

    Sie hätten wohl gewusst wie.
    BÖNTE: Wenn man so viele Interviews geführt hat, weiß man, wo die empfindlichen Stellen liegen und Menschen möglicherweise in Tränen ausbrechen. Wenn ich etwa Holocaust-Überlebende interviewt habe, war es mir wichtig, ihnen die Gelegenheit zu geben, das preiszugeben, was sie wollen. Ich hätte tiefer bohren können – dadurch hätte ich allerdings möglicherweise einen Schutzschirm zerstört, den sie sich geschaffen haben. Warum sollte ich so etwas tun?

    Sie sagten einmal, Sie seien auf viele Ideen für neue Sendungen in einem Restaurant gekommen.
    BÖNTE: Das ist das Al Torchio in München, ein kleines italienisches Restaurant, in dem die Sendung „Lesch & Co.“ mit dem Astrophysiker Harald Lesch gedreht wurde. Ich wurde erst später Stammgast und habe einen Teil meines Lebens dort verbracht. In dem Restaurant kann man viele Leute von der Uni treffen, man kommt leicht ins Gespräch.

    Andreas Bönte und ein Kollege entwickelten die „Space Night“, die das nach Sendeschluss gezeigte Testbild im BR Fernsehen ab 1994 ersetzte. Die Idee war simpel: „Wir zeigen schöne Bilder aus dem All und unterlegen sie mit Musik“, erinnert sich Bönte.
    Andreas Bönte und ein Kollege entwickelten die „Space Night“, die das nach Sendeschluss gezeigte Testbild im BR Fernsehen ab 1994 ersetzte. Die Idee war simpel: „Wir zeigen schöne Bilder aus dem All und unterlegen sie mit Musik“, erinnert sich Bönte. Foto: NASA/ESA/STScI/JPL, BR

    Eine Ihrer Ideen war die „Space Night“.
    BÖNTE: Das war 1993. Ein Kollege und ich waren seit Kindheit an fanatische Raumfahrtfans. Irgendwann haben wir erfahren, dass die Nasa unfassbar viel Film-Rohmaterial aus dem All hat. Es wurde ja immer alles aufgezeichnet. Also fragten wir, ob wir nicht etwas haben könnten.

    Wie bittet man denn die Nasa um so etwas?
    BÖNTE: Wir haben einfach angerufen. Später waren wir auf einer Dienstreise in den USA und haben bei der Nasa in Houston eine Archivarin getroffen, die uns ungläubig fragte, ob wir das Filmmaterial wirklich haben wollten. Wir sagten: „Natürlich!“ Und dass wir uns besonders für die Apollo-Missionen interessieren. Sie packte alles in einen Container.

    Einen Container?
    BÖNTE: Da war nichts digitalisiert. Es kam dann tatsächlich ein Container mit jeder Menge Kassetten in Deutschland an. Damals lag die Explosion des Space Shuttles Challenger wenige Jahre zurück, ich glaube, die Nasa versprach sich gute PR. Und wahrscheinlich dachte man, wir würden große, wissenschaftliche Dokus drehen. Unsere Idee war aber: Wir zeigen schöne Bilder aus dem All und unterlegen sie mit Musik – als Ersatz für das Testbild, das nach Sendeschluss gezeigt wurde.

    Heute nennt man das „slow TV“.
    BÖNTE: Als wir das erstmals dem damaligen BR-Fernsehdirektor präsentierten, brach der nach zehn Minuten ab und fragte: „Wo ist die Information?“ Als es schließlich im Fernsehen lief, war es sofort ein Erfolg, ein richtiger Hype. Das sprach sich herum bis in die USA.

    Wie war es beim BR, als Sie dort Mitte der 80er-Jahre als freier Mitarbeiter anfingen?
    BÖNTE: Es gab weder Handys noch PC, nicht einmal Faxgeräte. Zum Recherchieren hatten wir Telefon und Fernschreiben, gedreht wurde auf 16-mm-Film. Berichte aus dem Ausland kamen mit dem Flugzeug nach München. Heute kann man im Prinzip mit dem Smartphone aus allen Teilen der Welt live senden. Alles hat sich erheblich beschleunigt – und wir müssen aufpassen, dass wir uns journalistisch nicht davon hinreißen lassen. Man muss nicht immer der Erste sein.

    Der BR hatte den Ruf, ein CSU-naher „Schwarzfunk“ zu sein.
    BÖNTE: Das war so, genauso wie der WDR den Ruf hatte, ein „Rotfunk“ zu sein. Es waren hochpolitisierte Zeiten. Im normalen journalistischen Alltag spielte das kaum eine Rolle, auf Leitungsebene wurde dagegen schon aufs Parteibuch geschaut. Innerhalb der ARD gab es eher konservative und eher sozialdemokratische Sendungen, und in der Schaltkonferenz der Chefredakteure prallten die verschiedenen politischen Richtungen aufeinander. Es wurde beispielsweise hefig darum gestritten, wer den „Tagesthemen“-Kommentar spricht.

    Ist Ihnen eigentlich einmal Markus Söder über den Weg gelaufen?
    BÖNTE: Klar.

    Der heutige CSU-Ministerpräsident war 1992 und 1993 Volontär beim BR, als Sie unter anderem das „Rundschau-Magazin“ und „Report München“ moderierten.
    BÖNTE: Seit dieser Zeit duzen wir uns auch. Aber in meinem Bereich war er nicht. Ich würde sagen: Er war ein aufstrebender Volontär, also Auszubildender.

    In den vergangenen Jahrzehnten waren Sie in einigen herausgehobenen Positionen, über Sie selbst wurde kaum berichtet.
    BÖNTE: Das hängt damit zusammen, dass ich zurückgezogen lebe. Ich bin kein großer Freund von Empfängen und hänge auch nicht in Münchner Journalisten-Kneipen ab. Ich habe mich immer fern von so etwas gehalten und versucht, frei von Skandalen zu bleiben.

    Der Bayerische Rundfunk verändert sich zurzeit, auch aufgrund des anhaltenden Spardrucks, sichtbar. Nachdem die Sendung „Gernstl unterwegs“ nach 40 Jahren eingestellt worden war, warf Franz Xaver Gernstl dem BR vor, dieser wolle sich auf Biegen und Brechen verjüngen.
    BÖNTE: Es sollte doch normal sein, Jüngeren Platz zu machen. Ich selbst habe mich bereits vor zwei Jahren darauf eingestellt und für mich ist das vollkommen in Ordnung. Mir wird gewiss nicht langweilig werden, gerade bin ich zum Beispiel dabei, ein Buchprojekt aufzulegen. Und ein Schlüsselroman über den BR wird das sicher nicht.

    Noch eine Idee von Bönte: die Sendung „Nachtlinie“. 17 Jahre lang interviewte er, meist in einer Münchner Tram, prominente Gäste wie die aus Tel Aviv stammende Köchin Haya Molcho.
    Noch eine Idee von Bönte: die Sendung „Nachtlinie“. 17 Jahre lang interviewte er, meist in einer Münchner Tram, prominente Gäste wie die aus Tel Aviv stammende Köchin Haya Molcho. Foto: Michaela Wilhelm-Fischer, BR

    Hat Gernstl nicht trotzdem einen Punkt? Auch Werner Schmidbauers Sendung „Gipfeltreffen“ wird am Karfreitag nach 22 Jahren eingestellt.
    BÖNTE: Aber es wird künftig kein 20-Jähriger auf den Gipfel steigen und das Format übernehmen! Von einem Verjüngungskurs auf Biegen und Brechen kann man wirklich nicht sprechen. „Gernstl unterwegs“, „Gipfeltreffen“ oder auch meine „Nachtlinie“ sind viele, viele Jahre gelaufen – irgendwann ist der Punkt gekommen, an dem man mal etwas anderes ausprobieren sollte. Und es ist doch auch eine Frage der Generationengerechtigkeit, Rundfunkbeitragsgelder für ein jüngeres Publikum auszugeben.

    Sie sind auch für ARD alpha und 3sat zuständig. Traurig, dass ARD alpha gestrichen und die Inhalte des Vollprogramms 3sat „teilweise oder vollständig“ in das Vollprogramm Arte überführt werden könnten?
    BÖNTE: Was ARD alpha angeht, bin ich der Meinung, dass wir die Programminhalte in eine neue Form, nämlich eine Plattform, gießen müssen – damit sie für Jüngere zugänglicher werden. Denn die interessieren sich sehr für Wissensthemen. An den Inhalten ändert sich nichts.

    Und der Beschluss der für Medienpolitik zuständigen Ministerpräsidenten zur Zukunft von 3sat?
    BÖNTE: Den habe ich als Angriff empfunden. Dieser Kultursender ist etwas Außergewöhnliches. Er ist eine Gemeinschaftseinrichtung von vier Sendern aus den drei Ländern Deutschland, Österreich und Schweiz, die alle ihre Perspektiven einbringen. Das ist genau der „Public Value“, der wertvolle Beitrag für die Gesellschaft, von dem die Politik mehr will im öffentlich-rechtlichen Rundfunk! Da kann man nicht 3sat oder Arte infrage stellen. Eigentlich müsste man von solchen Programmen mehr haben. Zumindest hat man nach öffentlichen Protesten von dem Plan, 3sat zu streichen, Abstand genommen.

    Zur Person

    Andreas Bönte, 66, ist stellvertretender Programmdirektor Kultur des Bayerischen Rundfunks. Der gebürtige Kieler geht Ende April in den Ruhestand.

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