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Pflege wird immer teurer - und keiner will sie machen: Bayern steht vor einem Problem

Soziales

Kein Personal und keine Helfer mehr? Der soziale Bereich gerät weiter unter Druck

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    Freiwillige helfen in vielen Branchen aus - vor allem oft auch in sozialen Berufen wie der Pflege, in Krankenhäusern oder Kitas. Sollte ihre Hilfe nun wegfallen, würde das System zusätzlich überfordert.
    Freiwillige helfen in vielen Branchen aus - vor allem oft auch in sozialen Berufen wie der Pflege, in Krankenhäusern oder Kitas. Sollte ihre Hilfe nun wegfallen, würde das System zusätzlich überfordert. Foto: BMFSFJ, Bertram Hoekstra (Symbolbild)

    Kitas, Altenheime, Krankenhäuser und Einrichtungen für Menschen mit Behinderung kämpfen schon jetzt mit einem gewaltigen Problem: Ihnen fehlt Personal. Dass sich die Lage gerade in der Pflege noch deutlich verschärfen wird, macht der aktuelle Pflegereport der Barmer deutlich: Demnach benötigen nicht nur immer mehr Menschen in Bayern Pflege - bis zum Jahr 2060 werden es demnach ein Million Menschen sein -, sie brauchen auch länger Unterstützung. Die Pflegedauer werde sich bei den aktuell Pflegebedürftigen mit im Schnitt 7,5 Jahren nahezu verdoppeln.

    2699 statt 1766 Euro: Pflegekosten liegen heute 50 Prozent höher als im Jahr 2018

    Belastend hinzu komme, wie die Krankenkasse am Mittwoch erläutert, dass die Ausgaben je pflegebedürftiger Person in Bayern in den vergangenen Jahren im Schnitt um 53 Prozent gestiegen seien. So habe sich die finanzielle Belastung Pflegebedürftiger in der stationären Pflege im Freistaat von durchschnittlich 1766 Euro im Jahr 2018 auf 2699 Euro im Jahr 2024 deutlich erhöht. „Eigenanteile in diesem Umfang drohen die Legitimation der Pflegeversicherung zu zerstören, die im Jahr 1995 an den Start ging, um pflegebedingte Verarmung zu verhindern“, sagte Alfred Kindshofer, Landesgeschäftsführer der Barmer.

    Gerade mit Blick auf den Fachkräftemangel und die Tatsache, dass aktuell über 80 Prozent der Pflegebedürftigen von Angehörigen versorgt werden, fordert Kindshofer eine steuerfinanzierte Pflegezeit für Angehörige in Anlehnung an die Elternzeit zu prüfen. Auch seien Renten- und Arbeitslosenversicherungsbeiträge für pflegende Angehörige eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.

    Zahl der Pflegebedürftigen steigt – Zahl der Pflegenden sinkt

    Da die Zahl der Pflegebedürftigen steigen wird, gleichzeitig aber immer weniger Jüngere für die häusliche Pflege bereitstehen, müssten die Pflegeberufe attraktiver gestaltet werden. Nicht wenige junge Menschen finden über freiwillige Dienste ihren Weg in soziale Berufe, in Pflegeheimen, oder Kitas. Doch dieser Einstieg ist aktuell gefährdet. Denn momentan ist ungewiss, ob es bald noch genügend Freiwillige gibt, die in sozialen Einrichtungen, bei Umweltorganisationen, Sportvereinen oder dem THW helfen. Der Grund dafür ist das Ampel-Aus und der fehlende Haushalt für 2025. Denn die Freiwilligen-Dienste aus Bundesmitteln werden bezahlt. Und das wird jetzt zum Problem.

    Zwar können Freiwillige jederzeit ihren Dienst beginnen, die meisten starten jedoch im September. Weil aber schon vergangenes Jahr unsicher war, wie viel Geld für die Freiwilligen-Dienste da sein würde, gaben viele Träger ihren Freiwilligen nur Halbjahresverträge, die sie im März 2025 verlängern wollten. Damals waren sie noch zuversichtlich, dass dann ein neuer Haushalt stehen würde. Nachdem die Ampel-Koalition scheiterte und kein Haushalt verabschiedet wurde, fürchten viele Träger nun, ab April ohne Freiwilligen auskommen zu müssen. Dazu ist unklar, ob und wie viele Freiwillige für den Dienst 2025/26 eingestellt werden können. Aber die Bewerbungen laufen meist ab Januar oder Februar. Margit Berndl, Vorsitzende des Paritätischen Wohlfahrtverbands in Bayern sagt dazu: „Wir brauchen so schnell wie möglich Klarheit, damit wir wissen, wie es weitergeht. Wenn keine Vereinbarungen für den Jahrgang 2025/26 getroffen werden können, würden allein in Bayern über 3000 Bundesfreiwillige fehlen. Zählt man die Tätigen im Freiwilligen Sozialen Jahr dazu, würden insgesamt sogar über 7000 Kräfte fehlen. Das können und dürfen wir nicht zulassen.“

    Weil die Finanzierung unsicher ist: Viele Einrichtungen in Bayern könnten bald ohne Freiwillige sein

    Das Bayerische Roten Kreuz (BRK) warnt ebenfalls vor einer Notlage: „Für die Einrichtungen bedeutete der Wegfall der Freiwilligen, dass die hauptamtlichen Kolleginnen und Kollegen mehr schultern müssen.“ Und für die Menschen, die es versorgt, er: „Die Tätigkeiten, die durch die Freiwilligen erbracht wurden – Betreuung, Gespräche, Projekte – fallen weg.“

    Schon vor dem Ampel-Aus hätten rund 40 Millionen Euro weniger für die Freiwilligen-Dienste zur Verfügung gestanden, so sah es der Haushaltsentwurf vor. Damit wäre jede dritte Freiwilligen-Stelle bedroht gewesen. „Diese Unsicherheit, dass wir jedes Jahr aufs Neue nicht wissen, wie viel Geld wir für Freiwillige zur Verfügung haben, macht uns die Planung sehr schwer“, sagt Tobias Utters, Sprecher der Caritas in Bayern. Denn Interesse an den Stellen gibt es. Wenn Bewerberinnen und Bewerbern aber gesagt wird, sie müssten auf eine Zusage warten, bis der Bundeshaushalt feststehe, „entscheiden sich viele Menschen womöglich gegen die Unsicherheit und das Warten“, befürchtet etwa das Technische Hilfswerk. Aus der Sicht des BRK hat das langfristige Folgen: „Viele Freiwillige ergreifen später Berufe in Pflege, Medizin und Sozialarbeit. Wenn aber durch den Wegfall der Freiwilligen die Arbeitsbedingungen in den Einrichtungen noch herausfordernder werden, sinkt die Attraktivität dieser Berufe – eine riskante Abwärtsspirale in einem ohnehin unter Druck stehenden System“, sagt BRK-Sprecherin Claire Kolodinski.

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