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Umstrittenes Schweine-Wettgrillen im Bayerischen Wald: Söder provoziert mit Besuch

Veganer-Protest

Umstrittenes Schweine-Wettgrillen: Söder lässt die Sau raus

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    Für die einen Genuss, für die anderen eine Sauerei: Spanferkel am Spieß.
    Für die einen Genuss, für die anderen eine Sauerei: Spanferkel am Spieß. Foto: Imago

    Kurz vor der Bundestagswahl machte Markus Söder auf der Bühne mal wieder einen Witz auf Kosten von Veganern. „Wenn ich in einem veganen Restaurant bin, bestelle ich am liebsten …“, begann der Satz, den Söder vervollständigen sollte. Und Söder vervollständigte: „... das Taxi, damit ich wieder wegkomme.“ Lautes Gelächter – und der leise Verdacht, dass dieser Gag nicht ganz spontan kam.

    Für den 24. Mai hat Söder seine Dienstlimousine in die ganz andere Richtung bestellt. Zum großen Schweine-Wettgrillen im Bayerischen Wald. An jenem Samstag lassen sie in Viechtach die Sau raus – aber nur kurz, um sie dann auf Spieße zu stecken und öffentlich auf dem Stadtplatz zuzubereiten. Bürgermeister Franz Wittmann hatte die Idee und will die Sau-se privat organisieren. Er betreibt einen Laden mit bayerischen und italienischen Spezialitäten und sagt, das Ganze soll eine Attraktion sein, bei der es „um Genuss geht“.

    Veganerinnen empört: „Fühlende Individuen“ werden zur Belustigung gegrillt

    Doch was für die einen Genuss ist, ist für andere eine Sauerei. „Es geht um fühlende Individuen, die zur Belustigung an einem Spieß gegrillt werden sollen und für einen kurzen Genuss ihr Leben verlieren“, schimpft Vera Gögele von der Gruppe „Vegan in Viechtach“. Die Tierfreundinnen wünschen sich ein zeitgemäßes Fest und nicht eines, das „durch die ,Hauptattraktion‘ für noch mehr Fleischkonsum wirbt und jeglichen Respekt vor dem Leben anderer Lebewesen mit Füßen tritt“. Um ein Verbot von Fleisch gehe es ihnen nicht, sagen die Frauen. Auch sie seien für Feste und Genuss. „Aber, ohne dass ein Tier dafür sterben muss“, sagt Gögele. Zweimal hat sie sich mit ihren Mitstreiterinnen Birgit Becker und Nadine Döring mit dem Bürgermeister zusammengesetzt, um das Wettgrillen zu stoppen oder einen Kompromiss zu finden.

    Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) ist ein großer Grill-Fan.
    Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) ist ein großer Grill-Fan. Foto: Sven Hoppe, dpa (Archivbild)

    Vergebens. Vielleicht auch deswegen, weil der Kompromissvorschlag von Bürgermeister Wittmann bei den Veganerinnen den Puls eher noch in die Höhe getrieben hat: Sie könnten sich doch mit Beilagen an dem Fest beteiligen, da wäre das Vegane doch ideal, meinte Wittmann und tappte mitten in die Fleischesser-Falle, wonach veganes Essen nicht zur echten Mahlzeit tauge und sich in einem Kartoffelsalat erschöpfe. Die Damen waren sauer: Ihr Eindruck sei, dass der Bürgermeister auf Biegen und Brechen das Wettgrillen mit den „Schweinekörpern“ durchdrücken wolle – „wie im Mittelalter“.

    Söder macht gerne mal Witze auf Kosten von Veganern

    Womit wir wieder bei Bayerns Ministerpräsident Söder wären, der ja nach einigen Ausflügen in die Moderne (Bäume umarmen, schneller Atomausstieg) zurzeit eher einen Retrokurs fährt. Politisch und gesellschaftlich. Dazu gehört das Zurschaustellen von Essensbildern mit dem Hashtag #söderisst – natürlich größtenteils Fleisch oder Wurst, garniert mit kleinen Spitzen gegen fleischloses Essen. Ein Ausflug zu den Fans der gegrillten Sau am Spieß? Ein Heimspiel, wird sich Söder gedacht haben und hat einen Besuch in Viechtach zugesagt. „Die Staatskanzlei hat bestätigt, dass er gegen 11 Uhr kommen und etwa eine Stunde bleiben will“, berichtet CSU-Bürgermeister Wittmann stolz. Die Magenverstimmung, die sich Söder auf seiner Indien-Reise geholt hat? Längst überwunden. Und er hat ja gleich danach gesagt, dass er sich jetzt auf eine gscheite Schweinshaxe freut.

    Die Veganerinnen Nadine Döring, Birgit Becker und Vera Gögele (von links) stehen an einem Gemüsestand am Stadtplatz. Sie protestieren scharf gegen das Schweine-Wettgrillen.
    Die Veganerinnen Nadine Döring, Birgit Becker und Vera Gögele (von links) stehen an einem Gemüsestand am Stadtplatz. Sie protestieren scharf gegen das Schweine-Wettgrillen. Foto: Armin Weigel, dpa

    Durch den bundesweiten Wirbel ums Wettgrillen ist aber ein saumäßiges Problem entstanden. Anfangs waren es fünf oder sechs Grillteams und man plante mit rund 1500 Besuchern. Nun haben sich ganze Busse von Besuchern aus halb Deutschland angekündigt. „Wir rechnen jetzt mit einer Besucherzahl von 5000 plus x“, sagt Wittmann. Und die Zahl der Grillteams ist auf 15 angewachsen. „Für das Fest und die Stadt ist das natürlich wunderbar“, sagt der Bürgermeister, „für die Schweine nicht“. Jetzt müssten bis zu 20 oder mehr Tiere geschlachtet werden. Durch den Protest der Veganer sei also kein einziges Schwein gerettet worden – im Gegenteil.

    Viechtachs Bürgermeister Franz Wittmann (CSU) will das Wettgrillen in privater Initiative organisieren.
    Viechtachs Bürgermeister Franz Wittmann (CSU) will das Wettgrillen in privater Initiative organisieren. Foto: Armin Weigel, dpa

    Das Schweine-Wettgrillen steigt damit am 24. Mai in noch größerem Stil und bei jedem Wetter. Um 10 Uhr geht’s los mit einem Weißwurstfrühstück. Dann stehen die Sauen im Mittelpunkt. Eine Jury um eine Genusskönigin soll das beste Essen prämieren – wobei eine italienische Gruppe ein Lamm zubereitet und ein Afghane – ein Freund von Franz Wittmann – etwas Landestypisches. Ab 19 Uhr spielt dann eine Party-Band.

    Söder: Ein Leben ohne Schweinebraten mag möglich sein, aber nicht sinnvoll

    Die Tierfreundinnen von Vegan in Viechtach werden das Fest meiden. Sie wundern sich aber schon über den Söder-Besuch. „Wir fragen uns ganz ehrlich, ob Herr Söder nichts Besseres zu tun hat, als zu irgendeinem Grillfest im tiefsten Niederbayern zu fahren.“ Und sie möchten lieber gar nicht wissen, was dieser Besuch an Steuergeldern kostet, „die sicherlich anderweitig besser eingesetzt werden könnten“.

    Für die einen ist es reine Verschwendung von Steuergeldern. Für den anderen eine grundsätzliche Frage der Haltung. Oder, wie CSU-Chef Söder einmal sagte: „Ein Leben ohne Schweinebraten mag möglich sein, aber nicht sinnvoll.“

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    7 Kommentare
    Paulus Wambach

    Die Veganer sind in ihrem Auftreten militant. Das stößt bei mir auf Aufablehnung mit ihnen zu diskutieren. In diesem Fall sei erwähnt, daß selbst Jesus Christus kein Veganer war.

    Klaus Axmacher

    >> Und sie möchten lieber gar nicht wissen, was dieser Besuch an Steuergeldern kostet, „die sicherlich anderweitig besser eingesetzt werden könnten“.<< Auf jeden Fall ist diese Veranstaltung für den Steuerzahler günstiger als eine Demo mit großem Polizeiaufgebot. Mit den zu erwartenden zusätzlichen Steuereinnahmen bleibt sogar noch was im Staassäckel über.

    Gerhard Denk

    Guter fundierter Standpunkt, Herr Betz. Leben und Leben lassen wäre doch die Devise. Aber dass unser Landesvater statt ständiger Reisen und Besuchen von Essevents für sein Geld zur Abwechsung mal mehr arbeiten sollte, hat der Kommentator der AZ richtig erkannt.

    Friedrich Betz

    "Wokeness" bezeichnet gemäß der folgenden, im anglo-amerikanischen Sprachraum gängigen Definition "a state of awareness only achieved by those dumb enough to find injustice in everything except their own behaviour". An dieser Definition sollten sich in Viechtach halt beide Seiten orientieren, Veganer und Carnivoren, und ihren jeweiligen Standpunkt hinterfragen; ebenso Herr Sabinsky-Wolf als Autor dieses Artikels und Frau Gabriele Schäfer als dessen Kommentatorin. Denn es gilt auch hier: Wie immer liegt die Wahrheit in der maßvollen Mitte!

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    Martin Goller

    Schön dass sie sich an einer Definition orientieren an der vor allem extrem konservative und rechtsextreme Menschen hängen - von Ihnen als "gängig" bezeichnet. Merriam Webster, gemeinhin der amerikanische Duden, sieht als Definition: "aware of and actively attentive to important societal facts and issues (especially issues of racial and social justice)". Und dass es im Schweinezuchtbereich zu einigen Schweinereien kommt ist wohl eine durchaus relevante Geschichte wenn ein solches Fest stattfindet.

    Klaus Huber

    In Bayern hiess es früher mal leben und leben lassen. Die Veganerinnen dürfen das Zeug ja gern essen, aber mir ist halt a Schweinshaxe lieber. Und das wird Gott sei Dank auch von unserer Verfassung unterstützt .....

    Gabriele Schäfer

    Ich würde gerne mal wissen, was Sie, liebe Redaktion unter "Wokeness" verstehen. Der Begriff wird inflationär gebraucht, aber niemand will ihn definieren. Zu Herrn Söder: Wie tief ist er gesunken. Was soll das unserer Gesellschaft nützen, wenn unser erster Mann im Freistaat Bayern Role Model mit Junk Food (interessenskonfligierende McDonalds Werbung) oder mit vor fett triefenden Fleischbergen spielt? Witze auf Kosten von Veganern? Was soll das? Das ist einfach nur armselig und spaltet unsere Gesellschaft. Söder ist Ministerpräsident aller Bayerinnen und Bayern, daran sollte er sich vielleicht mal erinnern. Wahlk(r)ampf ist vorbei.

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