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Vöhringen begeistert mit Premiere: ‚Was man von hier aus sehen kann‘ auf der Bühne

Vöhringen

Szenenwechsel Vöhringen bringt ein Stück um Liebe, Verlust und Alltag auf die Bühne

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    Szene aus der neuesten Inszenierung der Vöhringer Laienbühne Szenenwechsel "Was man von hier aus sehen kann." Von links Johannes Koerner, Erika Möres, Diana Geiser, Eric Baur, Lutz Freybott, Sarah Schwerdel und Nora Lange.
    Szene aus der neuesten Inszenierung der Vöhringer Laienbühne Szenenwechsel "Was man von hier aus sehen kann." Von links Johannes Koerner, Erika Möres, Diana Geiser, Eric Baur, Lutz Freybott, Sarah Schwerdel und Nora Lange. Foto: Ursula Balken

    Zuerst erschien das Buch, dann wurde ein Film daraus, es folgte ein Bühnenstück, adaptiert als Schauspiel von Mirko Schombert. Und dann kam „Szenenwechsel“ und macht aus „Was man von hier aus sehen kann“ eine echte Premiere. Denn wie Regisseur Gerhard Mahler sagt, ist die Aufführung im Vöhringer KellerKult die erste, die bundesweit von einer Laienbühne gespielt wird. Aber das Ensemble ist bekanntermaßen experimentierfreudig und hat damit auch immer Erfolg. Und der blieb auch jetzt nicht aus. 

    Wenn ein Traum den Tod vorhersagt

    „Was man von hier aus sehen kann“ ist ein etwas sperriger Titel, aber so ungemein treffend und so perfekt zugeschnitten für diesen neuen Vöhringer Kulturraum. Mit 50 Besuchern ist der Platz ausgereizt. Dass zwischen Bühne und der ersten Zuschauerreihe kaum zwei Meter Raum liegen, erzeugt eine besondere spielerische Dichte. Gezeichnet wird ein Dorf irgendwo in der deutschen Provinz – im Buch ist es der Westerwald, aber es kann überall angesiedelt sein. Denn eine dörfliche Gemeinschaft, deren Interesse sich auf das bezieht, was im Gesichtsfeld der Bewohner liegt, kann in ländlicher Umgebung überall zu finden sein.

    Im Mittelpunkt steht Selma. Erika Möres gibt dieser zerbrechlichen, aber mit treffsicherem Humor gesegneten Frau Profil. So sagt sie morgens, sie habe in der vergangenen Nacht von einem Okapi geträumt. Eigentlich nicht ungewöhnlich, wenn man davon absieht, dass ein Okapi in Afrika zu Hause und vom Aussterben bedroht ist. Aber Träume sind bekanntlich meist irrational. In diesem Fall allerdings steckt hinter der Aussage eine beängstigende Wahrheit. Denn wenn Selma von einem Okapi träumt, stirbt jemand im Dorf, das hat sich schon bewahrheitet. Dieser Satz, den sie nur ihrer Enkelin Luise (Sarah Schwerdel) anvertraut, bringt die Handlung in Gang. Sarah Schwerdel hat einen Spagat zu bewältigen, zwischen dem siebten Himmel der Liebe und der Enttäuschung, und wie sie diese Herzensangelegenheit für sich selbst begreiflich macht. Das wirkt berührend.

    Diese unheilvolle Traumdeutung macht die Runde im Dorf rund und führt zu Reaktionen. Da ist Luises Mutter (Gesa Freybott), die sich seit 25 Jahren mit der Frage beschäftigt, ob sie ihren Mann verlassen soll. Ihr Mann, Luisas Vater, sieht die dörfliche Enge, die das Denken bestimmt, appelliert fast beschwörend „ihr müsst dringend mehr Welt hereinlassen“ und macht sich auf, diese zu erkunden. Elsbeth (Diana Geiser) ist der Aberglaube in Person und meint angesichts der Möglichkeit zu sterben, ihre privaten Geheimnisse von sich geben zu sollen.

    Die Schauspielerinnen und Schauspieler sind intensiv

    Die personifizierte Abwehr gegen alles, was von außen kommt, ist Marlies (Nora Lange). Ihre Miene ist verhärtet, ihr Blick eiskalt. Dann ist da der Optiker (Johannes Koerner), heimlich seit Jahren in Selma verliebt, der Briefe über Briefe an sie schreibt, aber nie beendet und so auch nie abschickt. Palm (Ingo Wiest) mutiert von jetzt auf gleich vom griesgrämigen alten Senior zu einem gläubigen Menschen. Erik Baur hat eine Doppelrolle inne. Einmal ist er der junge Mann, in Luise verliebt. Dessen Liebesbekundung ist wortwörtlich ein Kraftakt, der darin besteht, dass er sie auf dem Rücken trägt, dann aber aus einer nicht gut verschlossenen Tür eines Zuges in den Tod stürzt. Später verwandelt er sich in einen Mönch, der in einem Kloster in Japan lebt. Eine Blumenverkäuferin ist Marlit Feltes. Ob große oder kleine Rolle – die Spieler vermögen es, Tragik, Liebe und Verlust mit Intensität darzustellen. 

    Regisseur Mahler muss mit beengten Bühnenverhältnissen zurechtkommen. Das Problem löst er, indem er die gerade nicht im Lampenlicht agierenden Spieler stumm und in stoischer Haltung im Hintergrund stehen lässt. Gespielt wird ohne Gefühlsduselei, vielmehr streut Autorin Leky so manchen Satz ein, um der wachsenden Tristesse entgegenzuwirken. Die Aufführung ist ein Stück großer Nähe, die dann auch diese besondere Atmosphäre schafft – nachdenklich bis heiter und voll praller Spielfreude.

    Weitere Aufführungstermine: Mittwoch, 28. Mai, 20 Uhr, Donnerstag, 29. Mai, 20 Uhr und Sonntag, 1. Juni, 20 Uhr. Tickets unter www.szenenwechsel-voehringen.de.

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