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Gesellschaft
10.05.2018

Achille Mbembe: "Identitätspolitik ist Opium für das Volk"

Sein Weg führte von Kamerun nach Paris und New York. Jetzt lehrt Achille Mbembe in Südafrika.
Foto: Matthias Balk, dpa

Achille Mbembe, der wichtigste Denker Afrikas, sagt, wir haben größere Probleme, als uns um den inneren Zusammenhalt zu sorgen. Es geht um das Menschsein.

Wer Achille Mbembe beim Nachdenken über die Welt zuhört, sieht sie danach anders. Die Kraft seiner Sätze legt erstaunliche und beunruhigende Erkenntnisse frei. Diese Wirkung, die er auch in Büchern wie "Die Kritik der schwarzen Vernunft" und "Die Politik der Feindschaft" entfaltet, hat dem Politikphilosophen, der aus Kamerun stammt und nun in Südafrika lehrt, bereits weltweite Aufmerksamkeit verschafft. Derzeit lehrt er für zwei Wochen als Gastdozent am Jakob-Fugger-Zentrum der Universität Augsburg. Aber als der vielfach, unter anderem auch mit dem Geschwister-Scholl-Preis, ausgezeichnete Denker zum Gespräch im Domhotel empfängt, frappiert zunächst vor allem: Unglaublich, dass Achille Mbembe schon 60 Jahre alt sein soll! Aber zur Sache.

Politiker erzielen derzeit in vielen Ländern Erfolge damit, zu sagen: Wir haben selber genug mit den Herausforderungen von Globalisierung und Digitalisierung zu kämpfen, wir können nicht auch noch die Verantwortung für die Welt und die Flüchtlinge aus Afrika schultern. Also unterstützen wir euch mit Milliarden Entwicklungshilfe – dafür haltet ihr uns eure Probleme vom Hals. Was antworten Sie?

Achille Mbembe: Ich wünschte wirklich, es wäre so einfach. Dass nicht ein einziger Mensch mehr sterben müsste beim Versuch, die Wüste oder das Mittelmeer zu durchqueren, um in Länder zu kommen, in denen sie gar nicht erwünscht sind. Leider sind die Dinge etwas komplizierter. Zum Beispiel kann man nicht einfach kommen und ein Land wie Libyen zerstören, ohne Pläne, was danach kommen soll. Oder Ressourcen eines Landes ausbeuten und hoffen, dass die Menschen nicht aus Regionen flüchten, die dadurch unbewohnbar geworden sind, wie etwa in Niger. All diese Fragen sind unausweichlich verbunden. Denn diese Menschen sind es ja, die sich auf den Weg machen. Deren Heimat zu zerstören und zu meinen, sie sollen einfach dortbleiben – das allein schon ist absolut zynisch.

Und mit Geld nicht zu beheben.

Mbembe: Die Milliarden gehen ja ohnehin nicht an die Bevölkerung. Mit dem Geld werden auch die westlichen Firmen bezahlt, die dort neue Grenzen bauen und sichern. Im Vergleich zu den Summen, die – mithilfe afrikanischer Eliten – aus Afrika heraus und in die globale Hochfinanz fließen, sind die Milliarden der Entwicklungshilfe tatsächlich Peanuts. Das Problem ist also: Wie macht man die Heimat der Menschen dort wieder bewohnbar? Wie stiftet man neue Gemeinschaft mit einem Verantwortungsgefühl füreinander? Das geht nur durch globale Anstrengungen, durch Koalitionen von Menschen guten Willens. Wir müssen diese Solidarität wieder aufbauen in einer Zeit, in der uns nahegelegt wird, dass menschliche Solidarität nutz- und bedeutungslos ist. Es muss Aktionen bewussten Widerstands geben, kulturell oder politisch, die es uns ermöglichen, den Charme von menschlicher Solidarität wiederzuentdecken. Und wir müssen neue, demokratische Formen dafür finden. Wie soll man etwa gegen Entscheidungen angehen, die an der Wall Street fallen?

Die Idee der Gemeinschaft steckt in einer tiefen Krise

Es gibt ja durchaus politische Bestrebungen für einen neuen Zusammenhalt, ein neues Wir – auch, um den Sorgen vor den globalen Entwicklungen zu begegnen. Bloß beschränkt sich diese Identitätspolitik aufs Nationale.

Mbembe: Und das ist das doppelte Problem. Zum einen: Einst war Identitätspolitik ein Mittel der Emanzipation, etwa in der Frauenbewegung, und ein Mittel der Inklusion, um mehr Menschen zu vereinen. Heute wird sie für das Gegenteil instrumentalisiert: zur Ausgrenzung. Die möglichen Verlierer innerhalb der Gesellschaft werden gegen die äußeren mobilisiert. Und benutzt werden dabei die üblichen Muster wie die Religion und die Rasse. Identitätspolitik ist dadurch eine Bedrohung der Demokratie geworden. Wer die liberale Demokratie zerstören will, muss in Identitätspolitik investieren. Aber die entscheidende Frage unserer Zeit ist ja, was uns mit anderen verbindet, die nicht "Wir" sind. Denn eigentlich sind ja alle von den gleichen Problemen betroffen. Zum anderen: Im Zeitalter des Individualismus steckt die Idee der Gemeinschaft in einer tiefen Krise. Wir sind Individuen, die allein verantwortlich für uns sind. Auch wenn wir scheitern, ist es allein unsere Schuld. Dem anderen schulden wir nichts. Das ist die Folge des Kapitalismus. Und so höhlt er das demokratische Projekt aus.

Dabei galt freie Marktwirtschaft doch als Basis der Demokratie. Was hat das mit der Identitätspolitik zu tun?

Mbembe: Was wir erleben, ist das Auseinanderbrechen von Kapitalismus und Demokratie – sie sind nicht mehr länger vereinbar. Weil der Kapitalismus praktisch alles zerstört, was Menschen zusammenbringen kann. Er bringt sie nur noch in einer Sache zusammen: in der Ware, auf dem Markt. Er zerstört jede Grundlage der Gemeinschaft, zersetzt den sozialen Körper und entfesselt ihn gegen sich selbst. Und das ist ein globales Problem. Der Kapitalismus ist eine Bedrohung geworden für die Zukunft des Planeten. Das hat nichts mit Identität zu tun und wäre nie im Rückzug auf Nationales zu lösen. Identitätspolitik ist darum Zeitverschwendung. Der Kapitalismus braucht sie, um die Leute abzulenken, sie ist Opium für das Volk, ein Schleier, hinter dem sich die wirklichen Probleme verbergen. Identitätspolitik bedeutet tatsächlich eine Entfremdung des Menschen von den Fragen des Lebens.

In einem Ihrer Vorträge in Augsburg zeigten Sie auf, wie sich die Grenzen der Welt derzeit verschieben. Die europäischen liegen bereits innerhalb Afrikas, um die Flüchtlinge zu stoppen. Und durch die Digitalisierung werden die Menschen künftig komplett erfasst – und Ihre Körper damit zu den Grenzen. Sie werden in ihren Rechten und Freiheiten sortierbar. Ein mächtiges Zusammenspiel aus Identitätspolitik, Sicherheitsindustrie, Technologiekonzernen, dem Militär … Was könnte diese Entwicklung verhindern?

Mbembe: Eine explosive Kombination und eine unumkehrbare Entwicklung. Ich bin da sehr pessimistisch. Aber zumindest müssen wir die Menschen aufklären darüber, was da passiert und welche Folgen für die Freiheit, die Demokratie und die Emanzipation das hat. Wenn es je eine Zeit gab, in der wir das kritische Denken brauchten, dann ist es heute. Denn was wir gerade erleben, ist eine totale Umbildung des Begriffs des Menschseins.

Inwiefern?

Mbembe: Wir bewegen uns auf eine Zeit zu, in der das Menschliche manipuliert und hergestellt werden kann. Die nutzlosen Teile sollen getilgt werden: die nutzlosen Teile des Menschseins und der Menschheit. Es ist die Stunde des Hoch-Nihilismus und Hoch-Zynismus. Wir ersetzen das Menschliche durch die Kategorien technischer Objekte. Aber nicht durch Verschwörung der Mächtigen, sondern durch die herrschende Logik und deren konkrete Mechanismen. Die Entscheidungen selbst werden an Maschinen abgegeben, weil diese sie objektiver, effizienter, hyperrational und superschnell treffen können – besser als Menschen. Aber freilich sind die Entscheidungen nicht neutral. Sie werden auf einer funktionalen Basis getroffen: Es geht um die Bewegung des Geldes. Es ist selbst virtuell geworden und es darf nicht stillstehen, muss ständig in Umlauf sein und sich vermehren. Was in dieser Sicht keinen Wert hat, ist wertlos, ist eine Bürde, das muss man loswerden.

Das Menschenbild trägt Zeichen der Totalität

Aber macht uns das nicht zu Menschen, die wir gar nicht sein wollen?

Mbembe: Das wir müssen erst wieder in den Blick bekommen bei all den unmittelbaren Herausforderungen, in die uns das verstrickt. Die Frage sollte ja vielmehr sein: Welche Umstände müssten wir anstreben, um die Menschen zu werden, die wir sein wollen? Darum braucht es das kritische Denken. Und darum ist es eine Tragödie, dass wir auch die Bildung auf die Anforderungen des Marktes verkürzt haben. Diese Verarmung ist Zeichen der Totalität des neuen Menschenbildes.

Die Menschen, die wir sein  wollen – brauchen wir eine neue Utopie?

Mbembe: Darum spreche ich gerne über eine Welt ohne Grenzen. Eine verrückte Utopie, ich glaube nicht, dass es das jemals geben wird. Aber wir müssen auch diese Ideen in Umlauf bringen – in Konkurrenz zu all den düsteren Perspektiven und den Fantasien der absoluten Sicherheit und der totalen Kontrolle. Denn wir haben einen langen Kampf gegen den Niedergang des Menschen zu bestehen. Und wir werden ihn niemals endgültig gewinnen, immer wieder von Neuem beginnen müssen. Und wenn immer mehr Menschen immer öfter die Erfahrung des Scheiterns machen und es keine Regierung, keinen Herrscher mehr gibt, sondern bloß noch die Macht der Strukturen, die dafür verantwortlich sind – dann kann uns nur noch die Gemeinschaft helfen, die Menschlichkeit zu bewahren.

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