Hier also hätte die finale Schlacht des Bauernkriegs stattfinden sollen. Auf einem Hügel fünf Kilometer nördlich der Reichsstadt Kempten standen sich im Juli 1525 das Heer des Schwäbischen Bundes und die aufständischen Bauern gegenüber. Auf der einen Seite vermutlich 10.000 Landsknechte und Reiter, geschult und geübt im Handwerk des Kämpfens und Tötens. Auf der anderen Seite nach heutigen Schätzungen 10.000 bis 20.000 Bauern und andere einfache Leute, gerüstet mit Wut, Zorn und einfachen Waffen. Schon seit ein paar Tagen lieferten sie sich Scharmützel. Auf dem Hügel bei Kempten sollte sich nun, am 15. Juli 1525, entscheiden, wer als Sieger aus dem Krieg der Obrigkeit gegen die Untertanen hervorgeht.
Der Truchsess von Waldburg jagte den Aufständischen erbarmungslos nach
Zur großen Schlacht kam es aber nicht. In der Nacht zuvor hatten sich die Bauern heimlich vom Feld gemacht. Bis heute rätseln Historiker, warum sie ihre Stellungen beim Bach Leubas verlassen hatten. Der Heerführer des Schwäbischen Bundes, der gefürchtete Georg Truchsess von Waldburg, wollte die Konfrontation allerdings nicht auf diese Weise verpuffen lassen. Er jagte den fliehenden Bauern nach, ließ Höfe anzünden und Anführer hinrichten. Mit aller Gewalt und Grausamkeit wollte der „Bauernjörg“, wie der Truchsess von der Nachwelt auch genannt wurde, den Aufruhr der verzweifelten Landbevölkerung abwürgen.

Auf dem Hügel, am steilen Abhang zur Leubas hinab, erinnert ein Gedenkstein an die Ereignisse. Zu finden ist er nur für Ortskundige. Kein Wegweiser, kein Pfad führen dorthin. Wer die verrostete Blechhaube, die den Stein vor Wind und Wetter schützt, abnimmt, kann auf einer Schriftplatte nachlesen, was passiert war. Stenogramm-Sätze fassen die Katastrophe zusammen. Am Ende steht lapidar: „Die Bauernsache ist verloren.“
An den Krieg vor 500 Jahren mit seinen Verheerungen und den geschätzt 100.000 Toten wird in diesen Wochen und Monaten an vielen Orten und mit unzähligen Veranstaltungen erinnert, besonders dort, wo es die blutigsten Auseinandersetzungen gab. Oder bedeutende Weichenstellungen wie in Memmingen, wo die Bauern ihre Forderungen in den „Zwölf Artikeln“ formulierten. Die Revolte hatte damals Süddeutschland vom äußersten Südwesten über Oberschwaben, Württemberg und Franken bis nach Hessen, Sachsen, Thüringen und ins Elsass erfasst, zudem Tirol, Salzburg und Teile der Schweiz. Nur im Herzogtum Bayern blieb es weitgehend ruhig.
Die Bauern wollten das System nicht abschaffen, jedoch mehr Rechte und Freiheiten
Schon 1524 erhoben sich im Schwarzwald und am Bodensee die einfachen Leute, um sich gegen die Zumutungen ihrer Herren in den Klöstern, Burgen und Schlössern zu wehren. Neben den Bauern, die einen Großteil der Landbevölkerung ausmachten und von denen viele Leibeigene waren, beteiligten sich auch Handwerker, Tagelöhner, fahrendes Volk, Bergleute. Sie schlossen sich zu kleinen militärischen Einheiten zusammen, sogenannten Haufen. Große Schlachten gab es vorerst nicht, jedoch Belagerungen, Überfälle, Plünderungen. Adelige und ihre Familien mussten aus den Burgen fliehen, Äbte, Mönche und Nonnen aus den Klöstern.
Dabei wollten die Bauern und ihre Verbündeten in den unteren Schichten das politische System nicht grundsätzlich umstürzen. Sie, die den dritten Stand in der mittelalterlichen Ständegesellschaft bildeten, drangen bei Klerus und Adel auf die Verbesserung ihrer prekären Lebensumstände, auf mehr Rechte und vor allem mehr Freiheiten. Die Leibeigenen, die am schlimmsten dran waren, besaßen – kurz gesagt – kein Eigentum, mussten ihren Herren Abgaben und Frondienste leisten, konnten kein selbstbestimmtes Leben führen.
„Der größte Volksaufstand in Westeuropa vor der Französischen Revolution“
Die „Revolution des gemeinen Mannes“ nannte der Historiker Peter Blickle den Aufstand. Durch seine Herkunft eng mit dem Allgäu und Oberschwaben verbunden und viele Jahre Geschichtsprofessor in Bern, hatte sich Blickle (1938 – 2017) wie kaum ein anderer mit den Ursachen dieses epochalen Ereignisses befasst, den Verlauf rekonstruiert und eingeordnet. Die in Oxford lehrende Geschichtsprofessorin Lyndal Roper greift bei der Charakterisierung des Bauernkriegs sogar zu einem Superlativ: Sie bezeichnet ihn in ihrem 2024 erschienenen und allseits gelobten Buch „Für die Freiheit“ als den „größten Volksaufstand in Westeuropa vor der Französischen Revolution“.
Allerdings wurde den Bauern nicht erst 1524/25 ihre missliche Lage bewusst. Schon vorher begehrten sie auf, wagten immer wieder kleine Aufstände. Im Allgäu etwa schlossen sie sich 1406 zu einem Bund nach eidgenössischem Vorbild zusammen, der allerdings nur ein halbes Jahr bestand. 1491/92 gab es einen weiteren Versuch im gewichtigen Fürststift Kempten. Auch diese Revolte brach zusammen. Der Schwäbische Bund, in dem sich die herrschenden Stände, Adel und Klerus, sowie die Reichsstädte zusammengeschossen hatten, kauften den Aufständischen mit Waffengewalt, dem Anzünden von Höfen und Vertreibungen den Schneid ab.
Im „Leibeigenschaftsrodel“ formulierten Hunderte ihre Nöte
Wer Leid und Elend der Landbevölkerung im späten Mittelalter und die wachsende Wut verstehen will, muss sich ein Dokument anschauen, das den eigenartigen Namen „Leibeigenschaftsrodel“ trägt. Es entstand bei einem Schiedsgerichtsverfahren im Januar 1525, ebenfalls im Fürststift Kempten. In dem Schriftstück formulierten Hunderte von Bauern ihre Sorgen, Nöte, Beschwerden. Und ihr Unverständnis über die Ungerechtigkeiten, die sie seitens ihres Herren, des Fürstabts Sebastian von Breitenstein, erfuhren. Für die große Bauernkriegs-Ausstellung, die nächste Woche in Memmingen beginnt, hat das Haus der Bayerischen Geschichte einige der Klagen aus dem Leibeigenschaftsrodel in heutiges Deutsch übersetzt. So berichtet eine Elisabeth Hiemerin: „Eines Nachts drangen die Leute des Abts in mein Haus ein. Ohne Grund nahmen sie mich und meinen Sohn gefangen.“ Und ein Hans Möst gibt zu Protokoll: „Nachdem mein Kind gestorben ist, hat der Abt dessen Besitz an sich gerissen und den Erben verweigert.“
Die Wut wuchs rapide in den ersten Wochen des Jahres 1525
Hauptsächlich ging es dem Fürstabt darum, Bauern, die den Status von Freien und Freizinsern hatten, in die Leibeigenschaft hinabzudrücken. Dadurch raubte er ihnen Freizügigkeit und unbeschränkte Heiratsfähigkeit, sicherte sich deren Vermögen und Besitztümer. Der Abt und seine Helfer drangsalierten die Untertanen aber auch bei Todesfällen: Starben Bauer oder Bäuerin, war die Hälfte des Besitzes an den Fürstabt abzugeben. „Dies bedeutete die nahezu völlige Enterbung der Kinder“, urteilt Historiker Blickle. Und wer nicht hören wollte, musste fühlen. Bei Widerstand wendeten der Abt und seine Amtsleute Gewalt an, verhängten Geldstrafen, warfen Bauern ins Gefängnis, drohten mit Exkommunikation. Das machte die meisten gefügig. Doch Sebastian von Breitenstein, den Historiker grundsätzlich als zweifelhaften Charakter beschreiben, lehnte es ab, über die Beschwerden zu verhandeln. So schlossen sich die enttäuschten kemptischen Bauern den Aufständischen an, die sich schon vielerorts zusammenrotteten, um gegen die Obrigkeit zu revoltieren.
Wo das Bauernparlament tagte, residiert heute die Kreishandwerkerschaft
Die Wut wuchs rapide in den ersten Wochen des Jahres 1525, nicht nur im Kempten. Die Bauern trafen sich, diskutierten, bewaffneten sich. In Schwaben formierten sich drei große Haufen: in Baltringen zwischen Biberach und Ulm, im Allgäu und nördlich des Bodensees. Anfang März entsandten sie Vertreter ins zentral gelegene Memmingen, um Beschlüsse zu fassen, die dann wie Donnerhall durch die südliche Hälfte Deutschlands tönen sollten. In der Reichsstadt, die der Bauernsache aufgeschlossen, ja freundlich gesonnen war, entstanden die inzwischen legendären „Zwölf Artikel“ – das Manifest der Unzufriedenheit, die Essenz der Forderungen.

Die Abgesandten der Bauernhaufen, etwa 50 Männer, trafen sich inmitten der Stadt, im Haus der Kramerzunft. Dass das rot gestrichene, spitzgiebelige Gebäude am Weinmarkt historische Bedeutung erlangt hat, erschließt sich erst bei genauem Hinsehen. Neben dem Eingang erzählt eine Tafel in wenigen Sätzen, was sich hier ereignete. Weiter oben an der Fassade sind seit 1977 vier Bauernkriegs-Helden in heroisch-stilisierter Pose aufgemalt. Im Saal des ersten Stocks, wo das Bauernparlament tagte, residiert heute die Kreishandwerkerschaft. Alles hat sich in den 500 Jahren verändert. Nur die Decke aus dunkelbraun gebeiztem Holz, fixiert mit schweren Nägeln und veredelt durch Ornamente, stammt noch aus jener Zeit. Sie ist die letzte Zeugin dessen, was die Bauern ausbaldowerten.

In den nächsten Monaten ist dieser Raum öffentlich zugänglich. Eine multimediale Installation mit Videoprojektionen und Sounds soll an die rebellische Atmosphäre von 1525 erinnern. Das gehört zum umfangreichen Veranstaltungs-Reigen, mit dem Memmingen sich als „Stadt der Freiheitsrechte“ feiert. Das Riesen-Programm mit Ausstellungen, Theaterstücken, Konzerten, Führungen, Aktionen auf Straßen und Plätzen endet mit der Verleihung des Freiheitspreises an den Fußballtrainer Christian Streich im Oktober.
Die Bauern nannten sich „Christliche Vereinigung“, das spiegelte ihr Selbstverständnis
Schon jetzt, am 15. März, adelt Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Stadt mit einem Besuch. Es ist nicht das erste Mal, dass ein deutsches Staatsoberhaupt in dieser Sache nach Memmingen reist. Vor 25 Jahren besuchte der damalige Bundespräsident Johannes Rau die Geburtsstätte der Zwölf Bauernartikel und bezeichnete sie als „ein Monument der deutschen Freiheitsgeschichte“. Christoph Engelhard, der Stadtarchivar, sagt: „Die moderne Geschichtsforschung sieht in ihnen eine der ersten europäischen Menschenrechtserklärungen.“
An solche Superlative dachten die Bauern nicht, als sie 1525 in der Kramerzunftstube zusammenkamen. Sie selbst nannten sich „Christliche Vereinigung“, was ihr Selbstverständnis als gottesfürchtige Männer spiegeln und nach außen signalisieren sollte, dass sie mit ihren Forderungen auf dem Boden des Evangeliums stehen und sich auf göttliches Recht berufen. Hatte nicht Martin Luther, der große Reformator, von der Freiheit der Christenmenschen gesprochen?
Der Kürschner Sebastian Lotzer schlüpfte in die Rolle des Protokollanten
Die „Christliche Vereinigung“ gab sich am 7. März 1525 eine Bundesordnung, also eine Art politische Verfassung. Das weitaus wichtigere Dokument, das unter der Holzdecke der Kramerzunftstube entstand, waren die „Zwölf Artikel“. Das Formulieren der bäuerlichen Forderungen übernahm offenbar Sebastian Lotzer. Von Beruf Kürschner avancierte er zum Laientheologen und gehörte zum engsten Kreis um den Prediger der Memminger Martinskirche, Christoph Schappeler. Dieser sprach, inspiriert von Luther und Zwingli, über Reformen in Kirche und Gesellschaft und fand damit eine große Zuhörerschaft. Die Heilige Schrift interpretierte Schappeler als Botschaft der Freiheit – wie Martin Luther in Wittenberg, wie andere Reformatoren an anderen Orten in Deutschland. „Sebastian Lotzer schlüpfte in die Rolle eines Protokollanten für das Memminger Bauernparlament und gilt als Redakteur der Zwölf Artikel“, sagt Stadtarchivar Engelhard, der sich in den vergangenen Jahren tief in die Thematik eingearbeitet hat.

Die „Zwölf Artikel“ bargen sozialen Sprengstoff. Historiker Blickle bezeichnet sie als „Beschwerdeschrift, Reformprogramm und politisches Manifest“. Darin verlangen die Bauern, begründet mit Hinweisen auf das Alte und Neue Testament, unter anderem die freie Pfarrerwahl, freies Jagen und Fischen, die Reduzierung der Frondienste auf ein erträgliches Maß, eine Neufestsetzung der allzu hohen Abgaben an die Grundherren, die Rückerstattung unrechtmäßig angeeigneter Felder und Äcker, die Abschaffung von Abgaben an ihre Herren im Todesfall sowie fest vereinbarte statt willkürlicher Strafen.
Wirklich revolutionär aber war der dritte Artikel. In ihm fordern die Bauern die Abschaffung der Leibeigenschaft, was die feudale Gesellschaftsordnung in Frage stellte. Der zentral herausleuchtende Halbsatz wird gern zitiert. Er lautet ins heutige Deutsch übersetzt: „… dass wir frei sind und sein wollen“.
Die Zwölf Artikel wurden zu einem Bestseller – dann kippte der Kampf der Worte
Die „Zwölf Artikel“, die Lotzer zu einer Art Broschüre zusammenfasste, verbreiteten sich rasend schnell. 25.000 Exemplare wurden an 15 Orten gedruckt, erst in Augsburg, bald auch an anderen Orten im südlichen Deutschland, sogar im schlesischen Breslau. „Die Zwölf Artikel wurden zu einem Bestseller“, sagt Christoph Engelhard. „Weil es Lotzer verstanden hat, die Bedürfnisse nach Freiheit, Teilhabe, Gerechtigkeit so klar auszudrücken, dass die Menschen sie als Vorlage nutzen konnten, um mit ihren jeweiligen Herrschaften in ein Gespräch zu kommen.“
Im Keller des Memminger Stadtarchivs lagern noch zwei Originaldrucke der „Zwölf Artikel“. Die Stadt hält sie streng unter Verschluss. Man kann dennoch darin blättern: Das Stadtarchiv hat ein Exemplar digitalisiert – zu finden auf seiner Internetseite (stadtarchiv.memmingen.de).

Die „Zwölf Artikel“ waren ein Paukenschlag. Die Herren ließen sich davon aber nicht überzeugen, sondern hielten weiter eisern an der – ihrer Ansicht nach gottgewollten – Ordnung der feudalen Gesellschaft fest. Von ihrer Macht wollten sie nichts abgeben. Und so kippte der Kampf der Worte endgültig in einen Kampf mit Waffen.
Überall in Süddeutschland versuchte die Obrigkeit, dem Aufruhr ein Ende zu machen. Für den Schwäbischen Bund sollte Georg Truchsess von Waldburg (1488 – 1531) den Bauernaufstand niederschlagen. Der Freiherr, der seinen Sitz auf Burg Wolfegg am westlichen Rand des Allgäus hatte, erledigte die Aufgabe mit brutaler Konsequenz. Der „Bauernjörg“ ließ wenig Gnade walten. Überall, wo er auftrat, forderte er bedingungslose Unterwerfung.
Die Bauern traten den Soldaten bisweilen mit Dreschflegeln oder Gabeln entgegen
Sein Feldzug gegen die Aufständischen dauerte fünfeinhalb Monate. Rund 20.000 Bauern waren am Ende tot, schätzt Historiker Peter Blickle in seinen Analysen des Bauernkriegs. Sie unterlagen durchweg, weil das Heer der Obrigkeit ihnen zahlenmäßig überlegen war. Außerdem waren die Bauern weniger erfahren als ihre Gegner und verfügten kaum über Reiter. Bisweilen traten sie den Profi-Soldaten des Bundes mit landwirtschaftlichen Geräten wie Dreschflegeln oder Gabeln entgegen.
Der Truchsess legte mit seinen Reitern und Landsknechten einen fast 1900 Kilometer langen Weg durch Württemberg, Franken und das heutige Bayerisch-Schwaben zurück. Die erste große Schlacht fand am 4. April bei Leipheim östlich von Ulm statt, wo ungefähr 6000 Fußknechte und 2000 Reiter den 4000 bis 6000 Bauern gegenüberstanden. Schätzungsweise 3000 Bauern fanden den Tod. Nach einem Abstecher ins Oberschwäbische mit einer Schlacht bei Wurzach und 3000 getöteten Bauern zog Waldburgs Heer über Stuttgart und Heilbronn hinauf nach Würzburg und Schweinfurt im Fränkischen. In der Doppelschlacht bei Herrenberg und Böblingen (südlich von Stuttgart) starben Anfang Mai rund 6000 der 12.000 Bauern.
Den einen oder anderen Sieg trugen auch die Bauern davon. Besonders in Erinnerung geblieben ist die „Weinsberger Bluttat“ an Ostern 1525, als sie das Städtlein bei Heilbronn samt der Burg überfielen und brutal Adlige töteten. Fünf Wochen lang hielten die Bauern Stadt und Burg in ihrer Hand. Mitte Mai rückte das Heer des Truchsesses an und ließ Weinsberg zerstören.
Ende Juni, Anfang Juli, eilte das Heer des Schwäbischen Bundes über Nürnberg zurück in den Süden, wo die Bauern inzwischen eine Reihe von Burgen erobert und zerstört sowie Klöster wie jene in Kempten und Steingaden am Lech geplündert hatten. Im Allgäu kam es zum blutigen Showdown.
Die Obrigkeit vertraute auf das Heer des Truchsesses
Hätte er verhindert werden können? Vielleicht. Die Bauern jedenfalls diskutierten im Frühjahr über Verhandlungen. Schließlich gab es inzwischen den Weingartener Vertrag. Darin hatten schon im April oberschwäbische Bauern mit der Obrigkeit vereinbart, ihre Haufen aufzulösen, wenn im Gegenzug ein Schiedsgericht über ihre Beschwerden entscheiden würde. Die Bauern im Allgäu waren skeptisch, allen voran Jörg Schmid, der „Knopf von Leubas“, einer ihrer Anführer. Heute weiß man, so schreibt der Kaufbeurer Historiker Stefan Fischer in seinem gerade erschienenen Büchlein „Aufruhr im Allgäu“, „dass die Äbte von Irsee, Kempten, Ottobeuren sowie der Bischof von Augsburg zu keiner Zeit daran dachten, die bäuerlichen Beschwerden, Bitten und Forderungen irgendwie ernst zu nehmen und sich mit ihren Untertanen gütlich, menschlich, christlich zu einigen“.

Stattdessen vertrauten die Allgäuer Herren auf das anrückende Bundesheer des Truchsesses. Anfang Juli räumte es in Mittelschwaben und dem nördlichen Allgäu auf. Von Krumbach kommend, Richtung Memmingen marschierend, ließ der Bauernjörg Dörfer niederbrennen und Bewohner töten. „Ein Zug von Blut, Tränen, Brand und Totschlag“, zitiert Historiker Fischer einen Chronisten jener Zeit.
Am 12. Juli 1525 traf das Bundesheer auf den Allgäuer Haufen, dessen Stärke der Truchsess auf 23.000 Mann schätzte, eine Zahl, die auch auf dem Gedenkstein von Leubas steht, heute aber als deutlich zu hoch angesehen wird. Erst gab es kleinere Scharmützel nördlich von Kempten, mit Toten vor allem auf Seiten der Bauern. Am 14. Juli wuchs das 8000-Mann-Heer des Truchsesses sogar noch um 3000 Landsknechte, die der Mindelheimer Adelige Georg von Frundsberg mitbrachte.
Hat Georg von Frundsberg den Bauern ihren Widerstand ausgeredet?
Als es am 15. Juli zur entscheidenden Schlacht am Bach Leubas kommen sollte, waren die Bauern verschwunden. Deren Heer hatte sich größtenteils aufgelöst. Warum, das ist bis heute ein Rätsel. Hatte Georg von Frundsberg sich mit Bauernvertretern getroffen und ihnen den Widerstand ausgeredet? Immerhin hatte einer ihrer Anführer, Walter Bach, unter ihm gedient. Und da gibt es ein paar aufschlussreiche Sätze in einem 40 Jahre später verfassten Lebensbericht, in dem der Mindelheimer Adelige so zitiert wird: „Wir wollen nicht angreifen. Es wird auf beiden Seiten viel Blut vergossen und wir würden wenig Ehre erlangen … Ich will einen anderen Weg versuchen, dass die Sache ein gutes Ende nimmt.“ Vielleicht hatte die Bauern auch ein Munitions- und Verpflegungsmangel zum Rückzug getrieben. Oder hatten sie erkannt, dass sie keine Chance gegen das Söldnerheer des Truchsesses haben würden.
Die Grausamkeiten raubten den letzten Aufständischen den Mut
Einer ihrer Anführer wollte aber nicht aufgeben: Jörg Schmid, der Knopf von Leubas, den Historiker Blickle als den „zweifellos radikalsten, aber auch intelligentesten der oberschwäbischen Bauernhauptleute“ bezeichnet. Schmid hielt rund 3000 Bauern zusammen, floh mit ihnen auf den rund 15 Kilometer südlich von Leubas gelegenen Kohlenberg, ein Hügel Richtung Berge, von dem aus man das Gebiet gut überblicken kann. Von da oben mussten die Kämpfer mitansehen, wie der Truchsess einen Bauernhof nach dem anderen anzündete. Die Rede ist von rund 200. Angeblich gingen ganze Dörfer in Flammen auf. Und man mag sich nicht vorstellen, welche Gräueltaten die Soldaten an den Frauen und Kindern begingen. Der Heerführer wollte radikal-brutal Schluss machen mit der Revolution des gemeinen Mannes.
Er hatte Erfolg. Die Grausamkeiten raubten den Aufständischen den Mut. Entnervt ergaben sich „nach einer Woche des psychischen und physischen Terrors“ (Peter Blickle) die meisten von ihnen auf Gnade oder Ungnade. Der Truchsess sperrte Dutzende von sogenannten Rädelsführern ein, 18 ließ er im Dorf Durach enthaupten. Ein Denkmal erinnert heute daran.
Jörg Schmid floh mit einigen Begleitern nach Vorarlberg, wurde gefasst, eingesperrt, gefoltert. Am 21. Januar 1526 starb er zwischen Bregenz und Lochau, gehängt an einer Eiche.
Sie hatten wenig erreicht – erst 300 Jahre später wurden die Bauern endgültig frei
Der Bauernkrieg in Schwaben war vorbei, der Terror der Herrschenden nicht. Noch lange nach dem bitteren Ende bei Kempten ließen sie Anführer hinrichten, drangsalierten und töteten Bauern, die Entschädigungszahlungen nicht leisten konnten oder wollten.
Politisch-gesellschaftlich hatten die Bauern wenig erreicht. Freiheit, Gerechtigkeit und Teilhabe, die sie sich erkämpfen wollten, erhielten sie – abgesehen von kleinen Zugeständnissen – nicht. Zwang und Ausbeutung blieben weitgehend bestehen. Endgültig frei wurden die Bauern erst 300 Jahre später – nach dem Ende des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation.
Aber die Vorstellungen von Freiheit und Menschenrechten waren in der Welt
Dennoch wirkte der Bauernkrieg vor 500 Jahren positiv nach. Die Vorstellungen von Freiheit, Menschenrechten und demokratischer Partizipation waren in der Welt und schlugen sich auch in der Aufklärung und in deren Folge bei den Revolutionen in Amerika und Frankreich nieder. Sogar im selbst ernannten Arbeiter- und Bauernstaat DDR berief man sich darauf. Die Historikerin und Buchautorin Lyndal Roper resümiert in ihrem Bauernkriegsbuch: „Es war ein blutiger Krieg zwischen zwei sehr ungleichen Gegnern, der traumatische Erinnerungen hinterließ. Und doch verschwanden die Ideen und Träume nicht, die sich in diesem Krieg entwickelt hatten, sondern lebten weiter.“
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