Diesen Seufzer der Befreiung kennen viele, begleitet von einem kleinen anarchischen Kitzel. Wenn in einem mal wieder völlig überfüllten Zug nach mitunter nachdrücklichen Hinweisen auf ein einziges fast bis ganz leeres Abteil manches Mal doch die Durchsage kommt: „Die erste Klasse ist freigegeben.“ Und das Volk nimmt die Barrikaden, flutet über die Klassengrenze hinweg die durch ökonomische Distinktion den Privilegierten vorbehaltene Bereiche … Oder so.
Janis Ehlings will die Klassengegegensätze aufheben und klingt fast wie Karl Marx
Nun jedenfalls, da über die Feiertage die Züge wieder überfüllt sein werden, bläst eine Partei namens Die Linke zum symbolischen Sturm. Bundesgeschäftsführer Janis Ehling gegenüber dem Spiegel: „Wir fordern deshalb die Auflösung der ersten Klasse.“ Was fast original nach Karl Marx klingt und seiner Aufhebung aller Klassengegegensätze.
Begonnen nur eben nicht als Internationale des Proletariats, sondern bei Zugfahrgästen im deutschen Regionalverkehr. Aber immerhin doch! Als nächste Station böte sich an: ein ICE der vierten Generation, benannt vor ein paar Jahren auf: Karl Marx – reichlich verspätet in Nachfolge des nach ihm benannten größten Lokomotivbaubetriebs der DDR?
Für Marx war das Eisenbahnwesen „die kolossalste Ausgeburt der modernen Industrie“
Aber ist das nicht, als sähe man den zart gesichtsbeharrten Ehling auf dem Weg zum maximalbärtigen Marx? Der alte Karl jedenfalls hatte auch was zum Thema zu sagen. Er bezeichnete das Eisenbahnwesen als „die kolossalste Ausgeburt der modernen Industrie, eine „Parvenuform des Reichtums“, die „mit den Füßen in der Erde wurzelt“ und „mit dem Kopf auf der Börse lebt“. Und „dem kolossalen Betriebsumfang … folgte auf dem Fuß Missverwaltung“. Da waren Seufzer und Kitzeln noch ein Donnerhall. Gute Fahrt Ihnen!
Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.
Registrieren sie sichSie haben ein Konto? Hier anmelden