Startseite
Icon Pfeil nach unten
Kultur
Icon Pfeil nach unten
Gesellschaft
Icon Pfeil nach unten

Wenn das Knie schmerzt: Was hilft bei Kniearthrose?

Gesundheit

Wenn das Knie schmerzt: Was hilft bei Kniearthrose?

    • |
    • |
    • |
    Auch mit Knie-Arthrose kann man wandern gehen. Höhen- und Panoramawege sind geeigneter als ein steile Auf- und Abstiege am Berg.
    Auch mit Knie-Arthrose kann man wandern gehen. Höhen- und Panoramawege sind geeigneter als ein steile Auf- und Abstiege am Berg. Foto: Benjamin Nolte/dpa-tmn

    Kniearthrose kann starke Schmerzen verursachen, die selten von allein verschwinden. Die Auswahl möglicher Therapieoptionen ist riesig – doch was davon wirkt wirklich? In der neuen deutschen Leitlinie zur Kniearthrose steht im Fokus, was aktuell auch eine große Übersichtsstudie als zentral bewertet: viel Bewegung. „Bewegungstherapie ist das Beste bei Arthrose“, betont Christoph Lohmann, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU). Sich viel zu bewegen, sei oberstes Gebot für Betroffene. „Auf der Couch wird es nicht besser.“

    Kniearthrose lässt sich nicht komplett heilen, mit viel Bewegung und gesunder Lebensweise lassen sich Symptome wie Schmerzen und Steifheit aber oft stark abmildern. In der neuen Leitlinie wird die Eigenverantwortung der Patientinnen und Patienten betont. Ziel sei es, „ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass der Therapieerfolg maßgeblich von ihrer Mitwirkung und Eigenverantwortung abhängt“, wie es von der DGOU heißt.

    Jedes Kilo zählt: Weniger Gewicht mindert die Schmerzen

    Neben Bewegung sei bei Übergewicht die Gewichtsreduktion ein zentraler Faktor. „Jede Abnahme in Richtung Normalgewicht bedeutet weniger Schmerzen, bessere Beweglichkeit und langsamere Arthroseprogression“, steht in der Leitlinie. Schon fünf Prozent weniger Körpergewicht – also fünf Kilogramm bei 100 Kilogramm – könnten die Symptome deutlich vermindern, heißt es vom Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG).

    DGOU-Präsident Lohmann verweist auf eine Studie, bei der ein Drittel der Patienten nach einem Abnehmprogramm von ihrem ursprünglichen Wunsch nach einer Arthrose-OP Abstand nahmen. „Der Effekt von Gewichtsverlust bei Arthrose ist riesig“, betont der Mediziner. Das Gelenk werde dadurch entlastet. Mit einer gesünderen Ernährung – wenig Fleisch, mehr Pflanzen und Fisch – ließen sich zudem Entzündungsreaktionen im Körper vermindern, die bei Arthrose ebenso wie bei anderen Gesundheitsproblemen eine Rolle spielten.

    Wer zu viel Gewicht mit sich herumträgt, erhöht das Risiko für eine Kniearthrose. (Archivbild)
    Wer zu viel Gewicht mit sich herumträgt, erhöht das Risiko für eine Kniearthrose. (Archivbild) Foto: Franziska Kraufmann/dpa/dpa-tmn

    Bewegung wiederum wirkt, weil gut ausgebildete Muskeln das Kniegelenk stabilisieren und schützen, wie Lohmann erklärt. Zudem erreichen Nährstoffe aus der Gelenkflüssigkeit den Knorpel im Knie nur durch den Druck bei Bewegung. Gezielte Übungen und Sportarten wie Fahrradfahren, Schwimmen, leichtes Joggen oder Bewegung auf dem Crosstrainer helfen. Sportarten wie Tennis, die scharfes Abbremsen oder schnelle Richtungswechsel beinhalten, gelte es zu vermeiden.

    „Auch wenn es schmerzhaft ist, sich mit Arthrose zu bewegen, sollten es Betroffene unbedingt tun“, heißt es bei der Krankenkasse Barmer. „Wer unter Arthrose leidet, sollte sich wöchentlich mindestens zwei bis drei Stunden ausgiebig bewegen.“

    Bei der Kniearthrose verschleißt der Gelenkknorpel

    Das Kniegelenk ist das größte Gelenk im menschlichen Körper. Es verbindet die Knochen von Ober- und Unterschenkel sowie die Kniescheibe miteinander. Knochenoberflächen und Kniescheibeninnenseite sind mit Knorpelgewebe überzogen, das als Gleitschicht dient und Stöße abpuffert.

    Wenn Knochen fast auf Knochen reibt: Im Verlauf einer Kniearthrose nutzt sich der Knorpel im Gelenk immer mehr ab.
    Wenn Knochen fast auf Knochen reibt: Im Verlauf einer Kniearthrose nutzt sich der Knorpel im Gelenk immer mehr ab. Foto: Rolf Vennenbernd/dpa/dpa-tmn

    Bei der Kniearthrose, auch Gonarthrose genannt, verschleißt der Gelenkknorpel und umliegende Strukturen wie Knochen, Bänder und Muskeln können sich entzünden. Ursache von Knorpelschäden können neben altersbedingten Veränderungen auch Verletzungen, Fehlstellungen der Beine oder Übergewicht sein. Die Beschwerden nehmen meist über viele Jahre langsam zu oder bleiben stabil. Auch Schübe gefolgt von beschwerdefreien oder beschwerdearmen Phasen sind möglich.

    „Arthrose ist ein ganzheitliches Projekt“, betont Lohmann, Direktor der Orthopädischen Universitätsklinik Magdeburg. „Man selbst kann unheimlich viel bewirken, das eigene Verhalten hat den allergrößten Effekt.“ Umgangssprachlich wird Arthrose oft Gelenkverschleiß genannt. „Das ist jedoch irreführend, denn es erweckt den Eindruck, dass Arthrose unaufhaltsam ist und das Gelenk durch normale Nutzung „verbraucht“ wird“, erläutern die IQWiG-Experten. Das sei aber keineswegs so. „Im Gegenteil: Im Gelenk finden fortwährend Auf- und Abbauprozesse statt. Um die Aufbauprozesse zu fördern, braucht das Gelenk Bewegung.“

    Routinemäßige Orthesen werden in der neuen Leitlinie zur Kniearthrose nicht empfohlen

    Der aktuellen Übersichtsstudie im Fachjournal PLOS One zufolge sind Knieorthesen, Wassergymnastik und andere Bewegungsformen die vielversprechendsten nichtmedikamentösen Therapien. Das Ergebnis wurde aus 139 Studien mit fast 10.000 Patienten zusammengetragen. Knieorthesen bestehen häufig aus einer Kombination elastischer und starrer Materialien und dienen dazu, das Gelenk zu stabilisieren und zu entlasten. Sie schnitten in den meisten Kategorien am besten ab, einschließlich Schmerzlinderung, Verbesserung der Funktion und Linderung von Steifheit. Hydrotherapie – Übungen oder Behandlungen in warmem Wasser – war besonders wirksam bei der Linderung von Schmerzen.

    Hinsichtlich der Orthese sei die Schlussfolgerung des Forschungsteams fragwürdig, findet Lohmann, der selbst nicht an der Analyse beteiligt war. „Dass es einen kurzfristigen positiven Effekt gibt, ist unstrittig“, erklärt Lohmann. Es handle sich aber nicht um eine Therapie mit langfristigen Verbesserungen. „Orthesen sind nicht für den dauerhaften Gebrauch gedacht.“

    Knieorthesen sollten Lohmann zufolge nur selten, möglichst nur bei starker Belastung getragen werden, weil sonst die das Knie stützende Muskulatur zu verkümmern drohe. „Diese Muskulatur gilt es bei Arthrose gerade gezielt zu trainieren und zu stärken, damit das Gelenk stabilisiert wird.“ In der neuen Leitlinie zur Kniearthrose werde der routinemäßige Einsatz solcher Orthesen daher nicht empfohlen.

    Wassertherapie kann vor allem bei schwacher Muskulatur die Schmerzen reduzieren

    In der Studie schnitt unter den zwölf geprüften Therapiemethoden gepulster Ultraschall am schlechtesten ab. Die von Luos Team als hervorragend wirkend bewertete Wassertherapie wird in der deutschen Leitlinie recht kurz abgehandelt: Aquatische Bewegungstherapie sei zur Reduktion von Schmerzen, zur Verbesserung der Funktion und zur Steigerung der Lebensqualität in Erwägung zu ziehen, heißt es. „Ich befürworte Wassertherapie sehr“, sagt Lohmann. Gerade bei eher schwacher Muskulatur wirkten der Auftrieb und die Wärme schmerzlindernd und das Knie werde beweglicher.

    Bei leichten Sportverletzungen gilt: Verletztes Körperteil ruhig lagern und kühlen.
    Bei leichten Sportverletzungen gilt: Verletztes Körperteil ruhig lagern und kühlen. Foto: Christin Klose/dpa-tmn

    In Deutschland geben dem IQWiG zufolge etwa vier Prozent aller Erwachsenen an, von einer ärztlich behandelten Kniearthrose betroffen zu sein. Die Häufigkeit nehme mit dem Alter zu und steige etwa ab dem 40. Lebensjahr stetig an. Wegen der vielen Betroffenen und weil es eine komplette Heilung nicht gibt, ist die Kniearthrose ein höchst lukrativer Mark.

    „Gegen Arthrose werden auch viele Mittel und Methoden angepriesen, deren Wirksamkeit nicht nachgewiesen ist und die sogar schädlich sein können“, warnt das IQWiG. Dazu zählten Nahrungsergänzungsmittel, Ultraschall-Therapien, die transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS), Akupunktur, Hochton-, Magnetfeld- und Mikrowellen-Therapie sowie die endoskopische Kniespülung und Knorpelglättung mittels Arthroskopie. Dabei wird der Knieknorpel per Schlüsselloch-Chirurgie behandelt.

    Eine Operation wird von Patienten häufig als Lösung erwartet

    In Deutschland waren ab den späten 1980er Jahren sehr viele Arthroskopien am Knie durchgeführt worden, über viele Jahre hinweg mehrere Zehntausend jährlich. An einer kritischen Überprüfung mangelte es lange Zeit. Nachdem Studien keinen Mehrwert zeigten, beschloss der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) 2015, dass Arthroskopien bei Kniearthrose bei gesetzlich Versicherten nur noch in Ausnahmefällen zulässig sind.

    Daneben gibt es Kniegelenkersatz-Operationen bei weit fortgeschrittener Arthrose, die Operationshäufigkeiten sind je nach Wohnort sehr unterschiedlich. Das Einsetzen einer Knie-Endoprothese sei eine der häufigsten orthopädischen Operationen in Deutschland, sagt Renkawitz, Ärztlicher Direktor der Klinik für Orthopädie der Universität Regensburg in Bad Abbach. Er plädiert dafür, einen Gelenkersatz jeweils erst dann durchzuführen, wenn andere Optionen keine Besserung brachten. „Manche Patienten reagieren teilweise enttäuscht, wenn nicht gleich von OP gesprochen wird, sondern erst mal ein halbes Jahr andere Maßnahmen ausgeschöpft werden.“

    Eine Operation werde von Patienten häufig als Lösung erwartet, heißt es auch in der kürzlich vorgestellten Leitlinie. Ärztliche Ziele wie Gewichtsabnahme, verstärkte Eigenübungen und Krankengymnastik enttäuschten manche. Mitunter werde dann der Arzt gewechselt – in der Hoffnung, dass dieser sofort eine OP in die Wege leite.

    Letztlich komme es dann vielfach gar nicht zur OP, weil die Patienten im Zuge von mehr Sport und Gewichtsreduktion eine starke Besserung ihrer Lebensqualität verspürten, sagt Renkawitz. „Oft heißt es dann: Ich bin zwar nicht beschwerdefrei, aber ich komme so gut klar und warte erst mal ab.“ Und auch beim künstlichen Kniegelenk bleibt die eigene Mitarbeit entscheidend. Bewegung, Muskelaufbau und die richtige Balance aus Be- und Entlastung sind nach der Operation unerlässlich, wie Renkawitz sagt.

    „Es ist eindeutig klar, dass Bewegungstherapie bei Arthrose immer an vorderster Stelle zu stehen hat“, fasst DGOU-Präsident Lohmann zusammen. „Und wenn es erst mal nur der Spaziergang durchs Viertel ist oder man den Crosstrainer vorm Fernseher stehen hat: Hauptsache, man macht irgendwas.“ (Annett Stein, dpa)

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare

    Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.

    Registrieren sie sich

    Sie haben ein Konto? Hier anmelden