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Syrien nach dem Sturz von Assad: Das befürchten Syrer in Bad Wörishofen

Bad Wörishofen

Umsturz in Syrien - doch keine Euphorie bei Syrern in Bad Wörishofen

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    Der Umsturz in Syrien beschäftigt auch viele Menschen in Deutschland. Das Foto entstand in Hessen.
    Der Umsturz in Syrien beschäftigt auch viele Menschen in Deutschland. Das Foto entstand in Hessen. Foto: Bodo Marks/dpa

    Der Sturz des syrischen Machthabers Baschar al-Assad hat auch die in Bad Wörishofen lebenden Syrer überrascht. Von Euphorie und schneller Rückkehr ist zumindest bei den Befragten allerdings nicht viel zu spüren. Sie alle waren im Sprachkurs des ökumenischen Arbeitskreises Asyl, dessen Leiterin Angelika Beck immer noch den Kontakt zu ihnen aufrechterhält.

    Maher Kajroum denkt momentan nicht einmal daran, nach Syrien zurückzukehren. „Der Sturz des Regimes bedeutet nicht das Ende des Krieges. Die sogenannte Hayat Tahrir al-Scham hat das Regime in Syrien gestürzt. Diese Gruppierung hat eine teilweise islamistische Ausrichtung; sagt er. „Die syrische Gesellschaft ist sehr komplex, da sie aus Sunniten, Alawiten, Schiiten, Kurden, Christen, Drusen und vielen weiteren Gruppen besteht. Daher ist es momentan sehr schwierig, eine Regierung zu bilden, die all diese verschiedenen Gruppen zufriedenstellt“, erklärt Kajroum.

    Eine große Frage gibt es zu Hayat Tahrir al-Scham offenbar

    „Was die sogenannte Hayat Tahrir al-Scham betrifft: Wird sie wirklich akzeptieren, dass die kurdischen Parteien weiterhin etwa 40 Prozent Syriens kontrollieren, darunter Regionen wie Raqqa, al-Hasakah, Deir ez-Zor und Teile von Aleppo? Diese Gebiete enthalten die meisten Öl- und Gasquellen des Landes. Natürlich nicht. Ich persönlich glaube, dass ein Krieg zwischen den kurdischen Parteien und Hayat Tahrir al-Scham oder der neuen Regierung, die bald gebildet werden könnte, bevorsteht“, befürchtet er.

    „Außerdem wissen wir alle, dass der sogenannte Islamische Staat nicht vollständig besiegt ist. Er existiert in Syrien weiterhin, allerdings in Form von Schläferzellen. Wer garantiert, dass sie sich unter den aktuellen Umständen nicht wieder formieren?“, fragt er. „Ich denke, sie werden die derzeitige Phase der Instabilität ausnutzen. Hinzu kommt die Hisbollah im Libanon, die während des Krieges Bashar al-Assad unterstützt hat. Diese Gruppierung wird sich bemühen, die neue Regierung zu destabilisieren, da sie eine enge Beziehung zum alten Assad-Regime hatte. Angesichts all dieser Komplikationen – sei es Machtkämpfe, religiöse Konflikte oder Auseinandersetzungen um Öl und Geld – habe ich keine Absicht, nach Syrien zurückzukehren.“ Kajroum will in Deutschland bleiben, da er hier vor allem Sicherheit empfindet, weit weg von all diesen Konflikten. Seine größte Sorge bleibt jedoch die lange Dauer des Familienzusammenführungsverfahrens und die ständige Angst seiner Familie in Syrien vor einer ungewissen Zukunft. . Insgesamt leben im Landkreis Unterallgäu 339 Menschen mit syrischer Staatsangehörigkeit, 67 davon in Bad Wörishofen teilte das Landratsamt auf Nachfrage mit.

    Keine Rückkehr nach Nord-Syrien möglich, findet Bashar Khalil

    Auch Bashar Khalil will nicht zurück. Er wurde als Kind wegen der islamistischen Extremisten (ISIS) aus seinem Zuhause vertrieben. Seit zwei Jahren ist er in Bayern. „Hier habe ich viel gelernt und fühle mich in Bayern wie in meiner Heimat. Eine Rückkehr nach Nord-Syrien ist für mich nicht möglich, da auch dort extremistische Gruppen unsere Regionen angreifen, unterstützt durch türkische Drohnen.“

    Angst vor ständigem Beschuss an der Grenze

    Benkin Qasim stammt ursprünglich aus Amuda in der Provinz Al-Hasaka. „Amuda liegt direkt an der Grenze zur Türkei, was bedeutet, dass wir ständig unter Beschuss und in Gefahr leben“, beschreibt er die Lage vor Ort. „Ich bin seit zwei Jahren hier in Deutschland und bemühe mich um Integration. Ich habe das Sprachniveau A2 erreicht und lerne derzeit B1. Zudem habe ich die theoretische Prüfung für den Führerschein bestanden und absolviere derzeit die praktische Ausbildung. Ich plane bereits die nächsten Schritte, wie Arbeit und Ausbildung. Hier in Deutschland fühle ich mich wohl, respektiert und menschlich behandelt. Ich möchte dauerhaft in Deutschland bleiben und wünsche mir für meine Familie und Kinder ein Leben in Sicherheit und Ordnung, mit Zugang zu guter Bildung, fernab von Angst, Chaos und Unsicherheit.“

    Aboud ist ebenfalls Syrer und arbeitet für die Johanniter in der Flüchtlingsbetreuung, aktuell in der Notunterkunft Bad Wörishofen. „Die Geflüchteten hier haben viel Geld bezahlt, um nach Deutschland zu kommen, doch sie sind froh, dass die Diktatur beendet wurde und wollen wieder zurück. Momentan ist die Unsicherheit groß, wie es hier für sie weitergeht“, berichtet er. „Egal, welche Regierung nun in Syrien an die Macht kommt, es kann nicht schlimmer werden. Seit 50 Jahren haben wir in Angst und Unterdrückung gelebt.“ Aboud ist seit 2018 in Deutschland und hat inzwischen auch einen deutschen Pass. Er glaubt, dass auch viele Syrer, die in Deutschland arbeiten, in die Heimat zurückkehren werden. „Nicht sofort, die Entwicklung muss man abwarten, die Infrastruktur ist zerstört, aber wir brauchen in Syrien jetzt die Fachkräfte, die in Deutschland arbeiten, wie zum Beispiel Ärzte.“ Auch Aboud will wieder in die Heimat zurück, wenn sich dort die Lage stabilisiert hat. „vielleicht in drei oder vier Jahren.“ Er hofft, dass es eine Annäherung zwischen Deutschland und Syrien geben wird; „jede Familie hat ein oder zwei Angehörige in Deutschland. Das schafft doch eine Verbindung.“

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