Heute ist der traurigste Tag des Jahres. Das sagt zumindest der britische Psychologe Cliff Arnall, der 2005 durch eine Berechnung herausgefunden haben will, dass der dritte Montag im Januar, der sogenannte „Blue Monday“, der deprimierendste und traurigste Tag des Jahres sein soll. Dieser Tiefpunkt liege an Faktoren wie Wetter, Geld und allgemeiner Motivation. Doch was, wenn es nicht nur ein schlechter Tag ist, sondern sich das Leben schon länger so dunkel anfühlt?
Laut der deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde sind jedes Jahr knapp 30 Prozent der Erwachsenen in Deutschland von einer psychischen Krankheit betroffen. Von ihnen nehmen jedoch nur ungefähr 20 Prozent Kontakt zu Ärzten, Therapeutinnen oder anderen Hilfsangeboten auf. Ein Grund dafür ist die oft langwierige Suche nach einen Psychotherapieplatz.
Im Unterallgäu wartet man 85 bis 99 Tage auf einen Therapieplatz
Nach Angaben der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns wartet man im Unterallgäu und Memmingen nach dem ersten Kontakt mit einem Psychotherapeuten ungefähr 85 bis 99 Tage auf einen Therapieplatz. Das liegt sogar noch ein wenig unter dem bayerischen Durchschnitt von 97 Tagen. Maximilian Graf, der Leiter des sozialpsychiatrischen Diensts der Diakonie Allgäu in Mindelheim, hält diese Einschätzung noch für optimistisch.
Viele Menschen, bei denen sich die Therapeutensuche schwierig gestaltet, würden zur Überbrückung die Angebote des sozialpsychiatrischen Diensts in Anspruch nehmen. „Bei uns kann man einfach zum Hörer greifen und anrufen“, erzählt Graf. „Danach gibt es erst mal ein Erstgespräch, das sogenannte ‚Clearing‘.“ So könne eine erste Einschätzung vorgenommen werden, welche Angebote sinnvoll sein könnten. Beim Sozialpsychiatrischen Dienst gibt es Einzel-, Paar, Familien- und Gruppenangebote; auch Hausbesuche können eine Option sein.

Mit einer Wartezeit von zwei bis drei Wochen bekommt man dort oft deutlich schneller einen Termin als bei einem Therapeuten oder einer Therapeutin. Die Angebote sind kostenlos und man braucht keine Überweisung vom Arzt. „Jedoch handelt es sich dabei um Beratung und Begleitung, nicht um eine Psychotherapie“, betont Graf. Mit ihrem multiprofessionellen Team könnten auch sie oft schon helfen und vorentlasten, um dann wenn nötig an einen der 66 psychologischen und ärztlichen Psychotherapeuten im Unterallgäu und Memmingen zu vermitteln. 32 der psychotherapeutischen Praxen in der Region haben ihren Sitz in Memmingen, jeweils acht sind in Bad Wörishofen und Mindelheim, die restlichen Therapeutinnen und Therapeuten sind im Gebiet verteilt. Damit hat das Unterallgäu im bayernweiten Vergleich eine recht gute Versorgungsquote an psychotherapeutischen Angeboten.
Für akute Situationen empfiehlt Maximilian Graf den Krisendienst Schwaben
Doch was tun, wenn es zu einer akuten Krisensituation kommt und weder ein Psychotherapeut noch der sozialpsychiatrische Dienst schnell genug zu erreichen sind? Hier empfiehlt Maximilian Graf, sich an die kostenfreie Nummer des Krisendiensts Schwaben zu wenden. „Hier erreicht man zu jeder Zeit jemanden und es ist eine super Möglichkeit, um schnell mit Fachpersonal zu sprechen“, so Graf. In Notfällen sollte man jedoch nicht zögern, den Rettungsdienst zu rufen.
Eine Steigerung der Anfragen zur Zeit des „Blue Monday“ kann Graf übrigens nicht beobachten. Ungefähr 300 Personen wenden sich im Jahr an den Sozialpsychiatrischen Dienst in Mindelheim, dabei gebe es jedoch keine nennenswerten saisonalen Unterschiede. Auch die Wissenschaft konnte Arnalls These des traurigsten Tags des Jahres bisher nicht belegen. Wer bei dem grauen Wetter dennoch unter einem leichten Winter-Blues leidet, dem empfiehlt Maximilian Graf Bewegung an der frischen Luft und Tageslicht. Doch gleichzeitig solle man vorsichtig sein, dass man eine tatsächliche Depression nicht als Winter-Blues verharmlost. Wer sich unsicher ist, sollte sich lieber an professionelle Hilfsangebote wenden.
Ambulante Hilfsangebote
- Krisendienst Schwaben: 0800 655 3000
- Sozialpsychiatrischer Dienst Mindelheim: 08261 90966-0
- Patientenservice: 116117 oder die Koordinationsstelle Psychotherapie: 09 21 / 8 80 99 - 4 04 10 helfen bei der Suche nach einem Psychotherapieplatz
- Telefonseelsorge: 0800 111 0 111 oder 0800 111 0 222
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