Wenn das Weihnachtsfest vorbei ist, dann rückt nach uralter Vorstellung die geheimnisvolle Zeit der „Rauhnächte“ in den Mittelpunkt. In diesen Nächten bis zum Dreikönigstag, so glaubten die Menschen früher, sei „der Teufel los“, weil die höllischen Mächte gegen die Geburt des Heilands rebellieren. Daraus entstand und verblieb manches Brauchtum, bei dem sich Glaube und Aberglaube sehr nahekommen.
In den Tagen des Wandels herrscht himmlischer Ausnahmezustand
In den zwei Wochen zwischen dem Heiligen Abend und dem Dreikönigstag gehen, so waren unsere Vorfahren einst überzeugt, die Geister um und die „wilde Jagd“ tobt durch die Lüfte. In diesen sogenannten Raunächten herrschte nach alten Berichten und Erzählungen eine Art Ausnahmezustand. Die Raunächte kommen aus germanischer Tradition. Sie werden nicht nur als Tage des Wandels von einem Jahr zum anderen angesehen, sondern auch als eine symbolische Zeit des Übergangs – wie zum Beispiel vom Leben zum Tod. Sie galten auch als eine Zeit der Sühne und der Abrechnung für die Taten des vergangenen Jahres. An diesen geheimnisvollen Tagen und langen Nächten soll man sich besinnen und eine Neubestimmung für das neue Jahr finden, so der Grundgedanke. Vor allem im bäuerlichen Leben hat man diese Zeit immer in besonderer Weise empfunden und begangen.
Die Bezeichnung „Raunächte“ kommt von rau (wie wild) oder eventuell auch von „Rauch“. In all diesen Nächten seien, so die Annahme bei unseren Vorfahren, die bösen Geister besonders aktiv und mächtig. Das veranlasste wiederum die Menschen, die Dämonen zu vertreiben. Sie wurden in den Häusern jeweils in der Thomasnacht, in der Christnacht, in der Silvester- und Dreikönigsnacht mit Räucherwerk, magischen Handlungen oder Brandopfern regelrecht ausgeräuchert. Der Brauch des Ausräucherns hat sich bis heute auf dem Land vor allem zu Dreikönig erhalten. Auch mit Lärmen und Schreien glaubte man die Geister vertreiben zu können. Das krachende Silvester-Schießen hat hier seinen eigentlichen Ursprung.
Selbst gebundene Besen sollten vor Hexerei schützen
Für die Rauhnächte galten besondere Regeln. Vor allem sollten keine größeren Arbeiten verrichtet werden. Tätigkeiten wie Spinnen, Nähen, Mangeln, Dreschen oder Waschen waren während dieser Tage verboten. Wäsche durfte nicht auf der Leine hängen, denn Unordnung wurde von den Dämonen bestraft. Lediglich das Besenbinden war empfohlen, weil diese Besen gegen die Hexerei schützten. In den Vorstellungen der Menschen war besonders die „wilde Jagd“ – im Allgäu „s‘ wilde G’jäg“ genannt – gefürchtet. Das Geisterheer soll während der Raunächte lärmend durch die Lüfte gezogen sein und Angst und Schrecken verbreitet haben. Es war ein Heer von Geistern, Gespenstern, Hexen, Pferden und Hunden. Wer dem wilden G’jäg begegnete, wurde mitgerissen und verschwand für immer. Das erzählten sich schaudernd die Leute. Es gab Gegenden, da ließ man auf Apfelbäumen eigens ein paar Äpfel fürs „wilde G‘jäg“ hängen, um es milde zu stimmen.
Die Raunächte, in denen Druiden, Hexen und Kobolde über viel Macht verfügt haben sollen, waren voller Orakel. Man war auch überzeugt, während dieser Nächte auf irgendeine Weise einen Blick in das Reich des Unerforschlichen tun zu können. Dazu zwei überlieferte Beispiele: Schaute man in der Heiligen Nacht um die Mitternachtsstunde durch ein dreieckiges Fenster, so sah man all die Personen, die im nächsten Jahr sterben müssen. Als weiteres Geheimnis ist überliefert: Vergrub man um die Geburtsstunde des Herrn einen Spiegel und grub ihn in der ersten Stunde des Neujahrs wieder aus, dann sah man darin die Gesichter seiner Feinde.
Am Dreikönigstag wird vielerorts ein letztes Mal geräuchert
Die Rauhnächte enden mit dem Dreikönigstag am 6. Januar. Die Tage voller wundersamer Geheimnisse sind dann vorbei. Nun wurden oder werden Haus und Stall zum letzten Mal mit geweihtem Weihrauch ausgeräuchert. So werden an Dreikönig in den Kirchen heute noch Weihrauch und Salz geweiht. Das geweihte Salz mischten früher die Bauern als Schutz gegen Krankheiten auch ins Viehfutter.
Das Licht verdrängt allmählich die Dunkelheit – die Tage werden wieder spürbar länger. Die geheimnisvolle Macht der „bösen Geister“ ist gebrochen. Gewöhnlich brach dann in Stadt und Land schwungvoll der Fasching aus und sorgte wochenlang für eine närrische Welt.
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