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Interview
02.01.2023

Zukunftsforscher: "Das Schlaraffenland ist abgebrannt"

Horst Opaschowski ist seit vielen Jahrzehnten als Zukunftsforscher tätig.
Foto: Christian Charisius, dpa

Zukunftsforscher Horst Opaschowski blickt ins neue Jahr. Die Lage sei alles andere als rosig. Aber er erkennt gesellschaftliche Trends, die Hoffnung machen.

Herr Professor Opaschowski, Sie sind ein seit Jahrzehnten in der Bundesrepublik bekannter und anerkannter Zukunftsforscher. Zum Jahreswechsel wollen wir mit Ihnen über die anstehende Zukunft sprechen. Doch zunächst ein kritischer Blick. Was ist die größte Schwäche der Zukunftsforschung?

Horst Opaschowski: Die größte Schwäche der Zukunftsforschung ist, dass sie nicht Gott spielen kann und in der Öffentlichkeit oft mit Prophetie verwechselt wird. Nein – irren ist und bleibt menschlich, auch in der Forschung. Die Zukunftsforschung kann durch systematische Beobachtungen und repräsentative Befragungen die Hoffnungen und Sorgen, die Wünsche und Ängste der Menschen ermitteln. Aber: Zu schnell werden aufgezeigte Möglichkeiten schon als Wirklichkeiten angesehen. Denken Sie nur an die Prognosen der Wirtschaftsforscher, die oft nur bis zum nächsten Quartal reichen. Es gibt Grenzen der Zukunftsforschung wie etwa eine unerwartete Rezession oder eine globale Pandemie. Auch Kriege, Krisen und Katastrophen sind nur bedingt voraussagbar. Wir Zukunftsforscher sind Analysten, Beobachter und Bewerter, aber müssen mit ständigen Überraschungen leben. Trotz Zukunftsforschung wachsen die Orientierungsschwierigkeiten der Menschen. Dies ist die größte Schwäche der Zukunftsforschung. 

Sie haben viele Dinge vorhergesagt. Was waren Ihre bedeutendsten Prognosen, die tatsächlich eingetreten sind?

Opaschowski: Vorausschauend vorbereitet sein: Seit Jahrzehnten ist dies mein Hauptanliegen in der Zukunftsforschung. In den 70er Jahren kündigte ich für die Zukunft die "Flexible Altersgrenze" an. In den 80er Jahren warnte ich vor den Folgen einer ökologisch-ökonomischen Zeitbombe für Natur, Umwelt und Gesellschaft. 1999 veröffentlichte ich die Zukunftsstudie "Generation @", deren Titel zum Wort des Jahres in Deutschland wurde. Noch vor der Jahrtausendwende habe ich den Absturz der New Economy einschließlich der Telekom-Aktien vorausgesagt. 2004 kündigte ich im Buch "Deutschland 2020" eine "Zeitenwende" an, die eine Wohlstandswende zur Folge hat und die Deutschen ärmer macht. Und zu Beginn der Corona-Krise prognostizierte ich bereits im Frühjahr 2020: Corona verändert uns für immer – auch zum Positiven und Besseren. Genauso ist es gekommen. Wir denken neu über unseren Lebensstil nach, leben bewusster und bescheidener und schränken uns bei den Konsumausgaben ein. 

Was waren Ihre aus Ihrer Sicht bedeutendsten Fehlprognosen?

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Opaschowski: Natürlich hatte ich in den 70er und 80er Jahren wie viele Gesellschaftsforscher vor mir – denken Sie an Hannah Arendt und Ralf Dahrendorf – damit gerechnet, dass der Gesellschaft die Arbeit ausgeht und Massenarbeitslosigkeit bevorsteht. Es gibt mittlerweile für alle genug zu tun und aus der vermeintlichen Arbeitsmangelgesellschaft ist eine Personalmangelgesellschaft geworden. Ich irrte mich auch bei der Einschätzung der Kulturszene. Ich hatte prognostiziert: Die Menschen werden in Zukunft vor Museen und Kunstausstellungen Schlange stehen wie früher die Nachkriegsgeneration vor Lebensmittelläden. Doch seit Monaten bleiben die meisten Deutschen lieber zuhause. Bei den Positivprognosen bin ich oft über das Ziel hinausgeschossen, bei den Negativprognosen habe ich leider meist recht behalten: von der sozialen Ungerechtigkeit über die Kluft zwischen Arm und Reich bis zur Ausbreitung eines aggressiven Gesellschaftsklimas. 

Zukunftsforschung – das bedeutet ja sicherlich ein strukturiertes, wissenschaftsgeleitetes Vorgehen. Gibt es konkrete Werkzeuge, die ein Futurologe beim Blick in die Zukunft benutzt?

Opaschowski: Zukunftsforschung versteht sich als Gesellschafts- und Verhaltensforschung, verbindet Empirie mit Psychologie. Die Zukunftsforschung fragt nicht: Was ist alles möglich? Sondern: Wie wollen wir in Zukunft leben? Als Zukunftsforscher bin ich getragen vom positiven Menschenbild Jean-Jacques Rousseaus: Der Mensch ist unendlich entwicklungsfähig bis ins hohe Alter. Dazu allerdings muss ich die Wünsche und Ängste der Menschen kennen. Methodisch arbeite ich qualitativ und repräsentativ mit Zeitvergleichen. Was hat sich seit den 70er und 80er Jahren verändert? Wie reagieren Menschen auf Krisen? Ich verbinde statistische Berechnungen mit den nachweisbaren Einstellungs- und Verhaltensänderungen, wozu Risiken genauso gehören wie Chancen. Ich mache mir Gedanken über verschiedene, auch alternative Zukünfte, denke über Problemlösungen nach und frage: Wenn wir in Zukunft "so" leben wollen – welche Wege müssen wir dann heute gehen? Als Zukunftsforscher will ich Wegweiser und Weichensteller sein. In dieser Rolle agiere ich seit Jahrzehnten als Berater – auch in der Politik: von Willy Brandt über Helmuth Kohl und Angela Merkel bis hin zum Bundespräsidialamt. 

Die vergangenen drei Jahre 2020, 2021 und 2022 waren Jahre, die uns alle im Besonderen bewegt haben. Glauben Sie, dass man diese als zäsurhafte Jahre bezeichnen kann, die eines Tages als Kipppunkte in der Geschichtswissenschaft gesehen werden könnten? Und wenn ja, warum?

Opaschowski: Tatsächlich stellen die Jahre 2020/21/22 eine zeitgeschichtliche Zäsur dar. Die Dauerkrise hat die Lebenseinstellung der Deutschen nachhaltig verändert. Ein Absturz der Zuversicht ist derzeit in Deutschland feststellbar. Die Stimmungslage kippt: Hass, Hetze und Gewalt breiten sich im öffentlichen Leben weiter aus. Es ist kein Zufall, dass Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in seiner Weihnachtsansprache zu Zusammenhalt und Zuversicht aufgerufen hat. Denn beides ist in diesen Dauerkrisenzeiten von Corona-Krise, Klimakrise und Ukrainekrieg mit den Folgen von Inflation und Energiekrise bedroht. Damit die Gesellschaft nicht auseinanderdriftet, rücken die Menschen enger zusammen. Der vom Bundespräsidenten gewünschte Zusammenhalt findet im engsten Nahmilieu statt: Familie, Freunde und Nachbarschaft werden "der" soziale Kitt in den nächsten Jahren sein.

Diese drei Jahre liegen also hinter uns, blicken wir aus diesem Grunde nicht nur ins Jahr 2023, sondern in die kommenden drei Jahre. Welche grundsätzlichen Trends würden Sie für diese drei Jahre prognostizieren?

Opaschowski: Es zeichnet sich ein dreifacher Wertewandel ab, den ich aufgrund meiner Untersuchungen ermittelt habe: Erstens wird in den subjektiven Einstellungen der Deutschen Freiheit ohne Sicherheit immer weniger wert. Ja, Sicherheit – etwa innere oder soziale Sicherheit – wird für viele sogar wichtiger als Klimaschutz. Zweitens sind inzwischen Nachbarn oft hilfreicher als Freunde. Das hat sich in der Corona-Krise gezeigt. Freunde waren weit weg, aber Nachbarn sofort da und halfen. In vielen Fällen. Und drittens ist die Ehe mit Trauschein und Kindern für die Mehrheit der Bevölkerung inzwischen wieder "das erstrebenswerteste Lebensmodell". Gesellschaftlich wird uns neben der Umwelt-, Klima- und Energiepolitik die Gesundheitsvorsorge und der Pflegenotstand weiter zu schaffen machen. Die soziale Ungleichheit wächst, die Wohnungsnot nimmt zu und eine doppelte Armut, die Geld- und Kontaktarmut, breitet sich aus. Auf diese Probleme reagiert die Bevölkerung mit einer positiven Gegenbewegung: Die Familie wird der wichtigste Lebensinhalt. Die Freundschaft zwischen den Generationen wächst. Und die positive Einstellung zum Leben überwiegt. Die Menschen wollen unter allen Umständen weiterhin optimistisch in ihre persönliche Zukunft schauen. 

Steht gewichtiger technischer Fortschritt ante portas, über den wir sprechen sollten?

Opaschowski: Ihre Frage ist so alt wie meine Zukunftsforschung – ein halbes Jahrhundert! Erstmals 1974 sagte ich voraus, dass die Einführung technischer Neuerungen scheitern wird, wenn schwerwiegende sozial und ökologisch nachteilige Folgen zu erwarten sind. So gesehen werden digitale Errungenschaften vom Haushaltsroboter bis zum selbstfahrenden Auto massenhaft scheitern, weil sie nach Meinung der Bevölkerung das Leben nicht besser und die Menschen nicht zufriedener machen. Gewichtiger technischer Fortschritt steht erst dann ante portas, wenn er das Leben besser machen hilft.

Glauben Sie, dass es eine längerfristige Rezession in Deutschland geben wird?

Opaschowski: Wie schon immer in der Menschheitsgeschichte folgen auf fette Jahre auch magere Jahre – und umgekehrt. Gemäß historischer Erfahrungen gilt derzeit: Das Schlaraffenland ist abgebrannt. Es kann also nur noch besser werden. Aber das braucht Zeit. Alle Hoffnungen auf eine rezessionsfreie Zeit richten sich jetzt realistischerweise auf die Jahre 2024/25. Dann haben wir uns wohl mehrheitlich mit Sparmaßnahmen arrangiert und regeneriert. Dann werden wir uns an den Konsum nach Maß gewöhnt haben und beim Geldausgeben mehr Lebensqualitätsansprüche stellen. Die 20er Jahre im 21. Jahrhundert werden nicht nur ein Zeitalter der Krisen sein. Neue Sinnansprüche entwickeln sich: mehr Zeit zum Leben. Zeitwohlstand und Beziehungsreichtum kommen als neue Wohlstandsfaktoren hinzu. Das Zeitbudget konkurriert mit dem Geldbudget. Und das persönliche Wohlergehen wird wichtiger als die materielle Wohlstandssteigerung. Das Bruttoinlandsprodukt BIP als Wohlstandsmaßstab greift dann viel zu kurz. Deshalb habe ich auch gemeinsam mit dem Hamburger IPSOS-Institut einen Nationalen WohlstandsIndex für Deutschland – NAWI-D – entwickelt. Er misst, wie gut es den Menschen geht – materiell und sozial und mental.

Blicken Sie insgesamt eher positiv oder negativ ins Jahr 2023 beziehungsweise in die kommenden drei Jahre?

Opaschowski: Mein Prognoseglas ist immer halbvoll. Optimismus und Zuversicht sind die Hefe in meiner Forschung – und nicht das Sahnehäubchen. Zukunftsforschung ist aber auch mühsame Überzeugungsarbeit, die sich von Zahlen leiten, aber nicht erschlagen lässt. Soziale Phantasie und Verantwortung gehören immer dazu – wohl wissend, dass die Uhr weiter tickt und die Zeit zum Handeln immer knapper wird. Zukunftsforschung kann die Welt nicht retten, aber wachrütteln. 

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