Als Papst Johannes Paul II. vor fast 20 Jahren starb, war dies das Ende eines „öffentlichen Sterbens“, wie es der Spiegel nannte. Die Öffentlichkeit hatte über Jahre miterlebt, wie die Parkinson-Krankheit dem einst so sportlichen Kirchenoberhaupt immer schwerer zusetzte. Wie seine Stimme schwächer wurde, bis sie versagte. Wie er sich an Kreuz, Hirtenstab und Amt klammerte. Bis zuletzt. Es gibt bestürzende Fotos davon, die sich ins kollektive Gedächtnis einbrannten. Und eine Statue dieses Papstes aus Polen in gebückter Haltung vor der römischen Gemelli-Klinik. In der wird nun sein 88-jähriger Nach-Nachfolger Franziskus wegen einer Lungenentzündung behandelt.
Katholiken in aller Welt beten seit Tagen für den Papst
Auch Franziskus hat sich trotz angeschlagener Gesundheit in den vergangenen Jahren kaum Pausen gegönnt, mehrfach musste er ins Krankenhaus. Selbst jetzt arbeite er dort, hieß es aus dem Vatikan. Bei Vatican News gibt es inzwischen ein „Gesundheits-Update“, am Freitagmorgen wurde mitgeteilt, die Nacht von Franziskus sei gut verlaufen. Wie ernst es um ihn tatsächlich steht, wissen nur wenige. Katholikinnen und Katholiken in aller Welt beten seit Tagen für den Papst, deutsche Bistümer rufen dazu auf. Zugleich ist die Zeit der Spekulationen und Gerüchte angebrochen: Wird sich Franziskus, wie Johannes Paul II., bis zuletzt an sein Amt klammern? Wird er zurücktreten? Längst geht es darum, was passiert, wenn er stirbt. Es ist wahrscheinlich, dass erste Vorbereitungen getroffen werden. Auch für das, was kommen wird: das Finden eines Nachfolgers.
Mit der Zahl der Gerüchte – darunter dem, dass die Schweizergarde schon mit Vorbereitungen zum Ableben des Papstes begonnen habe – steigt die Zahl der Dementis. Eines kam vom Dekan des Kardinalskollegiums, Kardinal Giovanni Battista Re. „Der Papst ist auf dem Weg der Besserung, erfinden wir keine Sachen. Man sollte nicht von Rücktritt sprechen, in einigen Tagen kehrt er in den Vatikan zurück“, sagte er der italienischen Zeitung Repubblica. Der Kardinaldekan ist eine bedeutende Figur. Er ruft die Kardinäle zum Konklave zusammen – wie der Schauspieler Ralph Fiennes im gerade gefeierten Film „Konklave“ von Edward Berger.

Der Rücktritt eines Papstes ist dabei ein Thema, das viele Fragezeichen mit sich bringt. Denn eigentlich ist das Bischofsamt – der Papst ist Bischof von Rom – eines auf Lebenszeit, auch wenn seit 1966 Bischöfe zu ihrem 75. Lebensjahr ihren Amtsverzicht anbieten müssen. Für den Papst gilt das nicht. Doch selbst nach dem Rücktritt von Benedikt XVI. im Jahr 2013 steht eine entsprechende kirchenrechtliche Regelung weiter aus. Was aber ist, wenn ein Papst seinen Rücktritt nicht mehr erklären kann? Wenn er ins Koma fällt oder dement wird? Das seien Fragen, die mit Blick auf Franziskus jetzt nahelägen, sagt Jörg Ernesti, Kirchengeschichtsprofessor und Vatikan-Experte von der Universität Augsburg. Seine Antwort: „Man müsste wohl ein Stück weit improvisieren, sicher wäre das Kardinalskollegium gefragt.“
Für Ernesti ist es nichts Ungewöhnliches, dass der Vatikan bei Krankheit und Sterben von Päpsten die Öffentlichkeit sucht. In unserem Medienzeitalter bliebe ohnehin wenig verborgen. „Man darf auch nicht vergessen: Der Vatikan ist eine absolute Monarchie, der Papst ist ein Monarch – und das Interesse am Leben und eben auch am Sterben von Monarchen ist ungebrochen.“ In einem kurios anmutenden Fall spielte Öffentlichkeit sogar eine bedeutende Rolle – als Gerüchte über Leo XIII. aufkamen, er sei nicht mehr bei klarem Verstand oder gestorben. Der Vatikan ließ damals ein Kamerateam kommen, um das Gegenteil zu beweisen. So entstanden die ersten Filmaufnahmen eines Papstes. Leo XIII. starb 1903 im Alter von 93 Jahren. Auf dem Totenbett schrieb er ein Gedicht über seine letzte Stunde, die nun angebrochen sei.
Wie es nach dem Tod eines Papstes weitergeht
Das Vorgehen nach dem Tod ist geregelt, in den vergangenen Jahrzehnten hat sich allerdings einiges am vatikanischen Protokoll verändert: Es wurde insgesamt wesentlich schlichter. Noch heute muss der Kardinalkämmerer den Tod des Papstes offiziell feststellen. Früher klopfte er dazu mit einem Silberhämmerchen auf dessen Stirn und fragte, ob er lebe, erklärt Ernesti. Das Silberhämmerchen sei Geschichte. Nach wie vor folgt dem die Versiegelung der päpstlichen Gemächer, in der eingetretenen „Sedisvakanz“ übernimmt der Kardinalkämmerer die Amtsgeschäfte.
Auch das einst durchaus pompös zu nennende Beerdigungszeremoniell ist Vergangenheit. Statt einer Aufbahrung auf einem Katafalk samt Ehrenwachen wurde erstmals bei Paul VI., der 1978 starb, ein einfacher Zypressen-Sarg verwendet, auf den Boden gestellt und darauf ein Evangelienbuch gelegt. Paul VI. war auch der erste Papst, der verfügte, dass er in einem Erdgrab bestattet werden solle. Was es ebenfalls nicht mehr gibt: Dass das Herz des gestorbenen Papstes separat beigesetzt wird, und zwar in einer päpstlichen Herzgruft in der Nähe des Trevi-Brunnens in Rom. Diese Tradition endete 1903. Seit 1958 wird zudem auf traditionelle Einbalsamierungen verzichtet, nachdem eine bei Pius XII. „verunglückt“ sei, sagt Ernesti, dessen Buch „Geschichte der Päpste seit 1800“ im vergangenen Jahr erschienen ist.

Schließlich kommt das Konklave – das durch den gleichnamigen Kinofilm derzeit große Aufmerksamkeit erfährt als Ort von Ränkespielen und undurchschaubaren Vorgängen. Im Jahr 1059 hatte man festgelegt, dass nur noch die Kardinäle, ihrem Ursprung nach herausgehobene Geistliche der Stadt Rom, den Papst wählen. Im Laufe des Mittelalters erlebte die katholische Kirche immer längere, immer „politischere“ Wahlversammlungen. Es bildeten sich Unterstützer-Parteien von Kandidaten, es wurde um Macht gerungen, weltliche Herrscher versuchten, Einfluss zu nehmen. Nach einer Wahlversammlung von 1005 Tagen im Jahr 1268 etablierte sich dann das Konklave: Man schloss die Kardinäle in der Wahlaula ein. „Später reduzierte man sogar deren Essen, bis zu Wasser und Brot, wenn es zu lang dauerte“, sagt Ernesti. Die Sixtinische Kapelle ist, durchgängig, erst seit 1878 der Wahlort. Die Kardinäle übernachten mittlerweile während des Konklaves im vatikanischen Gästehaus Santa Marta.
In der Vergangenheit war es stets Politik der Päpste, die Wahl eines Nachfolgers zumindest in gewisser Weise zu lenken – durch die Ernennung ihnen nahestehender Kardinäle. „Franziskus hat diese Politik nochmals auf ein neues Niveau gehoben“, erklärt Ernesti. „Aber das muss noch nichts bedeuten. Die Geschichte der Papstwahlen ist voller Überraschungen.“ Und Franziskus? Italienische Medien berichten am Freitagnachmittag von einer „leichten Besserung“. Später äußern sich seine Ärzte: Der Papst schwebe nicht in Lebensgefahr, außer Gefahr sei er aber nicht. Das Krankheitsbild sei weiterhin komplex.
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