Wer reist, kann was erleben – zum Beispiel die Eigenarten, die Menschen in Paris, London oder Brüssel haben. Diese Eigenarten können bisweilen nerven oder irritieren, in jedem Fall sollte man ihnen mit Humor begegnen. Vor allem: Man sollte von ihnen schon einmal gehört haben. In einer Serie blicken unsere Korrespondentinnen und Korrespondenten wöchentlich auf kleine, aber feine Unterschiede. Zum Auftakt geht es um Paris.
Wussten Sie ...
… dass das oft verwendete Wort „pardon“ oft gar nicht so nett gemeint ist, wie es klingt?
Das Wörtchen kommt wie eine Entschuldigung daher, aber Vorsicht: Häufig ist das Gegenteil gemeint. „Pardon“ ist vielfach einsetzbar: Wenn die Pariserin, die es immer eilig hat, an der gemächlich schlendernden oder abrupt anhaltenden Touristengruppe vorbei will. Wenn der Pariser noch rasch vor Schließen der Metro-Türen und trotz Warntons in das völlig überfüllte Abteil springt und sich Platz machen möchte. Das „Pardon!“, oft in harschem oder ungeduldigem Ton ausgedrückt, ist im öffentlichen Raum in Paris allgegenwärtig. Manche murmeln es auch automatisch, um sich unsanft an anderen vorbeizudrücken. Die Stadt ist dicht und eng, und so liebenswert die Menschen sein können: Auf den schmalen Trottoirs oder in der U-Bahn gilt das Gesetz des Stärkeren mit den spitzeren Ellenbogen – und dem lauteren „Pardon!“.
… dass es vielen Franzosen mulmig wird, wenn sie Englisch sprechen sollen?
Die Situation hat sich in den vergangenen Jahren zwar stetig verbessert und auch die Tourismusbüros stellten große Anstrengungen an, damit die Kommunikation mit ausländischen Gästen in der nach eigenen Angaben meistbesuchten Stadt der Welt einfacher wird. Es gab Englisch-Trainings und Schulungen, um jenen, die des Französischen nicht mächtig sind, einen freundlichen Empfang zu garantieren. Und doch kommt man nach wie vor nicht überall in Paris mit Englisch durch. Das fängt bei den Menüs in weniger touristischen Restaurants an und hört an den Metro-Schaltern nicht auf. Um dennoch einen guten Einstieg ins Gespräch zu finden, empfiehlt es sich für Ausländer, mit einem „bonjour“ zu beginnen, bevor sie die Sprache wechseln. Auch ein „merci“ wird immer gerne gehört und kann Wunder bewirken.
… dass Ampeln gerne ignoriert werden?
Eltern mit mehreren Kindern, die sorglos trotz roter Fußgängerampel über die Straße schlendern, selbst wenn die Polizei auf der anderen Seite steht? In Paris eine Selbstverständlichkeit! Während Autofahrer sich zumeist an die Verkehrsregeln halten, setzen sich Passanten fast grundsätzlich darüber hinweg. Es sei denn, es handelt sich um deutsche Touristen, die durch ihr konsequentes Warten auffallen. Pariserinnen und Pariser hingegen, die es bekanntlich immer eilig haben (siehe oben), setzen bisweilen bereits zum Gang über eine Straße an, wenn sich Fahrzeuge nähern – die werden schon anhalten. Auch bei Nutzern von Elektrorollern und Fahrrädern ist es gang und gäbe, Ampelfarben eher als freundliche Empfehlung zu verstehen. Allerdings ändert sich das allmählich: Bei Zweiradfahrern ist die Polizei längst nicht mehr so kulant – und verteilt Bußgelder.
…dass Schlange stehen sehr pariserisch ist?
Wo gibt es das leckerste Baguette am Sonntagmorgen? Welcher Verkäufer auf dem Wochenmarkt bietet das beste Obst und Gemüse? Es ist nicht nötig, langwierig im Internet zu recherchieren – die langen Schlangen vor den jeweiligen Bäckereien, Marktständen oder Cafés sprechen für sich. Pariserinnen und Pariser, sonst ja oft hektisch, sind ausgerechnet hierbei erstaunlich schmerzfrei. In einem angesagten Restaurant kann man nicht reservieren? Stellen wir uns eben an! Im Glücksfall gibt es einen Platz an der Bar, um mit einem Glas Wein oder – trés chic – Champagner zu warten.
… dass Caféhaus-Kellner ihr eigenes Tempo vorgeben?
Würden Pariser Caféhaus-Kellner als Tiere wiedergeboren, sie wären zweifellos Katzen. Sie kommen nicht unbedingt, wenn man sie noch so freundlich herbittet, geben ihr eigenes Tempo vor, blicken manchmal stur in eine andere Richtung, so sehr die Gäste sich auch um ihre Aufmerksamkeit bemühen. Das ist natürlich heillos übertrieben und ändert sich seit einigen Jahren erkennbar – und doch steckt immer noch ein Funken Wahrheit in diesen Beobachtungen. Pariser Caféhaus-Kellner sind nonchalant, wirken manchmal gar genervt, wenn Gäste etwas bei ihnen bestellen. Zugleich lassen sie diese – wenn sie sie einmal bedient haben – auch stundenlang in Ruhe vor einem Espresso sitzen, ohne ständig zu fragen, ob es noch etwas sein dürfe. Das hat seinen ganz eigenen Charme. Wie das Verhalten von Katzen.
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