
Die Zahlen steigen - die Rufe nach Lockerungen werden lauter

Wann ist die Zeit der Corona-Beschränkungen vorbei - und was sagt die Inzidenz überhaupt noch aus? Das RKI will offenbar einen zusätzlichen Leitindikator einführen.
Obwohl die Infektionszahlen wieder leicht steigen, werden die Rufe nach einer weiteren Lockerung der Corona-Regelungen immer lauter. „Sobald jeder Bürger ein komplettes Impfangebot erhalten hat und der Impfschutz auch wirksam bleibt, geht die Gesamtverantwortung vom Staat wieder auf den einzelnen Bürger über“, betonte CSU-Generalsekretär Markus Blume am Wochenende. „Das heißt: Mit dem Impfschutz für alle endet auch die Zeit der Beschränkungen für alle.“ An diesem Punkt, so Blume, „sind wir aber noch nicht.“
Der CSU-Gesundheitsexperte Stephan Pilsinger pocht vor allem auf eine Rückkehr zur Normalität an den Schulen. „Im September muss der Unterricht wieder in Präsenz stattfinden, da bis dahin alle Bürger ein Impfangebot erhalten haben und die vulnerablen Gruppen geschützt sind“, warnte der gelernte Arzt gegenüber unserer Redaktion. „Die Kinder dürfen nicht unter den Impfverweigerern leiden.“
Inzidenz steigt den sechsten Tag in Folge - auf 6,4
Die Sieben-Tage-Inzidenz ist am Montag zwar den sechsten Tag in Folge gestiegen, bewegt sich aber mit 6,4 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern in einer Woche weiterhin auf niedrigem Niveau. Ob die Inzidenz allerdings noch das entscheidende Kriterium für Maßnahmen wie die Maskenpflicht oder Kontaktsperren sein kann - daran haben immer mehr Politiker von Union und SPD so ihre Zweifel.
„Je mehr Menschen geimpft und getestet sind, desto mehr verliert der Inzidenzwert allein an Aussagekraft“, sagt beispielsweise der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans (CDU), der künftige Entscheidungen lieber von der Belegung der Intensivstationen in den Krankenhäusern abhängig machen will. Die SPD-Fraktion argumentiert ähnlich: Nach einer erfolgreichen Impfkampagne werde die Inzidenz keine hinreichende Kennziffer mehr sein. Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) hatte sich zuvor gegenüber unserer Redaktion gegen ein rasches Aufheben aller Corona-Beschränkungen ausgesprochen: „Bevor wir alle Maßnahmen aufheben können, müssen wir noch deutlich weiter in Richtung Herdenimmunität kommen. Die Pandemie ist noch nicht überstanden.“
FDP fordert ein Ende des Ausnahmezustandes
Die FDP fordert dagegen einen geordneten Ausstieg aus der epidemischen Notlage, die der Regierung das Eingreifen in Grundrechte erlaubt. „Angesichts des Impffortschritts, der Entspannung in den Intensivstationen, der niedrigen Infektionszahlen und der Test-Möglichkeiten lässt sich der verfassungsrechtliche Ausnahmezustand nicht länger rechtfertigen“, betonte Fraktionsvize Michael Theurer gegenüber unserer Redaktion. „Der verfassungsrechtliche Notstand der epidemischen Lage darf nicht ad ultimo fortgesetzt werden.“ Die Bundestagsfraktion der Liberalen hat die Regierung aufgefordert, bis zum Ende der parlamentarischen Sommerpause ein Konzept für den geordneten Ausstieg aus den Sonderregelungen vorzulegen.
Der Chef der Kassenärztlichen Vereinigung Rheinland-Pfalz, Peter Heinz, verlangt massive Freiheitseinschränkungen für Ungeimpfte. „Die Nicht-Geimpften haben nicht die Freiheit, ihre Maske abzulegen. Sie dürfen nicht ins Stadion, nicht ins Schwimmbad und nicht ohne Maske im Supermarkt einkaufen. Und man darf Ungeimpften nicht mehr gestatten, in den Urlaub zu fahren“, sagte er der Rhein-Zeitung. Man müsse den Menschen klarmachen: „Ohne Impfung gibt es keine Freiheiten. Ohne diesen Druck werden wir die Menschen nicht überzeugen.“
Auch das Robert Koch-Institut scheint künftig nicht mehr allein auf die Inzidenz setzen zu wollen. Einem Bericht vom Montag zufolge plant das RKI, die Hospitalisierungsrate - also die Zahl schwerer Corona-Erkrankungen mit Krankenhausaufenthalt - als zusätzlichen Leitindikator einzuführen. (mit dpa)
Die Diskussion ist geschlossen.
@Harald V.
Das ist mir schon klar, die Grippewelle 2017/2018 war die tödlichste in 30 Jahren, andere waren bei weitem nicht so stark. Nichtsdestotrotz wurde das toleriert bzw. es hatte im Nachgang warum auch immer keine Konsequenzen. Übrigens, das statistische Bundesamt hat letzte Woche für 2020 (das ganze Jahr betrachtet) die vorläufige Todesursachenstatistik veröffentlicht. Von den offiziell mit Totenschein erfassten rund 36.000 Coronatoten, starben etwa 30.000 ursächlich an Covid19 (ca. 83 %). Bei den restlichen Fällen war es eine Begleiterkrankung: https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2021/07/PD21_327_23211.html
Hinsichtlich des Sparens im Gesundheitswesen: Ich schrieb von Gesellschaft und Politik - bitte genau lesen...
Komisch, immer wenn man mit Eigenverantwortung anfängt, kommen komische Vergleiche und Totschlagargumente, die die Diskussion nicht voranbringen. Ich habe bisher aber kein stichhaltiges Argument vernommen. Der Unterschied zum Autofahren: Die Coronamaßnahmen betreffen mehr als 80 Mio Menschen in Deutschland und davon ein Großteil in schwächeren gesellschaftlichen Schichten. Autos, die über 300 km/h fahren, gibt es dazu im Vergleich nur sehr wenige...
Dagegen sind die Risikofaktoren für eine schwere Corona-Erkrankung mittlerweile recht gut bekannt. D. h.wenn man wollte, könnte man Maßnahmen viel zielgerichteter ausrichten und in verschiedenen Bereichen mehr Freiheiten erlauben...
Alle anderen Zahlen, z. B. zu LongCovid sind dagegen sehr unvollständig. Viele bisherige Studien zeigen aber, dass langanhaltende Symptome in den meisten Fällen, auch wenn es in Einzelfällen auch Monate dauern kann, zurückgehen und viele Erkrankte komplett genesen. Dass das nicht immer funktioniert ist aber auch nichts, was man erst seit Corona kennt, auch nach anderen Infektionen kann es längeranhaltende, teils unspezifische Symptome geben. Positiv ist ja doch, dass man sich der Sache annimmt, was sicherlich auch anderen Krankheiten mit länger anhaltenden Symptomen zu gute kommt.
Tja, das zum Thema es gibt keinen Impfzwang. Direkt vielleicht nicht, aber indirekt.
Zitat Platon: "Die ständige Sorge um die Gesundheit ist auch eine Krankheit."
@ Lothar oft wird bei kleineren Kindern Longcovid nicht festgestellt, weil sie noch nicht in der Lage sind; sich klar zu äußern. Nicht jeder Kinderarzt macht gleich einen Test bei Bauchschmerzen, Fieber und Husten.Alles zu verharmlosen finde ich falsch.Jeder sollte alles tun um sich und andere zu schützen.Hygiene Maßnahmen dienen dazu sich und andere zu schützen,sie haben mit Diktatur nichts zu tun; sondern Einsicht, Verstehen,Solidarität mit denjenigen Bürgern und Kindern die es zu schützen gilt. Jeder Infizierte ist einer zu viel!Was ist nur los mit unserer Gesellschaft, renommierte Wissenschaftler bitten uns schützende Coronamassnahmen anzuwenden, weil sie uns schützen, wir meinen wir müssten dies hinterfragen. Fakten sind Fakten.
Nur wenn man auf die Studienlage hinweist ist das doch kein Verharmlosen, oder? Bei Corona ist uns als Gesellschaft völlig die Referenz abhanden gekommen. Als Gesellschaft hatten wir bisher bis zu 30.000 Influenzatote/60.000 Hospitalisierte/9 Mio influenzabdingte Arztbesuche in einer Saison (Winterhalbjahr 2017/2018) toleriert, ohne dass politische Interventionen stattfanden. Die Gesellschaft oder die Politik hat auch jahrelang toleriert, dass es im Gesundheitswesen einen zunehmenden Personalmangel gibt, gerade im Bereich der Intensivpflege, und gleichzeitig die Schließung von Kliniken vorangetrieben. Corona hat viele diese Dinge erst offensichtlich gemacht, obwohl Mißstände vorher schon bestanden.
Hygiene ist wichtig, keine Frage. Aber warum kann man nicht darüber diskutieren, welche Maßnahmen eher symbolisch und welche Maßnahmen effektiv sind. In Deutschland wurden im Gießkannenprinzip Maßnahmen ergriffen, ohne genau zu wissen, wie und ob sie überhaupt wirken. Dass andere Länder mit weniger strikten Maßnahmen nicht wesentlich besser oder sogar besser als Deutschland fahren, sollte doch ein Hinweisgeber sein (das viel gescholtene Schweden z. B.)...
Und grundsätzlich ist jetzt die Frage, um die sich die Diskussionen drehen: Wieviele Maßnahmen machen in der Bevölkerung Sinn (damit sie toliert werden) und wie kann man die Eigenverantwortung wieder mehr in den Vordergrund rücken. Da gibt es eben die Leute, die gern alles für jeden geregelt haben möchten, und die anderen, die die Eigenverantwortung in den Vordergrund schieben. Eigenverantwortung war bisher out, Bevormundung war die Politik. Es funktioniert aber nur in einer gesunden Mischung.
@Lothar B.
Nehmen Sie mal ein andere Grippewelle und nicht die, wo die Grippeimpfung großteils ins Leere gelaufen ist. Dann sieht es auch gleich ganz anders aus.
Zudem ist Grippe gut bekannt. Bei Covid19 gibt es immer noch viele Fragezeichen. Insbesondere bei Longcovid gibt es noch sehr viele Fragezeichen.
Auch wie bei Grippe wie sie sagen keine großartigen Maßnahmen, bei Covid 19 schon und trotzdem knapp 3,75 Mio Erkrankungen und über 90.000 Tote und eine unbekannte Zahl mit Folgeschäden.
Der Abbau bei Gesundheitswesen hat nicht nur die Politik zu verantworten. Jeder will schleißlich wenig Krankenkassenbeiträge zahlen .... wer würde jemand wählen, der sagt ihr zahlt künftig mehr? Es ist leicht immer alles auf die poltik zu shcieben.
Eigenverantwortung wäre gut und absolut ideal. Aber klappt das beispielsweise auf der Autobahn ohne Geschwindigkeitsbegrenzung? Kann man 300 kmh fahren, wenn man nur 200 meter weit sehen kann? Ist ja schließlich nicht verboten .... wenns nicht verboten ist, ist es ja erlaubt. An die möglichen Folgen und Risiken auch für andere des eigenen Handeln wird nicht gedacht.
Lieber Lothar oft wird bei kleineren Kindern Longcovid nicht festgestellt, weil sie noch nicht in der Lage sind; sich klar zu äußern. Nicht jeder Kinderarzt macht gleich einen Test bei Bauchschmerzen, Fieber und Husten.Alles zu verharmlosen finde ich falsch.Jeder sollte alles tun um sich und andere zu schützen, bis wir mehr wissen.
Ich finde diese Ausdrucksweise wenig demokratisch, eine Art Hygienediktatur wünsche ich mir nicht!
Und bisher haben nicht einmal Geimpfte die Freiheit, Masken abzulegen...(im Gegensatz zu anderen Ländern)
Positiv ist, dass man jetzt doch - was viele Experte schon länger fordern - weg von den Inzidenzen als Bewertungsmaßstab kommen muss.
Was aber aus meiner Sicht viel wichtiger wäre: Eine ordentliche, auf wissenschaftliche Daten und Fakten und nicht auf politische Wunschvorstellung basierende Risikokommunikation (https://edoc.rki.de/handle/176904/7835) und eine auf deren Basis aufgebaute Risikowahrnehmung in der Bevölkerung - denn das reale Risiko an Corona zu erkranken oder zu versterben ist deutlich geringer, als viele einschätzen: https://www.diw.de/de/diw_01.c.795735.de/publikationen/diw_aktuell/2020_0052/menschen_ueberschaetzen_risiko_einer_covid-19-erkrankung__beruecksichtigen_aber_individuelle_risikofaktoren.html
Ein Impfangebot reicht nicht, um über Lockerungen nachzudenken, Coronamassnahmen aufzuheben.Erst die komplette Impfung aller Impfwilligen , plus 2 Wochen danach ,schützt die Bürger (und Jugendlichen,bei denen die Impfung erst jetzt anläuft, )vor schweren Verläufen. Mindestens die Hälfte der Bürger sehen den Lockerungen mit gemischten Gefühlen entgegen.Schließlich trägt die ganze Gesellschaft auch Verantwortung für unsere Kinder, die immer noch ungeschützt sind, und an Longcovid erkranken können. Noch kennen wir die Langzeitfolgen der Deltavariante bei Kindern nicht.Was soll der verdammte Schrei nach Lockerungen, wenn diese nur dem Virus freie Bahn zur Entfaltung geben. Dieser Ruf nach mehr Freiheit und Lockerungen ist auf hohem Niveau, und für COVID Erkrankte unverständlich.
Schwere Verläufe bei Kindern sind sehr selten (bisher seltener als bei den alljährlichen Influenzawellen), LongCovid bei Kindern ist aus meiner Sicht eine durchs Dorf getriebene Paniksau. Natürlich gibt es Kinder, die mit Nachwirkungen zu kämpfen haben, aber auch das sind wenige Fälle und die allermeisten davon die bisher in Studien begleitet wurden, erholten sich wieder vollständig.
Es gibt die Studie aus UK, wonach etwa 30.000 Kinder/Jugendliche über LongCovid-Symptome berichten - allerdings leiden solche Beobachtungsstudien an einer systematischen Überschätzung der Symptome. Zudem kommt, dass ein Teil der Teilnehmer ähnliche Symptome melden, obwohl sie nachweislich keine Covid19-Infektion hatten. D. h. die Psyche spielt eine große Rolle, so dass man eigentlich auch ein neues Phänomen berücksichtigten müssten: LongLockdown...
https://www.doccheck.com/de/detail/articles/33434-long-covid-kids-lasst-die-kirche-im-dorf?fbclid=IwAR18OMNb7wtSguixAJPkL_XHgvOtrG1pXeiVZplJS8fuxuPRSRJQNR90n0U
https://www.aerzteblatt.de/archiv/219754/SARS-CoV-2-Long-COVID-in-der-Paediatrie
Die einen sagen Hü die anderen sagen Hot, wobei ich dem Herren Peter Heinz recht gebe. Wer gegenüber den Geimpften keine Rücksicht walten lässt, der braucht auch nicht in den Genuss kommen freier als frei zu sein.
"Wer gegenüber den Geimpften keine Rücksicht walten lässt................................."
.
Warum muss man gegenüber den Geimpften Rücksicht walten lassen?
Die sind doch geschützt! Das eigene Risiko tragen die Ungeimpften.
@Alois R.
Es gibt nicht wenige, die aus medizinischen Gründen nicht geimpft werden können. In erster Linie tragen diese das Risiko.
Jede Infektion trägt das Risiko einer Mutation. Jede Mutation kann gefährlicher Varianten hervorbringen.
Übrigens ist eine Impfung, egal gegen was, nie ein 100%iger Schutz. Die Masse machts.
Aber ist wie im Straßenverkehr. Das Risiko für andere ist oft egal, wenn man dafür seinen Spaß und seine Freiheit ausleben kann.
Druck und Verbote sind natürlich die besten Instrumente jemanden zu überzeugen...