
Erzwungene Landung: Der Westen ist im Umgang mit Diktatoren hilflos

Wie soll Europa umgehen mit Männern, denen jedes Mittel recht ist? Am Ende fürchten Diktatoren wie Lukaschenko und Putin nur ihr eigenes Volk - dort müssen kritische Stimmen unterstützt werden.
Es ist ja nicht so, dass Europa nicht das schärfste Schwert ziehen würde, das sich im politischen Instrumentenkasten finden würde. Diktator Alexander Lukaschenko wird mit weitreichenden Sanktionen überzogen. Die belarussische Fluglinie Belavia wird für die Flughäfen und den Luftraum innerhalb der EU gesperrt. Unterstützer des Regimes müssen sich auf Einreiseverbote einstellen und werden keinen Zugriff mehr auf ihr Vermögen innerhalb Europas haben. Und doch wird alles, was sich Brüssel als Strafe für den staatlich organisierten Terrorakt auf ein Flugzeug einfallen lässt, nicht mehr sein als ein Symbol und Ausdruck der eigenen Hilflosigkeit.
Gegen Schurken kommt der Rechtsstaat nicht an
Die Worte mögen noch so schneidend sein, die Forderungen nach der Freilassung des Oppositionellen noch so nachdrücklich – in Minsk wird Alexander Lukaschenko kaum mehr als ein hämisches Lächeln dafür übrig haben. Denn wenn Europa in den vergangenen Jahren eine Erfahrung gemacht hat, dann ist es die: Gegen Schurken kommt der Rechtsstaat kaum mehr an. Sie wissen, dass alle roten Linien, die gezogen werden, bloße Fassade sind. Das ist eine Erkenntnis, die mehr als frustrierend ist – denn sie offenbart keinen wirklichen Ausweg. Solange die Diktatoren mächtige Verbündete in der Welt haben, müssen sie den Zorn der Europäer nicht fürchten.

Wie so häufig, ist es auch diesmal der russische Präsident Wladimir Putin, der alle Härten der Sanktionen gegen Lukaschenko abfedern wird. Es ist nicht das erste Mal. Schon in Syrien musste der Westen mit größtmöglicher Hilflosigkeit mit ansehen, wie wenig im Kampf gegen Unterdrücker auszurichten ist, solange der Kreml im Hintergrund agiert und die internationalen Regeln des Miteinanders Stück für Stück aushebelt. Im Nahen Osten setzte Baschar al-Assad Giftgas ein, in Belarus ließ Lukaschenko ein ungeheuerliches James-Bond-Drehbuch am Himmel aufführen. Wie soll die Politik mit jemandem umgehen, der vor nichts, aber auch gar nichts zurückschreckt? Ein Dilemma. So überlegen sich der Westen in wirtschaftlichen Belangen fühlt – so sehr wird ihm seine Schwäche in Situationen vor Augen geführt, in denen es um pure Macht geht.
Europa hat keine militärische Macht - aber es kann Regimekritiker stützen
Und doch hat Europa einen Trumpf in der Hand: Seine Ideen und seine Werte sind für Milliarden Menschen ein Versprechen auf eine bessere Zukunft. Denn so laut Männer wie Lukaschenko und Putin über den Westen lachen mögen, so groß ist ihre Angst vor dem eigenen Volk. Dass der Diktator aus Minsk das Flugzeug eines Bloggers kapern lässt, ist am Ende ein Zeichen von Schwäche. Nur wenn er maximale Angst verbreitet, kann er seine eigene Haut retten. Noch. Der Westen wird einen langen Atem brauchen, und doch bleibt ihm nichts anderes übrig, als die Demokratiebewegungen und den kritischen Journalismus in den Ländern der Unterdrücker zu unterstützen. Das mag nicht viel mehr sein als eine vage Hoffnung. Und dennoch ist Aufgeben keine Alternative.
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Die Diskussion ist geschlossen.
Hilflos ist man nur, weil man es mit Moral und den selbst erklärten Werten nur bei denen genau nimmt, die nicht Verbündete sind. Es fehlt an Glaubwürdigkeit.
Einerseits den Diktator in Belarus kritisieren, andererseits fette Geschäfte mit den noch brutaleren Diktatoren in Saudi Arabien und Co. betreiben, inklusive shake hands und Gruppen Foto der Politiker des Werte Westens mit dem 2. Kopf der saudischen Diktatur kurz nach dem Bekanntwerden der Zerstückelung von dem Journalisten Herrn Kashoggi.
Die Glaubwürdigkeit ist schon lange dahin. Das ist nur ein Beispiel.
Wenn dann mal die Werte gegenüber all Denjenigen die dagegen verstoßen angesprochen und verteidigt werden, dann kann man wieder unsere Politik ernst nehmen.
So mal grundsätzlich gefragt -
- kommen die "Demokratien des Westens" deshalb gegen die - um in der Sprache des Kommentars zu bleiben - "Schurken" nicht an, weil sie auf anderen Feldern Geschäfte mit ebensolchen machen?
- hindert ein zerstückelter Journalist etwa an den Waffenexporten auf die arabische Halbinsel?
- Oder werden nicht unterschiedliche Maßstäbe angelegt? Wie war das mit dem Flugzeug des bolivianischen Präsidenten? Da war das hijacking etwas subtiler; auf Wunsch der US-Administration des Friedensnobelpreisträgers Obama wurden von den Europäern Überflugsrechte verweigert und damit eine Landung erzwungen.
Anderes Beispiel, die völkerrechtswidrige Annektion der Krim wird sanktioniert, das völkerrechtswidrige Eingreifen im sog. "Kosovo-Krieg" nicht!
Die Politik und Diplomatie scheitert wohl in allererster Linie an den permanenten Inkonsequenz. Und noch ganz nebenbei - für die 'Rolle des Weltpolizisten ist weder unser Land noch die in sich total zerrissene EU geeignet. Und das aus vielerlei Gründen.
>>- kommen die "Demokratien des Westens" deshalb gegen die - um in der Sprache des Kommentars zu bleiben - "Schurken" nicht an, weil sie auf anderen Feldern Geschäfte mit ebensolchen machen? <<
Ja, glasklares konsequentes Handeln ist uns kaum möglich.
Beispiel 1: China unterdrückt brutal die muslimischen Uiguren und Tibet und Hongkong und bedroht Taiwan. Doch ist unser größter Autoabsatzmarkt. Fragen Sie mal die Aktionäre und Arbeitnehmer von Audi, BMW, Daimler, VW & Co, ob wir keine Geschäfte mehr mit China machen sollten.
Beispiel 2: Russland hat die Krim besetzt, lässt Regimegegner ermorden, diskriminiert Schwule, ermöglicht einen barbarischen Krieg in Syrien. Doch ist unser größter Lieferant von Erdgas, Erdöl und Steinkohle. Dementsprechend eiern wir. Sollen wir einen Erdgaskaufboykott gegen Russland machen?
Wie an anderer Stelle schon ausgeführt https://www.augsburger-allgemeine.de/politik/Lukaschenko-Bruessel-straft-Belarus-mit-Sanktionen-ab-id59746496.html, ist die Verfolgung des Whistleblowers Snowden durch die US-Regierungen ein Staatsvergehen. Dennoch ist die Blockade des bolivianischen Präsidentenflugzeugs keine gewaltsame Entführung wie jetzt die durch den belarusischen Diktator.
Waffenexporte an Saudi-Arabien sind schon seit vielen Jahren ein Verbrechen. Nach der Ermordung des Regimegegners und Journalisten erst recht!
Deutschland und auch die EU sind nicht mächtig genug, um konsequent Weltpolizist zu spielen. Sie sind hierzu auch nicht legitimiert. Dennoch ist es richtig und nötig, immer wieder auch mit Appellen und Boykotts gegen Menschenrechtsverletzungen und Unterdrückungen von Menschen und Ländern vorzugehen. Die langjährigen Appelle und Boykotts gegen das rassistische südafrikanische Regime trugen am Schluss zum Niedergang dieses Apartheidregimes bei.
Raimund Kamm
Absolut richtig. Und was China in der Region der Uiguren kann, das beherrschen die US und A schon lange mit dem Folter Knast Guantanamo (und diversen black sites) in dem seit nun fast zwanzig Jahren Menschen ohne Verurteilung und ohne Zugang zu Gerichten einfach nach Lust und Laune weg gesperrten und gefoltert werden - siehe UN.
Die Welt ist schlecht und wir trauen uns nur die Missetaten derjenigen anzuprangern, die mit uns nicht verbündet und schwach sind. Und genau diese selektive Blindheit ist genau das, was widerlich ist.
Unrecht muss bezeichnet und bekämpft werden. Wer es aber teilweise sehenden Auges ignoriert ist moralisch nicht makellos.