
Hetzer und Antisemiten dürfen nicht die Oberhand gewinnen
Jüdisches Leben bedeutet seit über 1000 Jahre eine heilsame Provokation, dass es nicht die eine Wahrheit gibt. Ein Festjahr hilft, die eigene Haltung zu überdenken.
Das Gedankenexperiment „Stadt ohne Juden“ spielte der österreichische Schriftsteller Hugo Bettauer schon 1922, zwanzig Jahre vor Hitlers „Endlösung“, durch: Was geschähe, wenn eines Tages alle Juden aus der Gemeinschaft ausgestoßen würden? Bettauers Satire zeigt eine fiktionale krisengeschüttelte Stadt, die nach der Vertreibung der angeblichen Sündenböcke noch rapider den Bach hinunter geht. Denn ohne Juden fehlt es in dieser Stadt an kreativer Reibung und Kultiviertheit. Sie versinkt in ein dumpfes Einerlei und gerät wirtschaftlich wie politisch in die Isolation.
Könnte Deutschland ohne Juden gut leben? Auf keinen Fall! Sie gehören seit mehr als tausend Jahren zu uns und ihre Geschichte war nie nur eine des Leidens und der Verfolgung – die es leider auch immer wieder gab und den Juden entsetzliche Schmerzen und Schmach, Verlust und Vernichtung zugefügt hat. Sie waren aber auch angesehene Bürger, vertrauenswürdige Geschäftspartner und produktive Kulturträger. Sie hatten – und haben bis heute – ihren Platz in der deutschen Gesellschaft. Daran möchte das Festjahr 2021 erinnern, an dem sich der Freistaat Bayern besonders rege beteiligt.
Jüdisches Leben in Deutschland: Die Shoa hat nicht alles ausgelöscht
Natürlich wird sich dabei eine Diskrepanz zwischen Vergangenheit und Gegenwart zeigen. Zu tief war der Einschnitt, den die nationalsozialistische Todesmaschinerie von Auschwitz hinterlassen hat. Im Land der Mörder konnten und wollten verständlicherweise die wenigen, die der Shoa (zu deutsch: Vernichtung) entgangen waren, nicht mehr leben. Doch ausgelöscht war jüdisches Leben in Deutschland auch nach 1945 nicht. Allerdings hat es seine Gestalt gewandelt. Nach der Auflösung der Sowjetunion geschah dies nochmals in den 1990ern mit der Auswanderung von rund 200.000 russischen Juden und erneut mit dem Zuzug junger Israeli in zukunftsträchtige, hippe Städte wie Berlin oder München.
Die wenigsten unter ihnen geben sich im Alltag auffällig in ihrer Religionszugehörigkeit zu erkennen. Schläfenlocken und Gebetsriemen sind äußerst selten. Selbst die Kippa tragen die Männer außerhalb der Gebetsstätten kaum. Denn in der Öffentlichkeit müssen sie stets mit feindlichen Übergriffen rechnen, denn die Pest des Antisemitismus ist gerade wieder am Erstarken.
Die kreative Reibung macht jüdisches Leben so kostbar
Die Lage der Juden in Deutschland ist mehr als ambivalent. Einerseits werden sie als Exoten bewundert, ihre Freunde möchten sie möglichst authentisch sehen, als würde in jedem Haushalt koscher gekocht und die Gemütlichkeit des legendären Schtetls gepflegt. Andererseits dienen sie als Projektionsfläche für abstruse Verschwörungserzählungen, die den mittelalterlichen Ritualmordlügen in Drastik nicht nachstehen. Ihnen müssen wir entschieden widersprechen. Allein die Statistik lässt derlei Hetze ins Leere laufen: Die Kultusgemeinden haben insgesamt aktuell knapp 95.000 Mitglieder – unter 82 Millionen Einwohnern.
Trotzdem wirkt die älteste Minderheit wie ein Sauerteig in unserer Gesellschaft. Sie erinnerte immer schon daran, dass es mehr als eine Wahrheit gibt. Auch wenn sich die christliche Mehrheit als alleiniger Erbe der göttlichen Verheißung wähnte, war die Erwählung Israels nicht aus der Bibel zu tilgen. Jüdische Existenz bedeutete eine heilsame Provokation – fremd und vertraut zugleich. Die Juden standen unter der besonderen Obhut der Kaiser. In Schwaben und Franken kam ihnen später eine zerklüftete politische Landschaft zugute und manches Dorf hatte fast genauso viele jüdische Einwohner. Erst der Einheitsstaat setzte dem ein Ende, bürgerliche Emanzipation wurde mit Assimilation erkauft. Doch genau die kreative Reibung macht jüdisches Leben bei uns so kostbar.
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Wäre gut, wenn den schönen Worten auch mal Taten folgen würden, z.B. mit der Abschaffung des unseligen Sonntags-Verkaufsverbots, das in erster Linie die Benachteiligung jüdischer Kaufleute zum Zweck hatte.
Das Ladenschlussgesetz in Deutschland ist ein Arbeitnehmerschutzgesetz. Wenn der Einzelhandel Sonntags geöffnet werden sollte müssten auch Kindertagesstätten öffnen.
Wenn auch antisemitische Hetzer nicht die Oberhand gewinnen dürfen ( und dies ist richtig !) , dann fragt sich doch , warum in Deutschland - etwa in Berlin - regelmäßig die Vernichtung Israels propagiert werden darf ?
JEDES Jahr findet diesbezüglich in Berlin die sog. "Al Quds" - Kundgebung statt :
Definition :
"... wurde am 7. August 1979 vom iranischen Revolutionsführer Ajatollah Ruhollah Chomeini ausgerufen . Der im Iran initiierte Protesttag richtet sich.... gegen die Existenz Israels überhaupt, deren Zerstörung zugunsten eines neuen Staates Palästina gefordert wird.
Zudem werden die USA zur imperialistischen Protektionsmacht von Israel und ebenfalls zum Gegner erklärt. Die al-Quds-Tage sind somit anti-israelische (anti-zionistische) und antiamerikanische Kundgebungen...."
Da frägt man sich doch zurecht , warum die Meinungsfreiheit HIER plötzlich mehr wert ist als der Straftatbestand "Volksverhetzung" ?!
Auf diesen öffentlichen Demonstrationen werden regelmäßig die brutalsten Aufrufe -etwa "Tod für Israel" - öffentlich und für jeden sichtbar kundgetan ...
und der deutsche Staat tut ... nichts , sondern erlaubt diese Kundgebung weiterhin .
Bestehen hier etwa Unterschiede - und eine unterschiedlich staatliche "Toleranz" gegenüber und poenisierende Sichtweise auf deutsche Antisemiten und Antisemiten , welche aus anderen Ländern stammen und sich hier aufhalten ?!
Ich meine : Ja - das obige Beispiel zeigt es ganz deutlich !
Gerade in Bayern war man viel zu lange blind auf dem rechten Auge! Wird höchste Zeit aufzuwachen!
Na wenn Sie da mal nicht schielen?
Ich hätte jetzt eigentlich erwartet, dass die "Hetzer und Antisemiten" auch beim Namen genannt werden. Man könnte auch den Test einer Reportage nachmachen: Mit der Kippa durch Augsburg!
https://www.youtube.com/watch?v=tyVL2yjQDZg
https://www.tagesspiegel.de/berlin/antisemitische-demo-in-berlin-wer-steckt-hinter-dem-al-quds-marsch/22653804.html