Wie Robert Habeck das Dilemma der Grünen offenbart
Das Kanzleramt ist zum Greifen nah. Doch die Außen- und Verteidigungspolitik wird zum Schwachpunkt für die friedensbewegte Partei.
Es ist so etwas wie die Gretchenfrage der Grünen: Sag, wie hältst du’s mit der Verteidigung? Immer wieder gerät die Parteispitze in Bedrängnis, wenn es um den Umgang mit internationalen Konflikten geht. Von Beginn an verstanden sich die Grünen als Partei des konsequenten Pazifismus – Waffenlieferungen oder gar militärische Einsätze passen bis heute nicht ins Bild vieler Parteimitglieder. Doch je näher eine Machtoption rückt, umso drängender stellt sich die Frage nach einer klaren Positionierung. Die fällt der Parteispitze erkennbar schwer, eine Schwäche, die auf die die politische Konkurrenz nur zu gerne hinweist.
Will Habeck Waffen in die Ukraine liefern?
Aktuell geraten Annalena Baerbock und ihr Co-Vorsitzender wegen einer Äußerung Robert Habecks unter Beschuss. Der hatte sich in einem Interview mit dem Deutschlandfunk überraschend für Waffenlieferungen an die Ukraine ausgesprochen: „Waffen zur Verteidigung, zur Selbstverteidigung kann man meiner Ansicht nach, Defensivwaffen, der Ukraine schwer verwehren.“ Schon einen Tag später versuchte er seine Äußerungen zu korrigieren. Er wolle keine Waffen liefern, sondern „Nachtsichtgeräte, Aufklärungsgeräte, Kampfmittelbeseitigung, Medevacs (Flug- und Fahrzeuge zur medizinischen Evakuierung)“.
Auch Baerbock bemühte sich, die Aussage Habecks einzufangen. Mit den Grünen gebe es keine Waffenlieferungen in Konfliktgebiete – Habeck habe das auch gar nicht so gemeint. „Robert Habeck hat heute Morgen ja genau klargestellt, dass es nicht um Defensivwaffen geht, sondern – wie wir auch schon vor kurzem deutlich gemacht haben – um Munitionsräumung, um die Bergung von verwundeten Personen, Zivilisten, mit gepanzerten Fahrzeugen und auch um die Frage der Unterstützung der OSZE-Mission“, sagte sie in der Talkshow „Maischberger“. Habeck allerdings hatte in seinem Radiointerview die Mission der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) gar nicht erwähnt.
Waffenlieferungen in die Ukraine sind selbst für die Union derzeit ausgeschlossen. „Wir verfolgen eine restriktive und verantwortungsvolle Rüstungsexportpolitik und erteilen im Hinblick auf die Ukraine keine Genehmigungen für Kriegswaffen“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Daran werde sich auch bis zum Ende der Legislaturperiode nichts ändern. Teile der ostukrainischen Gebiete Luhansk und Donezk entlang der russischen Grenze stehen seit 2014 unter Kontrolle moskautreuer Kämpfer. UN-Schätzungen zufolge wurden seitdem mehr als 13.000 Menschen getötet.
Die Grünen sind gespalten in der Frage nach dem Militär
Auch einzelne Abgeordnete der Grünen distanzierten sich von ihrem Parteivorsitzenden. „Waffenexporte in die Ukraine würden unserem Grundsatz widersprechen, dass wir keine Waffen in Kriegsgebiete exportieren“, sagte Jürgen Trittin dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Rückendeckung erhielt Habeck von Cem Özdemir. „Ich kann an Roberts Äußerungen nichts Falsches erkennen. Oder soll die Ukraine gleich ihre Unabhängigkeit aufgeben und in Putins Reich zurückkehren?“, sagte er der Rhein-Neckar-Zeitung. Weitere Debatten dürften spätestens dann folgen, wenn die Grünen an einer Regierung beteiligt wären. Denn die Partei schwankte in ihrer Geschichte immer wieder zwischen Idealen und Realitätspolitik. Einig ist man sich nur darin, dass Menschenrechte stärker in den Fokus genommen werden sollen. Doch wie hält man es mit Rüstungsexporten, wie unterstützt man die Nato, wie sollen Menschenrechte in Konfliktregionen verteidigt werden?
Kritik kommt von der SPD und der FDP
Sowohl SPD als auch FDP reagieren mit entsprechendem Hohn auf die Unsicherheit bei den Grünen. „Frau Baerbock versucht jetzt mit fadenscheinigen Argumenten die außenpolitische Geisterfahrt von Robert Habeck zu rechtfertigen“, sagte SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil den Zeitungen der Funke Mediengruppe. FDP-Generalsekretär Volker Wissing unterstellte, Habecks ursprüngliche Forderung sei „ein zaghafter Versuch, seine Partei von ihrem strikten Nein zu Waffenlieferungen in Krisengebiete abzubringen“. (mit dpa)
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Meine persönliche Ansicht, der ich in den 1970er Jahren den Kriegsdienst verweigert habe, weil ich überzeugt war, dass das Wettrüsten im „Kalten Krieg“ ins Verderben führen würde und wir besser mit Zivil- und Entwicklungsdienst für Frieden sorgen sollten.
Waffenexporte an Länder, die andere Länder drangsalieren und im eigenen Land Menschen unterdrücken und töten, sind falsch. Deswegen spreche ich mich gegen Rüstungsexporte an Saudi-Arabien oder an die Türkei aus. Auch Waffenexporte an Israel sehe ich wegen der Unterdrückung der Palästinenser und der imperialistischen Siedlungspolitik im Westjordanland kritisch. Würde sie aber bejahen, wenn Israel aufhörte Palästinenser durch jüdische Siedlungen zu vertreiben und wenn Israel versuchte, mit den Palästinensern einen Ausgleich zu finden.
Und die Ukraine? Auch dort war ich noch nie und habe mir nicht vor Ort ein Bild gemacht. Doch die Regierung scheint halbwegs demokratisch gewählt zu sein und in der Ostukraine greifen von Russland unterstützte Separatisten an. Da muss sich das Land verteidigen und braucht dafür auch Waffen.
Die Grünen, deren Mitglied ich bis 1998 war, hatten nie die Kraft, dies mutig zu diskutieren. Haben deswegen kein plausibles Sicherheits- und Verteidigungsprogramm. Sie brauchen sich allerdings nicht von Vertretern von Parteien nieder machen zu lassen, die Rüstungsexporte an Saudi-Arabien, an die Türkei und früher auch an den Irak gebilligt haben. Und die heute noch Rüstungsexporte mit dem Arbeitsplatzargument fordern.
Raimund Kamm
>> wenn Israel aufhörte Palästinenser durch jüdische Siedlungen zu vertreiben <<
Es gibt keine "jüdischen" Siedlungen im Gaza-Streifen.
>> Deswegen spreche ich mich gegen Rüstungsexporte an Saudi-Arabien oder an die Türkei aus. <<
Vielleicht sollten wir die Vielfalt der Lebensweisen auf der Welt akzeptieren? An Länder mit muslimisch geprägte Gesellschaften keine Waffen zu liefern ist doch im Grunde Rassismus, weil man damit in einem imperialistischen Akt deren Gestaltungshoheit in Frage stellt?
Die Verbotspartei ist ein Pool von extremen Ökos, gut verdienenden Juppies und Helikopter Eltern. Da ist keine Homogenität drinnen. Somit gibt es auch nicht wirklich ein gemeinsames Ziel.
Nun da Großteile der Industrie wegen der Energiewende bereits angeschossen sind. Kümmert man sich darum unsere Rüstungsindustrie Kaputt zu machen. Weiter so viel Spaß wünsche ich jeden Donauwörter, der mit der Wahl der Grünen Airbus Helikopter Arbeitsplätze gefährdet. Da hängt auch noch ein ganzer Rattenschwanz Mittelständler mit dran.