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Corona-Pandemie: Wie der Corona-Impfstoff in Europa verteilt werden soll

Corona-Pandemie

Wie der Corona-Impfstoff in Europa verteilt werden soll

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    Zwei Impfdosen sind nötig, um sich gegen eine Covid-19-Erkrankung zu schützen.
    Zwei Impfdosen sind nötig, um sich gegen eine Covid-19-Erkrankung zu schützen. Foto: Biontech

    Die Adresse der Firma Biontech, die den ersten Corona-Impfstoff auf den Markt bringen will, könnte passender nicht sein: Das Unternehmen hat seinen Sitz „An der Goldgrube“ in Mainz. Die Nachricht, dass Biontech in Zusammenarbeit mit dem US-Konzern Pfizer ein Präparat herstellen kann, das laut Tests zu 90 Prozent vor einer Erkrankung mit Covid-19 schützt, löste am Montag eine Art Goldgräberstimmung aus. Die entscheidende Frage am Tag danach: Wer bekommt denn nun den lange ersehnten Impfstoff? Und wie weit sind die Verträge der EU-Kommission mit den Herstellern tatsächlich?

    In Brüssel bemühte man sich, erst gar keine Diskussion darüber aufkommen zu lassen, der in Deutschland entwickelte Stoff könnte vorrangig den USA oder anderen Ländern zur Verfügung stehen. Genau davor hatte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn zuvor gewarnt. Die EU-Kommission war da offenbar bereits einen Schritt weiter. Schon an diesem Mittwoch will Präsidentin Ursula von der Leyen den Vertrag besiegeln, der den Staaten der Europäischen Union 200 Millionen Dosen des Impfstoffes und eine Option auf weitere 100 Millionen zusichert. Die Verteilung richtet sich nach dem Bevölkerungsanteil. Die Bundesrepublik hätte damit in der ersten Charge nur einen Anspruch auf rund 38 Millionen Dosen. Da zwei Spritzen für einen Impfschutz benötigt werden, könnten sich also zunächst nur etwa 19 Millionen Menschen impfen lassen.

    Um das Coronavirus auszubremsen, müssten 60 Prozent der Bürger immun sein

    Spahn hatte deutlich mehr gesicherte Dosen in Aussicht gestellt. Dieser vermeintliche Widerspruch erklärt sich damit, dass die EU auch große Kontingente bei anderen möglichen Herstellern reserviert hat. Allerdings sind diese in der Entwicklung eben noch nicht so weit wie Biontech und Pfizer.

    Die EU-Kommission hat die Verträge in den vergangenen Monaten im Sinne einer solidarischen Lösung für die ganze Gemeinschaft ausgehandelt, bezahlen muss jeder Mitgliedsstaat seinen Anteil an der Sammelbestellung aber selbst. Experten gehen davon aus, dass eine Impfdosis zwischen fünf und 20 Euro kosten wird. Dazu kommt allerdings noch der immense logistische Aufwand für den Transport und die Kühlung. Der Biontech-Impfstoff muss beispielsweise durchgängig auf minus 70 Grad tiefgefroren werden.

    Um die Pandemie wirksam einzudämmen, müssten nach Einschätzung von Experten mindestens 60 Prozent der Bürger immun gegen das Virus werden – sei es mithilfe einer Impfung oder weil ihr Körper durch eine durchlaufene Covid-Infektion genügend Antikörper aufgebaut hat. Ein 90-prozentiger Schutz läge im Übrigen deutlich über der Sicherheit, die eine Grippeimpfung bringt. Wie frühere Umfragen ergeben haben, will sich allerdings nur etwa die Hälfte der Deutschen überhaupt impfen lassen. Eine Impfpflicht steht nicht zur Debatte.

    Gesundheitsminister Spahn sieht „Licht am Ende des Tunnels“

    Für die erste große Welle könnten die vertraglich zugesicherten Mengen demnach reichen. „Wir gehen davon aus und sind auch damit angetreten, bis zu 100 Millionen Dosen für Deutschland zu sichern“, sagte Spahn. Er ist optimistisch, dass es schon im ersten Quartal kommenden Jahres einen fertigen und zugelassenen Impfstoff geben wird. Der Gesundheitsminister sprach vom „Licht am Ende des Tunnels“. Das Wissen, dass Herbst und Winter 2021 „deutlich besser“ werden könnten, gebe ihm Kraft. Forschungsministerin Anja Karliczek dämpfte die Euphorie. Noch handele es sich bei den Studien von Biontech „um Zwischenergebnisse, welche sich in weiteren Analysen und durch die Auswertung größerer Probandenzahlen noch bestätigen müssen“, sagte sie unserer Redaktion und fügte hinzu: „Ein Antrag auf Zulassung noch in diesem Jahr wäre ein ganz, ganz enormer Erfolg.“ Im Zulassungsverfahren gelten die üblichen Anforderungen, wie sie an jeden Impfstoff gestellt werden.

    Allerdings wird das Prozedere beschleunigt: Unternehmen müssen nicht abwarten, bis sie alle Dokumente zusammenhaben, sondern können diese nach und nach einreichen, sobald sie vorliegen. Für Deutschland und Europa gelten dabei andere Bestimmungen als in den USA. Der für das Thema Gesundheit zuständige Unionsfraktionsvize Georg Nüßlein sprach sich für ein abgestimmtes Vorgehen aus. „Ziel aller Beteiligten muss es sein, dass es keine deutlichen zeitlichen Unterschiede zwischen der amerikanischen und der europäischen Zulassung gibt – trotz unterschiedlicher Maßstäbe“, sagte der CSU-Politiker unserer Redaktion. Dies gelte gerade unter der Voraussetzung, „dass keine kritischen Nebenwirkungen zu erwarten sind, wie von Biontech und Pfizer übereinstimmend behauptet“.

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