
Ein chinesischer Angriff auf Taiwan wäre ein globaler Albtraum


China betrachtet Taiwan als abtrünnige Provinz. Doch Peking schreckt bisher der Preis für eine militärisch riskante Invasion. Für Europa wären die Folgen unkontrollierbar.
In Japan ist Harmonie ein Wert an sich. Offensichtlich hat dieses Streben nach Ausgleich auf das Treffen der G7-Staaten in Karuizawa ausgestrahlt: Die gemeinsame Warnung der Außenminister an Peking vor „Drohungen, Zwang und Einschüchterungen“ im Indopazifik und ganz konkret vor militärischer Gewalt gegen Taiwan war ungewohnt deutlich. Die Antwort aus China kam schnell und hart. Man verwahre sich gegen eine Einmischung in innere Angelegenheiten und sehe China „böswillig verleumdet und verunglimpft“.
Weit besser waren in Peking die beschwichtigenden Töne von Emmanuel Macron bei seinem China-Besuch angekommen. Der französische Präsident hatte gefordert, dass man sich von den USA nicht in einen Konflikt treiben lassen dürfe, der nicht Europas Konflikt sei. Macron Auftritt war nicht zuletzt in Deutschland als Schwächung der EU-Position kritisiert worden, sich vorbehaltlos für die Unabhängigkeit des demokratischen Inselstaates einzusetzen.
Der russische Überfall auf die Ukraine hat den taiwanesischen Widerstandsgeist angestachelt
„Der Umstand, dass das Thema Taiwan zuletzt wieder so an die Oberfläche gespült wurde, schützt die Insel eher, als es sie schwächt“, sagt die Asien-Expertin, May-Britt Stumbaum, im Gespräch mit unserer Redaktion. Die Eingliederung Taiwans sei aus Sicht der chinesischen KP beschlossene Sache. „Die Frage für Peking ist nur, wie hoch der Preis dafür ist und wie das machbar ist“, erklärt die Wissenschaftlerin, die am Center for Intelligence and Security Studies (CISS) der Universität der Bundeswehr München tätig ist. Die Hoffnung des chinesischen Machthabers Xi Jinping, die vorgelagerte Insel im Schatten des Ukraine-Krieges für einen Anschluss an das Festland psychologisch sturmreif zu schießen, haben sich nicht erfüllt. Im Gegenteil. Der Überfall auf die Ukraine hat den Widerstandsgeist eher angestachelt. Hinzu kommt, dass Staaten in der Region wie Indonesien, Japan oder Singapur unmissverständlich klargemacht haben, dass sie einen Angriff nicht unbeantwortet lassen würden.
„Bis zum russischen Einmarsch haben viele Taiwaner nicht daran geglaubt, dass es einen chinesischen Angriff geben könnte. Das hat sich geändert. Jetzt ist angekommen, dass die Gefahr reell ist. Die Wehrpflicht wurde von vier auf zwölf Monate erhöht“, sagt Stumbaum, die einige Zeit auf der Insel lebte. „Schon 2015 zeigte sich, wie Hongkong kurzerhand eingemeindet wurde und wie das Prinzip ,ein Land, zwei Systeme’ nicht aufrechterhalten wurde. Das gab viel Schwung für die weitere Entwicklung eines taiwanesischen Nationalgefühls.“ Die Wissenschaftlerin verweist auf eine aktuelle Umfrage, wonach lediglich 1,3 Prozent der Bevölkerung Taiwans für eine Vereinigung mit der Volksrepublik sind. Eine große Mehrheit kann mit dem Status quo gut leben – also einer faktischen Unabhängigkeit, obwohl die Inseldemokratie als eigenständige Nation formal weltweit nur von einigen wenigen Staaten anerkannt wird.

Xi Jinping hat gedroht, das wirtschaftlich moderne und exportstarke Taiwan mit Gewalt in sein Riesenreich zu zwingen. Doch eine Invasion birgt nicht nur die Gefahr einschneidender Sanktionen, sie gilt auch militärisch als anspruchsvoll: „Im Falle eines chinesischen Angriffs wird es für Taiwan um die ersten Stunden und Tage gehen. Ein Landungsmanöver der Marine ist mit einem hohen Risiko verbunden. Schwierig wird es für die chinesischen Truppen, wenn sich die taiwanesischen Streitkräfte in den Bergen verschanzen.“ Allerdings könne China – wie auch Russland im Ukraine-Krieg – einen viel höheren Blutzoll in Kauf nehmen als der Gegner. „Gleichzeitig verfügen ihre Streitkräfte über keine Kriegserfahrung“, schränkt Stumbaum ein. Taipeh hoffe, dass die USA im Angriffsfall direkt militärisch eingreifen würden, wie es Präsident Joe Biden mehrfach angedeutet habe.
Der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter hält es dennoch für sehr wahrscheinlich, dass ein chinesischer Angriff nur eine Frage der Zeit ist. „Vier oder fünf Jahre“ könne es noch dauern, schätzt der Experte, der einen engen Schulterschluss Europas mit den USA fordert, um Peking rechtzeitig in die Schranken zu weisen.
Asien-Expertin May-Britt Stumbaum fordert mehr Realismus von der europäischen Politik
Auf solche Prognosen will sich May-Britt Stumbaum nicht einlassen. Es sei vielmehr wichtig, dass westliche Politiker durch Kontakte, durch Warnungen an Peking wie bei dem G7-Treffen und auch durch militärische Präsenz in der Region den Druck auf Peking erhöhen. „In der US-Politik geht es um effektive Exportkontrollen – vor allem im Mikrochip-Segment – und die Eindämmung von Technologieabflüssen nach China. Da ist die Politik in Europa noch zu naiv.“ Schließlich habe gerade Europa viel zu verlieren, denn „eine Invasion würde nicht nur bedeuten, dass das Recht des Stärkeren gilt und sich die internationale Ordnung noch weiter verschiebt, sondern auch, dass auch bei uns dann Teile der Produktion und des Handels zusammenbrechen würden“.
Die Diskussion ist geschlossen.
An alle hier schon hier jetzt schon wieder einen Angriffskrieg rechtfertigenden Kommentierer:
Die Menschen in Taiwan haben selbstverständlich das SELBSTBESTIMMUNGSRECHT und das SELBSTVERTEIDIGUNGSRECHT!
Internationale Solidarität verlangt, dies anzuerkennen und die Menschen in Taiwan zu unterstützen.
Raimund Kamm
1. Taiwan ist kein selbständiger von den UN anerkannter Staat.
2. Die meisten Länder, darunter auch die USA und die BRD haben schon immer das "ein China" System vertreten, wonach Taiwan Teil Chinas ist.
3. Die USA zündeln nun, wollen Taiwan aufrüsten und den seit Jahrzehnten bestehenden Schwebe Zustand ändern. Dadurch wird China praktisch zu einem militärischen Vorgehen gezwungen, um keine Fakten schaffen zu lassen.
4. Taiwan ist faktisch schon lange autonom wie ein eigenständiger Staat . Die Situation
ist brandgefährlich. Denn anders als mit der Ukraine würde ein Krieg weltweit alles zum Stillstand bringen. Relevante IT Produkte kommen aus Taiwan. Die Mengen können nicht kurzfristig anderweitig produziert werden.
Es bahnt sich ein gefährlicher und hochpreisiger Showdown an, wenn keine diplomatische Lösung gefunden wird, die alle Seiten zufrieden stellt.
Letztlich könnte China ohne Weiteres Taiwan militärisch besiegen. Die USA haben dem in der Region nicht genug entgegen zu setzen. China hat praktisch alles Militär direkt vor Ort. Aber China weiß auch, dass ein Angriff einen politischen und wirtschaftlichen Verlust bedeutet.
Die USA zündeln nicht. Taiwan rüstet sich schon lange auf. Japan ebenfalls. Die USA haben in den letzten Jahren dort verstärkt ihre Militärpräsenz aufgebaut, da die VR China militärisch stark aufrüstet und auch die Drohungen gegen Taiwan verstärkt haben.
Es ist eher umgekehrt. Die USA und andere Staaten in der Region rüsten auf, weil die VR China aufrüstet und auch abseits von Taiwan immer mehr Fakten schafft / schaffen will. Siehe auch die ganzen aufgeschütteten Inseln weit weg vom chinesischen Festland und Seegebiete vor den Küsten anderer Länder (Vietnam, Philippienen, Indonesien, ...) zu China erklärt und beispielsweise einheimische Fischer usw. gewaltsam verjagt.
China betreibt weltweit (Europa, Afrika, Asien) eine immer zunehmendere aggressive Außenpolitik, die Teilweise einem Kolonialismus gleicht. Sri Lanke beispielsweise ist praktisch eine chinesische Kolonie. Sei es wirtschaftlich und nun auch immer mehr militärisch.
Ansonsten stimme ich Ihnen zu.
Insbesondere zu den fatalen Auswirkungen auf die Weltwirtschaft und auch unsere Wirtschaft bei einem Angriff der VR China auf Taiwan.
Ich möchte der Aussage entgegentreten, dass die USA nicht zündeln. Die USA zündeln überall, nicht nur im Taiwan-Konflikt.
Und wenn schon geschrieben wird, dass Taiwan schon lange aufrüstet, dann darf die Frage gestellt werden mit welchen Waffen denn? Und wenn man schon schreibt, dass von den USA nur aufgerüstet wird, weil die VR China aufrüstet, dann sollte man doch einmal nachsehen, welche Staaten am meisten Geld für das Militär ausgeben. Auf Platz 1, mit weitem Vorsprung, die USA. Dann die VR China, mit ungefähr einem Drittel der Militärausgaben der USA. Also bitte bei den Fakten bleiben, oder wenn man schon gar keine Ahnung hat, nicht einfach irgend etwas schreiben.
So ist es Herr @Nödel. Einige sehen die USA eben immer noch mit verklärten Augen. VietNam und den Irak, nur 2 Beispiele, hat es vermutlich nie gegeben. :) Wenn der Besuch von Pelosi in Taiwan keine bewusste Provokation/Zündelei war - dann weiß ich auch nicht.
Wäre interessant ob die Europäer, insbesondere die EU, weiter fortführen sich ins eigene Fleisch zu schneiden. Irgendwann wird der daraus folgende Blutverlust zu hoch sein. Die USA haben zwar Blutkonserven, aber auch diese Menge dürfte endlich sein.