Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

CSU-Fraktionschef Klaus Holetschek reiste nach Israel

Das Gelände des Supernova-Festivals in Israel ist heute ein Gedenkort. 364 vor allem junge Menschen starben hier.
Foto: Sarah Ritschel
Nahost-Konflikt

Wo sie einmal tanzten: So hat der „Schwarze Samstag“ Israel verändert

    • |
    • |
    • |

    Die gelben Schleifen und Fähnchen sind überall. Zeichen der Solidarität und der Hoffnung, dass die Geiseln zurückkehren mögen. Sie prangen auf den Werbetafeln, auf denen sonst der koschere McDonald‘s seine Burger präsentiert. An den Laternenmasten der Schnellstraße. An der Navi-Halterung des Busfahrers, der Besucherinnen und Besucher zum Gelände des Supernova-Festivals bringt. Es ist der Ort, an dem die Hamas am 7. Oktober 2023 junge Menschen getötet hat, die mit Freunden zu ihrer Lieblingsmusik tanzten. Etwa zwei Stunden Fahrt sind es von Jerusalem aus, rundherum nur weites Land, ein kleiner Laubwald. Ein perfekter Ort für ein Festival. In der Mitte des Geländes steht noch ein Pavillon mit einem Zeltdach in Regenbogenfarben, am Rand der Tanzfläche ein kleines DJ-Pult. Der Technoproduzent Kigo trat hier auf. Er starb, als die Raketen der Hamas einschlugen, als die Terroristen das gesamte Gelände einnahmen, Frauen vergewaltigten, plünderten, 364 Festivalbesucher getötet haben. Kigos Musik kann man heute noch auf dem Festivalareal hören – über einen QR-Code am DJ-Pult. Es ist der Soundtrack für den „Schwarzen Samstag“, so nennt man in Israel jenen 7. Oktober.

    Hunderte Stelen aus Metall sind hier aufgestellt, auf jeder das Foto eines Opfers, in kleinen Texten teilen Familien und Freunde ihre schönen Erlebnisse. Am Fuß jeder Stele liegen Erinnerungsstücke: eine Gitarre, ein Cap, Fußballschals, immer wieder selbstgebastelte Herzen und kleine Israelflaggen.

    CSU-Fraktionschef Klaus Holetschek hat mit dem bayerischen Beauftragten gegen Antisemitismus, Ludwig Spaenle, den Ort des Massakers besucht.
    CSU-Fraktionschef Klaus Holetschek hat mit dem bayerischen Beauftragten gegen Antisemitismus, Ludwig Spaenle, den Ort des Massakers besucht. Foto: CSU-Fraktion im Bayerischen Landtag

    Nach und nach ist der Ort zu einer Gedenkstätte geworden. Viel los ist an diesem frühen Morgen nicht. „Es ist alles noch zu frisch“, sagt eine Jüdin, die selbst lange mit sich haderte, ob sie wirklich herkommen sollte. Sie begleitet eine Besuchergruppe aus Bayern, eine CSU-Delegation aus dem Landtag. Leiter der Gruppe ist CSU-Fraktionschef Klaus Holetschek. Er steht in einem Feld roter Windröschen aus Ton, tausende Freiwillige haben sie im Gedenken an die Opfer des „Schwarzen Samstags“ und an die gefallenen israelischen Soldaten gestaltet. „Warum war dieser Hass so groß?“, fragt Holetschek in die Stille hinein. „Im Handeln der Terroristen war nichts Menschliches mehr. Die Leute hier wurden förmlich hingerichtet. Für Generationen von Jüdinnen und Juden reißt hier die tiefe Wunde des Holocaust wieder neu auf. Gerade für die Jungen ist sie präsenter als je zuvor.“

    Der CSU-Politiker ist mit dem Beauftragten gegen Antisemitismus, Ludwig Spaenle, nach Israel gekommen. Sie wollen zeigen: „Wir stehen unverbrüchlich an der Seite Israels.“ In vielen Gesprächen sagen sie während der dreitägigen Reise diesen Satz, oft verknüpft damit, dass es im Krieg Israels mit der Hamas „keine Täter-Opfer-Umkehr geben darf“. Sie meinen den israelbezogenen Antisemitismus, der sich nach dem Blutbad der Islamisten und dem darauffolgende Bombardement und Einmarsch Israels im Gazastreifen im Internet, auf Pro-Palästina-Demos und in wachsender Kriminalität gegenüber Jüdinnen und Juden auch in Bayern zeigt. Israel töte gezielt palästinensische Kinder, die Armee nutze den Hamas-Angriff als Vorwand, um einen Genozid im Gazastreifen zu begehen: Solche Behauptungen verbreiteten sich nach dem 7. Oktober im Netz rasend schnell. Durch pro-palästinensische Protestcamps an deutschen Universitäten schallte die Parole: „From the river to the sea – Palestine must be free.“ Eine Formulierung, die dem Staat Israel das Existenzrecht abspricht. Die Delegation aus Bayern stellt sich all dem klar entgegen: „Die Dämonisierung Israels muss aufhören“, sagt Spaenle. Wir müssen ein Signal gegen diese Propaganda setzen.“ Israel habe das Recht, sich zu verteidigen, bekräftigt Holetschek.

    Der Kibbuz am Grenzzaun ist bis heute nicht bewohnbar

    Der Internationale Gerichtshof für Menschenrechte wirft sowohl Israels Staatschef Benjamin Netanjahu als auch der Hamas Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor. Als im November gegen Netanjahu ein internationaler Haftbefehl verhängt wurde, warf sein Büro dem Gericht eine „antisemitische Entscheidung“ vor.  Deutschlands künftiger Kanzler Friedrich Merz (CDU) hat schon angekündigt, Netanjahu trotz des Haftbefehls nach Deutschland einzuladen. Holetschek findet das richtig.

    Nur ein paar Kilometer vom Festival-Ort entfernt liegt der Kibbuz Kfar Aza. Man passiert den Kontrollposten auf der Zufahrtsstraße, im Ort wartet Arye Sharuz Shalicar in seiner olivgrünen Uniform. Er ist der Sprecher der israelischen Streitkräfte. Rund um die hingewürfelten Bungalows wächst der Rosmarin in Büschen, gelbe Butterblumen blühen. „960 Menschen wohnten hier. 64 wurden ermordet, 19 entführt“, sagt Shalicar. 17 Verschleppte aus Kfar Aza seien im Austausch mit palästinensischen Häftlingen mittlerweile freigekommen, ein Brüderpaar ist weiter im Gazastreifen verschollen.

    Der Sprecher der israelischen Streitkräfte sagt: „Wir haben es nicht kommen sehen“

    Man kann von hier aus hinüberschauen nach Gaza. Nur 1,7 Kilometer Grasland liegen zwischen dem Kibbuz und dem Schlachtfeld. Obwohl gerade ein brüchiger Waffenstillstand herrscht, liegt eine Rauchwolke über Gaza-Stadt, hin und wieder dringt ein dumpfer Knall herüber. Die Zerstörung, die man von Luftaufnahmen der zerbombten Millionenstadt kennt, von hier aus sieht man sie nicht. Nur eine Skyline aus Hochhäusern, sie könnten intakt sein oder Gerippe.

    Die Terroristen kamen an jenem „Schwarzen Samstag“ über den Grenzzaun in den ihnen verhassten jüdischen Staat. Den Juden Nizzan Libstein töteten sie in seinem Häuschen. Die Wände sind von Einschusslöchern durchsiebt und ausgeräuchert. Im geschmolzenen Zahnputzbecher auf dem Waschbecken steht noch die Zahnpasta von Colgate. Ein kleines Banner am Hauseingang erinnert an Nizzan Libstein. Man weiß nicht, wer es angebracht hat, kann auch niemanden fragen. Der Kibbuz wurde nach dem Massaker evakuiert.

    Armeesprecher Shalicar ist selbstkritsch. Man habe den Angriff der Hamas nicht vorhergesehen, sagt er, Hinweise vielleicht nicht ernst genug genommen. „Wir waren davon ausgegangen, dass die Hamas abgeschreckt ist. Warum sollten sie uns angreifen, haben wir gedacht.“ Jetzt sei die Sorge in Israel groß: „Wenn wir die Hamas nicht haben kommen sehen, haben wir den Iran vollkommen im Blick?“ Das dortige Mullah-Regime gilt als wichtigster Unterstützer der palästinensischen Terrororganisation und als mächtiger Feind Israels.

    Shalicar ist in Berlin geboren, lebt seit fast 24 Jahren in Israel. Was er sich von Deutschland und der EU erhofft? „Zwei Dinge: mehr Solidarität des demokratischen Westens zugunsten meines Landes. Auch in Europa gibt es Staaten, die eine Täter-Opfer-Umkehr auf ganz hohem Level betreiben. Und ich wünsche mir, dass UNRWA gestoppt wird.“ UNRWA ist das Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten. Es leistet humanitäre Hilfe, soll in Gaza jungen Menschen Bildung fernab der Hamas-Propaganda vermitteln, die zivile Infrastruktur so gut es geht aufrechterhalten. UNRWA hat 30.000 Mitarbeitende, 13.000 davon in dem Küstenstreifen. Trotzdem ist die Organisation umstritten. Israel wirft ihr vor, von der Hamas unterwandert zu sein. Die UN sieht nach einer externen Untersuchung keine Hinweise darauf, dass Mitarbeitende an terroristischen Aktionen beteiligt waren, räumt aber Probleme mit der politischen Neutralität mancher Angestellter ein.

    Hilfsorganisation UNRWA: Umstritten und doch gebraucht

    Das deutsche Außenministerium hält als einer der größten Geldgeber bisher an der Mitfinanzierung des Hilfswerks fest. Es kümmert sich um mehrere Millionen Geflüchtete innerhalb des Gazastreifens, organisiert etwa Nahrungslieferungen, betreibt Schulen und Gesundheitszentren. „Keine andere Stelle verfügt derzeit über die Kapazitäten oder die Infrastruktur, um das Mandat und die Erfahrung von UNRWA zu ersetzen“, hieß es zuletzt aus mehreren europäischen Außenministerien, auch dem deutschen. „Das ist eine Lüge“, sagt Armeesprecher Shalicar.

    Arye Sharuz Shalicar führt die Delegation um Klaus Holetschek durch den zerstörten Kibbuz.
    Arye Sharuz Shalicar führt die Delegation um Klaus Holetschek durch den zerstörten Kibbuz. Foto: CSU-Fraktion im Bayerischen Landtag

    Die CSU-Delegation steht auch in diesem Fall klar auf der Seite Israels. Holetschek betont das hier am Grenzzaun. Er sagt es im Gespräch mit der stellvertretenden Parlamentspräsidentin Orit Farkash-Hacohen in der Knesset, dem israelischen Parlament in Jerusalem. Er betont es gegenüber Mickey Levy, dem Vorsitzenden der Israelisch-Deutschen Parlamentariergruppe, er schickt es als die Botschaft nach Deutschland: „Niemand zweifelt daran, dass humanitäre Hilfe nötig ist. Aber es darf keine indirekte deutsche Finanzierung des Hamas-Terrors geben“, sagt der Fraktionschef. „Wir müssen die Gelder an UNRWA einfrieren, andere Wege für humanitäre Unterstützung im Gazastreifen finden.“ Er deutet an, dass die neue Bundesregierung eine andere Meinung zu dem Hilfswerk vertreten werde als die Ampel unter Außenministerin Baerbock. Aktuell hat Israel die Grenzen nach Gaza für internationale Hilfstransporte dichtgemacht.

    Der deutsche Botschafter in Tel Aviv, Steffen Seibert, kritisiert diesen Stopp der Hilfslieferungen. „Das steht nach unserer Überzeugung nicht im Einklang mit Israels völkerrechtlichen Verpflichtungen, sagte er der Rheinischen Post vom Freitag. Er warnt davor, die Bevölkerung des Küstenstreifens mit der Hamas gleichzusetzen. „Es kann nicht richtig sein, die notleidende Bevölkerung von Gaza pauschal den Preis für die entsetzlichen Verbrechen der Hamas bezahlen zu lassen“, so Seibert.

    Knapp zwei Kilometer entfernt von dem Ort, wo palästinensische Menschen hungern, führt Armeesprecher Arye Shalicar die Reisegruppe durch die Straßen, durch die im Oktober 2023 drei Tage lang das Blut der Bewohnerinnen und Bewohner floss. Am Wegesrand liegt Kinderspielzeug, komplett in gelbe Farbe getaucht, die in Israel die Farbe der Hoffnung geworden ist.

    Die Hamas hat aus der Freilassung der lebenden Geiseln eine Inszenierung gemacht. Und aus der Übergabe der Toten ebenso.
    Die Hamas hat aus der Freilassung der lebenden Geiseln eine Inszenierung gemacht. Und aus der Übergabe der Toten ebenso. Foto: Jehad Alshrafi, AP/dpa

    24 Geiseln und 35 Leichen hält die Terrorgruppe nach israelischen Informationen noch im Gazastreifen fest. Auf den Smartphones der bayerischen Delegation ploppen die Nachrichten auf, dass die Verhandlungen über eine Verlängerung des Waffenstillstands stocken. Dass es in der Hafenstadt Haifa einen neuen Terroranschlag gab. Tags darauf werden die arabischen Staaten einen Friedensplan vorschlagen. US-Präsident Donald Trump wird der Hamas eine „letzte Warnung“ schicken, alle Geiseln herauszugeben. Und die Hamas wird mit deren Ermordung drohen.

    Die Jüdinnen und Juden in Israel weigern sich trotzdem, die Hoffnung aufzugeben. Im Kibbuz Kfar Aza pflanzt eine Jugendgruppe neue Setzlinge. Und die Überlebenden des Supernova-Festivals haben einen Satz geprägt: „Wir werden wieder tanzen.“

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare

    Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.

    Registrieren sie sich

    Sie haben ein Konto? Hier anmelden