Es gilt das gebrochene Wort. Die Bundestagswahl ist gerade einmal vier Monate her. Genug Zeit aber für Friedrich Merz und dessen Regierung, ein Wahlversprechen nach dem anderen zu brechen. Erst vollzog der Kanzler eine spektakuläre Kehrtwende in Sachen Schuldenbremse, dann kassierte Finanzminister Lars Klingbeil die versprochene Senkung der Stromsteuer für die Bürgerinnen und Bürger. Und die Erhöhung der Mütterrente soll einfach mal zwei Jahre später kommen als angekündigt.
Bestseller Koalitionsvertrag? Markus Söder kann nur hoffen, dass er falsch lag
CSU-Chef Markus Söder kann nur hoffen, dass sich seine Prognose, der Koalitionsvertrag werde zu einem Bestseller, nicht erfüllt hat. Denn darin kann jeder nachlesen, dass einige Beschlüsse das Papier nicht wert waren, auf dem sie gedruckt wurden. Dem Kanzler könnte die dreiste Wählertäuschung schon bald auf die Füße fallen, sobald sich der außenpolitische Rauch, der seine ersten Wochen im Amt überzog, erst einmal lichtet. Zumal mit der Wende in der Migrationspolitik ja noch ein weiteres zentrales Versprechen auf zumindest rechtlich wackeligen Säulen steht.
Dass Union und SPD ausgerechnet beim Strompreis nicht liefern, wird am schwersten wiegen. Einfach so im Vorbeigehen eine Entlastung zu streichen, die alle Deutschen auf dem eigenen Konto gespürt hätten und die angesichts der hohen Preise im internationalen Vergleich auch dringend nötig gewesen wäre, gleicht einem politischen Himmelfahrtskommando. Die lapidare Erklärung von Wirtschaftsministerin Katherina Reiche, hier treffe „sozusagen Koalitionsvertrag auf finanzielle Möglichkeit und Wirklichkeit“, ist auch kommunikativ ein Desaster.
Schon lange reden Populisten den Bürgerinnen und Bürgern ein, dass für alles Geld da sei, nur eben nicht für ihre ganz konkreten Bedürfnisse und Nöte. Mit der Entscheidung, die Unternehmen steuerlich besser zu stellen als die privaten Verbraucher, gibt die Regierung dieser Empörungsindustrie neuen Zunder, selbst dann, wenn zumindest die geplante Senkung der Netzentgelte wirklich allen zugutekommen sollte.
Bei Mütterrente und Stromsteuer geht es auch um Wertschätzung
Selbes gilt für die Erhöhung der Mütterrente um monatlich 20 Euro für jedes Kind, das vor 1992 geboren wurde. Statt Anfang 2026 soll dieses Versprechen erst zwei Jahre später eingelöst werden. So makaber das klingen mag: Viele Frauen werden das gar nicht mehr erleben. Dass die Deutsche Rentenversicherung es vorher angeblich organisatorisch nicht hinbekommt, ist eine Bankrotterklärung. Wie gleichgültig Schwarz-Rot dieses Desaster hinzunehmen scheint, zeigt aber auch, dass die Prioritäten woanders liegen.
Bei beiden Themen – Mütterrente, wie Stromsteuer – geht es eben nicht nur um ein paar Euro mehr oder weniger im Monat, obwohl das bei Menschen mit geringem Einkommen durchaus eine Rolle spielt. Es geht mindestens genauso sehr um das bittere Gefühl fehlender Wertschätzung.
Woran Friedrich Merz am Ende wirklich gemessen wird
Wenn die Menschen nicht im Alltag erleben, dass die Regierung etwas für sie verbessert, dann werden sie kein neues Vertrauen fassen, dass dieser Staat noch funktioniert und ihre Stimme am Wahltag Gewicht hat. Derzeit profitiert Friedrich Merz davon, dass er auf außenpolitischem Terrain eine souveräne Figur abgibt. Deutschland ist zurück auf der Weltbühne. Die Zeiten des Herumlavierens à la Olaf Scholz scheinen vorbei zu sein. Das ist gut und wichtig, erst recht in diesen Tagen, in denen es in Israel und der Ukraine spitz auf Knopf steht und US-Präsident Donald Trump die westlichen Partner vorführt. Gemessen wird der Bundeskanzler am Ende aber daran, ob er die Wirtschaft wieder in Schwung bringt und vor allem, ob die Menschen im Land neue Zuversicht und Zufriedenheit schöpfen. Gebrochene Wahlversprechen erzeugen das Gegenteil.
1. Die meisten Unternehmen sollen bei den Stromkosten NICHT entlastet werden. Nur viel stromverbrauchende Betriebe al a Lechstahlwerke und Chemiefabriken. Nicht die Bäckerei oder ein mittelständischer Kunststoffverarbeiter wie Ritter in Schwabmünchen. 2. Die Stromkosten sind hoch, weil die CSU durchgedrückt hat, dass die neuen Nord-Süd-Stromleitungen als Kabel und nicht als Freileitungen gebaut werden. Das kostet Milliarden zusätzlich. Zugleich hat man den Ausbau der billigen Solar- und Windkraft torpediert. Die können in neuen Anlagen den Strom für 6 - 10 Cent je Kilowattstunde erzeugen. 3. Eigentlich konnte jeder Wähler wissen, dass das CDU/CSU-Programm „Keine zusätzlichen neuen Schulden, viel höhere Verteidigungsausgaben und Wahlgeschenke für die Bauern (Agrardiesel) und die Pendler usw. unseriös war. Und dass Merz & Söder nicht die Wahrheit sagten. Raimund Kamm
"Die Stromkosten sind hoch, weil die CSU durchgedrückt hat, dass die neuen Nord-Süd-Stromleitungen als Kabel und nicht als Freileitungen gebaut werden."- (24.06.2024) www.deutschlandfunk.de/einige-bundeslaender-fordern-umschwenken-auf-freileitungen-statt-erdkabel-100.html - "Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen warnten vor dem Kurswechsel – wegen einer fehlenden Akzeptanz der Bevölkerung und drohenden Verzögerungen beim Ausbau. Auch Bundeswirtschaftsminister Habeck sieht den Verzicht auf Erdleitungen kritisch."Herr Kamm, bitte unterlassen Sie Ihre fehlerhafte Darstellung und die damit verbundene Schuldzuweisung gegen die CSU. Bayern braucht dank des herausragenden Stromnetzes aus Zeiten mit Atomkraft nur sehr wenige neue Stromleitungen - der heute erforderliche Ausbau findet überwiegend außerhalb Bayerns statt.
Warum aufregen, die derzeitige Regierung hat die Qualität der erloschenen Ampel.
Herr Leonhard, sie haben das Geschehen wohl nicht mitverfolgt. Die Unternehmen werden sehr wohl bei der Stromsteuer entlastet, nur der kleine Mann halt nicht, wie versprochen. Außerdem ist auch sonst kein Geld für Steuerzahler da, sondern nur schier unendlich viele Milliarden für die Rüstungsindustrie. Also der Merz sorgt schon für die Seinen. Und Frau Bas dafür, dass das Gießkannenprinzip Bürgergeld entgegen der Versprechungen unverändert weiter geführt wird. Im Westen nichts neues. ich befürchte nur dass nach dieser weiteren Vera...hung der Wählervolks die nächste Wahl nicht gut für die Demaokratie ausgeht
Die Regierung macht dies deshalb, weil sie weiß, dass die Wähler in Deutschland einzigartig auf der Welt sind. Am Wahltag sagen sie sich: Also wir sind zwar letztes mal betrogen worden, aber einmal, ein letztes mal wähle ich sie noch............und dies wiederholt sich bei jeder Wahl!
Glaube ich nicht - das bedeutet wieder mehr Wähler für die AfD - leider :-(
Alle Bundestagswahl wieder... Märchenbücher der Politiker gekennzeichnet als "Wahlprogramm"
Und da wundert man sich über Politikverdrossenheit?????
Gibts doch de facto nicht - auch wenns zum Standardbegriff in gewissen Situationen wurde. So lange es eine Wahlbeteiligung bei Bundestagswahlen von 70% + gibt - ist nix besonders verdrossen.
Hauptsache, die CSU bekommt jetzt ihre Erhöhung der Pendlerpauschale und die Steuervergünstigungen für Bauern und Gastronomie. Die Entlastung der produzierenden Unternehmen ist nicht so dringend.
Und täglich(monatlich. jährlich) grüßt das Murmeltier - gibt es denn tatsächlich noch Wähler, die Wahlversprechen für bare Münze nehmen? Anscheinend schon.
Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.
Registrieren sie sichSie haben ein Konto? Hier anmelden