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Familie: Alleinerziehende sind am stärksten von Armut betroffen

Familie

Alleinerziehende sind am stärksten von Armut betroffen

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    Frauen, die ihr Kind allein großziehen, sind besonders häufig von Armut betroffen.
    Frauen, die ihr Kind allein großziehen, sind besonders häufig von Armut betroffen. Foto: Julian Stratenschulte, dpa

    Täglicher Verzicht, kein Urlaub, keine Rücklagen, weniger Teilhabe am gesellschaftlichen Leben: Armut trifft nach wie vor besonders alleinerziehende Familien. Nach einer neuen Studie der Bertelsmann-Stiftung sind vier von zehn alleinerziehenden Familien armutsgefährdet – obwohl die meisten dieser Eltern arbeiten. Und die Zahl der Alleinerziehenden steigt: im vergangenen Jahr kletterte sie auf 1,7 Millionen. Zum Vergleich: 2021 waren es noch 1,5 Millionen. Das habe auch mit dem Zuzug von ukrainischen Geflüchteten und den Auswirkungen der Coronapandemie zu tun, erklärt Sarah Menne, Expertin für Familienpolitik und Mitverfasserin der Studie. Unter allen 8,5 Millionen Familien deutschlandweit mit Kindern unter 18 Jahren machten alleinerziehende Familien etwa 20 Prozent aus.

    Betreuungskrise trifft Alleinerziehende besonders hart

    „Wir sehen, dass in der Coronakrise und danach insbesondere die Erwerbstätigkeit von Alleinerziehenden mit Kindern im Grundschul- und Kita-Alter zurückgegangen ist“, berichtet Menne. Die Betreuungskrise habe Alleinerziehende hart getroffen. Vor allem Mütter: Acht von zehn Alleinerziehenden sind Frauen. Die Studie zeigt auch, dass alleinerziehende Väter eher mit älteren und weniger Kindern zusammenleben und deutlich besser abgesichert sind. Frauen müssten fast dreimal so oft Sozialleistungen beantragen, wenngleich 71 Prozent von ihnen arbeiten. Das hat nach Einschätzung von Menne damit zu tun, dass Frauen häufiger häusliche Arbeit leisteten, Erwerbsunterbrechungen hinnähmen, in Teilzeit arbeiteten: „Wenn es zu einer Trennung kommt, haben sie einfach eine schlechtere finanzielle Ausgangslage, als Väter sie oft haben.“

    Zur finanziell schwierigen Situation tragen in hohem Maß zudem ausfallende Unterhaltszahlungen bei - nur etwa die Hälfe der Alleinerziehenden erhalten für die Kinder regelmäßigen und vollständigen Unterhalt, alternativ muss der Staat mit einem Unterhaltsvorschuss einspringen. Etwa ein Drittel aller Kinder in alleinerziehenden Familien erhalten diese Leistung vom Staat.

    Süßmuth: "Wir brauchen sichtbare Zeichen für die Bedürftigsten"

    Die frühere Familienministerin Rita Süßmuth (CDU) warnt davor, das Thema kleinzureden. „Wir beklagen die niedrige Geburtenrate, die Deutschland hat, und schauen zugleich zu, wie in unserer wohlhabenden Welt die Ungleichheit und die Armut wachsen“, sagt sie im Gespräch mit unserer Redaktion. „Hier muss etwas geschehen, wir brauchen sichtbare Zeichen für die Bedürftigsten.“ Auch mit Blick auf die mittelfristigen Folgen: Immer wieder zeige sich, dass Herkunft entscheidend sei für die Bildungschancen von Heranwachsenden

    Ob das politische Instrument am Ende die von der Ampel-Koalition diskutierte Kindergrundsicherung oder etwas anderes sei, sei zweitranging. „Aber es muss eine echte Hilfe sein, die die Ungerechtigkeit mildert und Frauen, aber auch die Kinder ermutigt, am Leben aktiv teilzunehmen“, sagt Süßmuth. „Es geht darum, ein bisschen mehr Gerechtigkeit in die Welt zu bringen.“

    "Nicht tragfähig": Kritik an der geplanten Kindergrundsicherung

    Familienministerin Lisa Paus (Grüne) will mit der geplanten Kindergrundsicherung auch Alleinerziehende besser unterstützen. Ob das Gesetz so kommt, ist allerdings offen. Der aktuelle Entwurf sei in seiner jetzigen Fassung "nicht tragfähig", kritisierte etwa SPD-Fraktionsvize Sönke Rix. Auch Studienautorin Menne sieht den Entwurf kritisch. Der sei zwar ein wichtiger Schritt, weil das System vereinfacht und Leistungen gebündelt würden. Er orientiere sich aktuell aber zu wenig an den Bedarfen von Kindern und Jugendlichen. "Solange das fehlt, wird die Kindergrundsicherung in der jetzigen Form Armut nicht vermeiden können", bemängelt die Expertin.

    So enthalte die aktuelle Kindergrundsicherung etwa Arbeitsanreize für Alleinerziehende und berücksichtige nicht, dass diese oft arbeiten wollten, es aus verschiedenen Gründen aber nicht könnten. Auch in den Reformen des Unterhaltsrechtes sieht Menne Probleme: "Es kann nicht sein, dass nur nach einer Trennung Anreize geschaffen werden, dass Mütter sofort wieder erwerbstätig werden können, wenn während der Ehe durch das Ehegattensplitting ungleiche Erwerbstätigkeit gefördert wird, Betreuungsplätze fehlen und sie einen unflexiblen Arbeitsmarkt vorfinden." Verbesserungen für Alleinerziehende müssten weiter vorne ansetzen. "Da muss die Politik dringend nachbessern, weil wir sonst Gefahr laufen, eine noch höhere Armutsbetroffenheit zu haben."

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