Zwei Sitzungstage gibt es mit dem alten Bundestag noch, bevor am 23. Februar in Deutschland ein neuer gewählt wird. Kommenden Montag und Dienstag reisen die Abgeordneten dafür nach Berlin und die FDP will das nutzen, um über einen „Migrationspakt der Mitte“ abstimmen zu lassen. Es ist der Versuch der Liberalen, nach dem chaotischen Ablauf bei der Abstimmung über das „Zustrombegrenzungsgesetz“ letzte Woche Handlungsfähigkeit der Politik zu demonstrieren. „Mit unserem Vorschlag bauen wir als FDP erneut eine Brücke für die demokratische Mitte, noch in dieser Wahlperiode substanzielle Verbesserungen für eine bessere Ordnung, Steuerung und Begrenzung der Migration zu erzielen“, sagte FDP-Fraktionsgeschäftsführer Stephan Thomae unserer Redaktion.
Der FDP-Vorschlag gleicht dem, den die Liberalen bereits am Freitag im Bundestag unterbreiteten: SPD und Grüne stimmen dem umstrittenen „Zustrombegrenzungsgesetz“ zu, das die Union und ihr Fraktionschef Friedrich Merz am Freitag nicht durchs Parlament bekamen. Dafür sollen CDU und CSU die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystem (GEAS) unterstützen. Die darin enthaltenen schärferen Neuregelungen etwa bei Asylverfahren an den Außengrenzen wurden im Mai 2024 auf europäischer Ebene verabschiedet und sollen ab Juni 2026 gelten. Bis dahin müssen alle Mitgliedstaaten ihre nationalen Bestimmungen entsprechend geändert haben. Die Union tritt auf die Bremse. Sie findet, dass nach der Bundestagswahl dafür noch genügend Zeit ist. Flüchtlingsorganisationen wie Pro Asyl kritisieren die GEAS-Reform heftig und werten sie als Rückschritt.
Friedrich Merz scheiterte bereits einmal mit ihrem Plan
Am Freitag gab es im Bundestag keine Zustimmung für das Koppelgeschäft der Liberalen. Warum das nun anders sein soll? „SPD und Grüne können und dürfen sich einer konstruktiven Zusammenarbeit nicht länger verweigern und müssen an den Verhandlungstisch kommen“, sagte Thomae. Das gelte erst recht, „nachdem Lars Klingbeil öffentlich Kompromissbereitschaft signalisiert und Robert Habeck eigene migrationspolitische Forderungen vorgestellt“ hätten, sagt er mit Blick auf den SPD-Co-Chef sowie den Spitzenkandidaten der Grünen.
SPD und Grüne hatten das Zustrombegrenzungsgesetz zuletzt massiv kritisiert und Merz vorgeworfen, er verstoße damit gegen geltendes Recht. Thomae kommt zu einer anderen Bewertung. „Dass die Bundespolizei eine eigene Zuständigkeit für aufenthaltsbeendende Maßnahmen an deutschen Bahnhöfen erhalten soll, ist völlig unstrittig“, erklärte er mit Blick auf den einen Schwerpunkt des Gesetzes.
Familiennachzug in der Kritik
Der andere ist die Aussetzung des Familiennachzugs zu „subsidiär Schutzberechtigten“. Gemeint sind damit Menschen, die sich weder auf Flüchtlingsschutz nach dem Völkerrecht noch auf eine Asylberechtigung berufen können. Wenn sie jedoch „stichhaltige Gründe dafür vorbringen, dass ihnen in ihrem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht“, können sie in Deutschland trotzdem aufgenommen werden. Thomae verwies darauf, dass der Familiennachzug für diese Gruppe bereits von 2016 bis 2018 ausgesetzt war. „Im europäischen Recht gibt es keine Verpflichtung, diesen zuzulassen“, erklärte der Jurist. Das Bundesverfassungsgericht habe bereits 2017 die Verfassungsmäßigkeit der Aussetzung höchstrichterlich entschieden. „Die von SPD und Grünen vorgebrachten verfassungs- und europarechtlichen Bedenken entbehren daher jeglicher Grundlage“, sagte Thomae.
Der Familiennachzug für Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutz ist auf 1.000 Menschen pro Monat begrenzt. Da sich die Visavergabe im Ausland oft hinzieht, wird dieser Rahmen nicht ausgeschöpft, wie es in Regierungskreisen heißt. Der Effekt einer Aussetzung wäre also überschaubar.
Dürr setzt auf die Mitte
FDP-Fraktionschef Christian Dürr hat SPD, Grünen und Union den liberalen Vermittlungsversuch in einem Brief unterbreitet. „Am letzten Sitzungstag vor der Bundestagswahl werden beide Gesetze zusammen mit den Stimmen der breiten demokratischen Mitte des Bundestags beschlossen“, schlägt er darin vor. Demnach will die FDP am kommenden Freitag eine Sondersitzung des Innenausschusses einberufen lassen. Wenn auf die üblichen Anhörungen verzichtet würde, könnte den Liberalen zufolge am 11. Februar im Bundestag final darüber abgestimmt werden.
Wie Dürr mahnte auch CDU-Bundesvize Karin Prien eine Verständigung von demokratischen Parteien der Mitte an, um nach der Wahl gegebenenfalls koalitionsfähig zu sein. „Alle, die es mit dem Land gut meinen, müssen jetzt aufeinander zugehen. Es braucht eine Vertrauensbasis, um nach dem 23. Februar zu einer stabilen Regierung zu kommen und eine Politikwende umzusetzen“, sagte sie dem Portal web.de.
Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.
Registrieren sie sichSie haben ein Konto? Hier anmelden