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Friedrich Merz fällt im ersten Wahlgang durch und wird erst im zweiten zum Kanzler gewählt

Bundeskanzler

Erfolg erst im zweiten Durchgang

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    Durchgefallen im ersten Wahlgang, erst in der Wiederholung klappt es: Friedrich Merz war die Ernüchterung anzusehen.
    Durchgefallen im ersten Wahlgang, erst in der Wiederholung klappt es: Friedrich Merz war die Ernüchterung anzusehen. Foto: Kay Nietfeld/dpa

    Friedrich Merz ist neuer Kanzler der Bundesrepublik Deutschland. Der CDU-Vorsitzende brauchte am Dienstag in Berlin allerdings zwei Durchgänge, um auf die nötige Kanzlermehrheit von 316 Stimmen zu kommen. So etwas hatte es in der Nachkriegsgeschichte bis dahin noch nie gegeben. Erst nach einer Sitzungsunterbrechung von mehreren Stunden stand Merz als zehnter deutscher Kanzler und Nachfolger von Olaf Scholz (SPD) fest. Nachdem er zunächst nur 310 Abgeordnete hinter sich vereinen konnte, kam er am Nachmittag auf 325 Stimmen. Das waren neun Stimmen mehr als für die Kanzlermehrheit nötig gewesen wären.

    Zuvor hatten sich im Reichstagsgebäude vor zahlreichen Gästen aus aller Welt – unter ihnen seine Ehefrau Charlotte sowie die beiden Töchter Carola und Constanze - teils chaotische Szenen abgespielt. Nachdem Bundestagspräsidentin Julia Klöckner das Ergebnis des ersten Wahlgangs und damit die vorläufige Niederlage von Merz verkündet hatte, herrschte allerorten Ratlosigkeit über den Fortgang. Sogar über Neuwahlen wurde spekuliert. Erst eine Änderung der Geschäftsordnung machte einen zweiten Wahlgang noch am selben Tag möglich. Die Koalitionspartner Union und SPD benötigten dafür neben den Stimmen der Grünen auch die der Linkspartei. Pikant dabei: Mit den Linken will die CDU laut einem Parteitagsbeschluss eigentlich nicht zusammenarbeiten.

    Heftige Kritik von Linken und Grünen

    Linken-Co-Chefin Ines Schwerdtner kritisierte den neuen Kanzler heftig. „Es war von Anfang an ein Fehler von Merz, das Vertrauen der demokratischen Parteien zu verspielen und mit den Faschisten zu paktieren“, sagte sie. Die Grünen lehnten Merz ebenfalls ab. „Wir sagen ganz klar: Bündnis 90/Die Grünen werden Friedrich Merz nicht wählen“, sagte Fraktionschefin Britta Haßelmann.

    Vor dem zweiten Wahlgang hatten Spitzenpolitiker von Union und SPD eindringlich um Zustimmung geworben. SPD-Chef Lars Klingbeil rückte den Ukraine-Krieg ins Blickfeld und appellierte an das Verantwortungsgefühl seiner Abgeordneten. Angesichts der internationalen Lage, der wirtschaftlichen Schwierigkeiten und der zunehmenden Polarisierung in Deutschland sei es wichtig, dass Deutschland eine stabile Regierung bekomme, die sehr schnell in zuverlässigen Strukturen arbeiten könne, sagte er. Der CSU-Vorsitzende Markus Söder hatte als Reaktion auf den ersten Wahlgang vor unkalkulierbaren Folgen für Deutschland und die Demokratie gewarnt. „Der heutige Vormittag zeigt, dass wir in einer ernsten Lage sind. Eine ernste Lage für unser Land, aber auch für die Demokratie“, sagte der bayerische Ministerpräsident.

    Am Mittwoch nach Paris

    Die Präsidentin des Verbandes „Die Familienunternehmer“, Marie-Christine Ostermann, erklärte: „Friedrich Merz hat in Sachen Glaubwürdigkeit einen hohen Kredit aufgenommen.“ Der erste Wahlvorgang habe verdeutlicht, dass er „dringlichst Vertrauen zurückgewinnen“ müsse. Dies gelinge nur mit der Umsetzung der im Wahlkampf versprochenen Wirtschaftswende. Handwerks-Präsident Jörg Dittrich erklärte in einer ersten Reaktion, seine Zunft blicke „mit großer Sorge auf den ausgebliebenen Start der rot-schwarzen Koalition.“ Der Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Chemischen Industrie, Wolfgang Große Entrup, drückt es drastischer aus. Zwar sei jeder Abgeordnete nur seinem Gewissen verpflichtet. „Aber: Dieser Denkzettel ist einfach nur bescheuert“, erklärte er.

     Der Gründer des Meinungsforschungsinstituts Forsa, Manfred Güllner, sagte weiteren Aufwind für die AfD voraus. Deren Abgeordnete triumphierten. Co-Fraktionschefin Alice Weidel forderte Merz zum Rückzug auf und forderte Neuwahlen.

    Merz war 2022 erst im dritten Versuch zum CDU-Vorsitzenden gewählt worden. Seine Beliebtheitswerte in den Umfragen sind schlecht. Der neue Kanzler äußerte sich zunächst nicht. Am Mittwoch soll ihn seine erste Kanzlerreise nach Paris und Warschau führen.

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    2 Kommentare
    Wolfgang Boeldt

    2 Wahlgänge ist doch was - der neue Papst braucht mehr =:)

    Helmut Eimiller

    Merz sprach von einem „kleinen Makel“; ist eben Politiker, der alles schönredet. Ein älteres Beispiel: Zwar ist „Sitzenbleiben kein Grund mehr zum Schämen“ (ntv; 2002); bedenklich ist aber der Versuch, den Sachverhalt mit erfundenen Helden- bzw. Rockergeschichten ins Gegenteil zu verkehren. Und dass Merz die im 1. Wahlgang aus den Reihen der Koalitionäre fehlenden Stimmen dann im 2. Wahlgang ausschließlich aus diesen Reihen bekam, glaube ich auf keinen Fall. Ich gestehe nämlich den Abgeordneten schon zu, dass sie wohlüberlegt handeln, das Fernbleiben von Berlin mal ausgenommen (621 abgegebene Stimmen bei 630 Abgeordneten). Ich vermute vielmehr, Alice Weidel war die beste Wahlhelferin von Merz. (Als sie direkt nach dem gescheiterten 1. Wahlgang Neuwahlen forderte, ist wohl parteiunabhängig von einigen beim 2. Wahlgang die eigene Betroffenheit bei diesem Fortgang mitbedacht worden.)

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