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Hunger: Notlage im Gazastreifen immer schlimmer

Nahost-Konflikt

Hunderte Hungrige stürmen Lebensmittellager – Tote in Gaza

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    Viele Menschen in Gaza sind hungrig und verzweifelt. (Archivbild)
    Viele Menschen in Gaza sind hungrig und verzweifelt. (Archivbild) Foto: Omar Ashtawy, APA Images via ZUMA Press Wire/dpa

    Hunderte Menschen stürmen über einen staubigen Platz, Männer, Frauen, Kinder. Sie rufen, drängeln vorwärts, trampeln über Reste eines Metallzauns am Boden. Die Aufnahmen stammen aus dem Süden des Gazastreifens: Dort hatten Mitarbeiter der Gaza Humanitarian Foundation (GHF) am Dienstag eine Station zur Ausgabe von Lebensmitteln eingerichtet. Noch am selben Abend wurden sie von Hilfesuchenden überrannt. Das UN-Menschenrechtsbüro sprach am Mittwoch von einem Toten und Dutzenden Verletzten. Israels Armee meldete, ihre Truppen hätten in der Nähe des Verteilzentrums Warnschüsse abgegeben.

    Die humanitäre Notlage im umkämpften Gazastreifen spitzt sich immer weiter zu. Auch bei einem tumultartigen Sturm auf ein großes Lagerhaus des Welternährungsprogramms (WFP) im Zentrum des abgeriegelten Küstengebiets kamen den weiteren UN-Angaben zufolge mindestens zwei Menschen ums Leben, viele weitere seien verletzt worden. „Horden hungriger Menschen“ seien in das Lagerhaus eingedrungen, um an „zur Verteilung bereitgestellte Lebensmittel“ zu gelangen, hieß es in einer Mitteilung auf X.

    Augenzeugen berichteten, vor allem am Haupttor des Lagerhauses sei es zu großem Gedränge gekommen. Es gab zudem Berichte darüber, dass einige Menschen Teile der Metallwände eingerissen hätten, um sich Zugang zum Lager zu verschaffen. Auf Videos in den sozialen Medien war zu sehen, wie zahlreiche Menschen unter lautem Geschrei das Lagerhaus stürmen und plündern. Aus medizinischen Kreisen im Al-Aksa-Krankenhaus in Deir al-Balah hieß es, zwei Menschen seien erdrückt, zwei weitere durch Schüsse getötet worden.

    Wer steht hinter der US-Stiftung?

    Die zahlreichen Kritiker des neuen Systems dürften sich von den chaotischen Szenen bestätigt fühlen. Bei der GHF handelt es sich um eine neue US-amerikanische Stiftung, die seit Anfang dieser Woche im Gazastreifen Hilfsgüter ausgibt. Beobachtern gibt sie Rätsel auf: Wie sie den Auftrag erhielt, wem sie untersteht und wer sie finanziert, liegt weitgehend im Dunkeln; ihr Pressesprecher lässt Anfragen unbeantwortet. Berichte über Tote, massenhaft Verletzte und Chaos an den von ihr eingerichteten Verteilzentren in Gaza wie sie indes zurück: An keinem Standort der GHF habe es Todesfälle gegeben. „Berichte, die anderes behaupten, stammen von der Hamas und sind falsch“, hieß es.

    Dass die Menschen in Gaza die Hilfe brauchen, steht derweil außer Frage. Zwei Monate lang hatte Israel keine Lieferungen zugelassen: Während der zweimonatigen Waffenruhe bis Mitte März sei ein Überschuss von Gütern in das Gebiet gelangt, hieß es zur Begründung; zudem lasse die Hamas sich nur besiegen, wenn man ihr keine Gelegenheit zur Plünderung von Hilfen biete.

    Kritik von der UN und Hilfsorganisationen

    Die UN und Hilfsorganisationen kritisieren jedoch, dass Zivilisten sich teils über lange Distanzen hinweg zu den Verteilungszentren begeben müssten. Berichten zufolge plant die GHF mit nur vier Zentren – allesamt im Süden oder im Zentrum Gazas. Das System könnte demnach den Plan der israelischen Regierung vorantreiben, die Zivilbevölkerung in einigen wenigen, sogenannten „humanitären“ Zonen zu konzentrieren. Kritik kommt selbst von Insidern: Vergangenen Sonntag trat Jake Wood, bis dahin Geschäftsführer der GHF, von seinem Posten zurück mit der Begründung, der Plan verletze die Prinzipien von „Menschlichkeit, Neutralität, Unparteilichkeit und Unabhängigkeit“.

    Vertreter der israelischen Regierung und der Armee dagegen argumentieren, nur so könne die Hamas daran gehindert werden, sich an Hilfslieferungen zu bereichern. Hamas-kritische Exil-Palästinenser wie Ahmed Fouad Alkhatib, der selbst aus Gaza kommt und an der US-Denkfabrik Atlantic Council forscht, haben Israels Blockade scharf kritisiert. Zugleich bestätigen sie mit Verweis auf Kontakte vor Ort, dass die Hamas Hilfsgüter hortet – selbst während der sich zuspitzenden humanitären Krise der vergangenen Wochen.

    Berichte: Hamas soll Zugang zu den Verteilungszentren versperren

    Das neue System geht der Terrororganisation denn auch gehörig gegen den Strich. Berichten zufolge versperrten ihre Männer am Dienstag Zufahrtsstraßen zu dem neuen Verteilungszentrum. Die GHF meldete „stundenlange Verzögerungen beim Zugang zu dem Gelände“ wegen der Blockaden.

    Zudem ruft das Innenministerium der Hamas die Menschen in Gaza dazu auf, nichts von der Stiftung anzunehmen. „Der vorgeschlagene israelische Mechanismus zur Verteilung von Hilfe in Gaza ist völlig inakzeptabel, und wir rufen unser Volk dazu auf, nicht mit ihm zu kooperieren“, heißt es in einer Mitteilung des Ministeriums in sozialen Medien. Der letzte Satz enthält eine offene Drohung: „Jeder, der mit der Besatzung bei der Durchsetzung ihrer Agenda kooperiert, wird den Preis dafür zahlen, und wir werden die nötigen Maßnahmen gegen ihn ergreifen.“ Es ist hinreichend dokumentiert, dass die Hamas regelmäßig Palästinenser foltert und tötet, die sie der Kooperation mit Israel verdächtigt. (mit dpa)

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