Herr Hagel, wenn die Umfragen nicht trügen, werden Sie der nächste Ministerpräsident Baden-Württembergs. Was wollen Sie anders machen als Winfried Kretschmann?
MANUEL HAGEL: Wir werden nicht alles anders, aber das Wichtige ambitionierter machen. Wir haben weltweit den Ruf als Land der Tüftler, der fleißigen Macher und Denker. Zum ehrlichen Blick auf uns selbst gehört aber auch, dass wir in vielen Bereichen inzwischen ins Mittelfeld abgerutscht sind. Mittelmaß passt nicht zu uns. Wir werden das wieder ändern.
Vor allem die für Süddeutschland so wichtige Autoindustrie steckt in Schwierigkeiten. Wie wollen Sie die Kurve kriegen?
HAGEL: Transformation braucht Taktgefühl und verlässliche Rahmenbedingungen. Genau das hat zuletzt seitens der Berliner Ampel gefehlt. Die Bevormundung und das ständige Hin und Her, etwa bei der Förderung der Elektromobilität, haben unserem Land schwer geschadet. Ich bin froh, dass der neue Kanzler Friedrich Merz den Unternehmerinnen und Unternehmern wieder Planungssicherheit gibt und die Freiheit, selbst die besten Produkte zu entwickeln.
Aber waren es nicht die Autokonzerne, die Entwicklungen verschlafen haben, weil sie zu lange am Verbrennungsmotor festgehalten haben?
HAGEL: Die besten Autos der Welt kommen aus Baden-Württemberg. Um das zu bewahren, müssen wir uns dazu bekennen, dass unsere Firmen für den Weltmarkt produzieren. Deutschlands Erfolgsrezept war immer der Export. Wenn wir wissen, dass die Welt auf absehbare Zeit Autos mit Verbrennungsmotor nachfragen wird, dann sollten wir uns davon nicht entkoppeln. Von mir gibt es ein klares Ja zur Elektromobilität, aber auch ein klares Ja zu klimafreundlichen Verbrennern. Wir sollten aufhören, deutsche Moral in alle Welt zu exportieren, sondern die besten Maschinen und Autos.
Sie pflegen einen engen Kontakt zum bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder, der vor ähnlichen Herausforderungen steht. Hat er Ihnen eine denkbare Koalition mit den Grünen schon ausgeredet?
HAGEL: Wenn ich Markus Söder richtig verstehe, stört ihn vor allem der besserwisserische, überhebliche und belehrende Ton von Grünen, die Menschen wie kleine Kinder behandeln. In dieser Einschätzung hat er übrigens eine prominente Unterstützerin aus Baden-Württemberg: Gerlinde Kretschmann.
Können Sie sich eine Fortsetzung der Zusammenarbeit unter Führung der CDU vorstellen?
HAGEL: Ich glaube, die Menschen sind diese ewigen Koalitionsspekulationen leid. Für uns als CDU wird die Koalition am geeignetsten sein, mit der wir am meisten von unseren Überzeugungen umsetzen können. Neben den Inhalten sind die Leute entscheidend, mit denen man zusammenarbeitet. Unser früherer Ministerpräsident Erwin Teufel hat mir mal gesagt: Entscheidend ist, wer ans Telefon geht, wenn Du anrufst und ein Problem lösen musst.
Mit Cem Özdemir bekommen Sie es im Wahlkampf mit einem grünen Realo zu tun, der für einen ähnlich pragmatischen Kurs steht wie Kretschmann. Wie wollen Sie ihn schlagen?
HAGEL: Die Grünen waren bei der Bundestagswahl in Baden-Württemberg auf dem vierten Platz. Fixpunkt für unsere Politik sind nicht andere Parteien. Fixpunkt für unsere Politik ist Baden-Württemberg und die Menschen im Land. Wir werden vor allem darüber reden, wie Baden-Württemberg im Jahr 2036 aussehen soll und was dafür zu tun ist, damit unser Land wieder an die Spitze kommt. Wie wir unsere Wirtschaft stabilisieren und für einen Aufschwung sorgen. Es wird darum gehen, unser Bildungssystem fit zu machen, Jobs zu sichern und neue zu schaffen, unsere Verwaltung zu modernisieren und Sicherheit zu stiften.
Vieles wird an der Wirtschaft hängen, wie wollen Sie die wieder in Schwung bringen?
HAGEL: Autoindustrie und Maschinenbau sind das Herzstück unserer Wirtschaft. Unsere Aufgabe wird es sein, gute Rahmenbedingungen für die Transformation dieser wichtigen Branchen zu schaffen und Arbeitsplätze, die verloren gehen, woanders wieder aufzubauen. Dafür werden wir neue Wege einschlagen, etwa die Genehmigung großer Infrastrukturprojekte durch den Landtag, eine neue KI-Universität gründen und die Meister- und Technikergebühren abschaffen, um die berufliche der akademischen Bildung gleichzustellen.
Wo sehen Sie diese neuen Jobs?
HAGEL: Es gibt zwei Bereiche, in denen wir enormes Potenzial sehen: die Verteidigungsindustrie und den Gesundheitssektor. Sehr viele bundesweit relevante Player in der Rüstungsbranche sind in Baden-Württemberg. Unser Ziel ist, dass möglichst viel der Investitionsoffensive in unsere Wehrfähigkeit hier gebaut wird. Dazu müssen wir unsere Unternehmen schnell in die Lage versetzen, Produktionskapazitäten aufzubauen.
Welche Chancen sehen Sie im Gesundheitsbereich?
HAGEL: Wir wollen Baden-Württemberg in der Krebsforschung zum Standort Nummer eins weltweit machen. Alles, was uns daran hindert, diese furchtbare Krankheit heilen zu können, muss aus dem Weg geräumt werden. Wir wollen beispielsweise die anonyme Nutzung von Gesundheitsdaten zur Forschung zulassen und den Wissenschaftlern mehr Freiheiten geben, etwa in der Gentechnik. Es darf nicht sein, dass führende Unternehmen, die enorme Entwicklungsschritte gemacht haben, ins Ausland gehen müssen, weil sie dort bessere Rahmenbedingungen finden.
Ähnlich wie Bayern verbraucht auch Baden-Württemberg mehr Strom, als es selbst erzeugt. Wird das zum Risikofaktor für Ihre Wirtschaft?
HAGEL: Natürlich sind die Energiepreise zu hoch. Die neue Bundesregierung hat das erkannt und handelt. Deutschland muss beim Netzausbau schneller vorankommen. Dafür müssen wir Genehmigungsfristen verkürzen, uns aber auch von dem Gedanken verabschieden, alle großen Leitungen von Nord nach Süd unterirdisch verlegen zu können. Das dauert viel zu lange und ist zu teuer.
Im Bundestagswahlkampf wollte die Union auch auf das Thema Wirtschaft setzen, am Ende haben alle über die Migrationspolitik gesprochen. Werden die nächsten Landtagswahlen dadurch entschieden, ob die Regierung dieses Thema in den Griff bekommt?
HAGEL: Die Bundespolitik spielt immer eine Rolle. Das ist doch klar. Wir haben mit Alexander Dobrindt einen starken Bundesinnenminister, der in der Migration den Zustand von vor 2015 wiederherstellt. Mit diesem klaren Kurs wächst wieder Vertrauen in die Handlungsfähigkeit unseres Staates. Er hat 100 Prozent recht mit seiner Migrations- und Sicherheitspolitik.
Manche Juristen sehen das anders. Gerade bekam die Regierung vor Gericht einen Dämpfer. Hat die Union zu viel versprochen?
HAGEL: Nein. Wenn wir Vertrauen zurückgewinnen wollen, müssen wir in der Asylpolitik raus aus dem Ankündigungsmodus und rein ins Tun. Wir werden dieses Problem lösen.
Auch, weil sonst die AfD weiter zulegen könnte?
HAGEL: Die AfD ist das Fieberthermometer unserer Gesellschaft. Wenn Sie Fieber haben, bringt es nichts, das Fieberthermometer anzuschreien. Sie müssen an die Ursachen ran. Die jüngsten Zahlen beweisen, dass wir die Migrationswende eingeleitet haben und die Instrumente wirken. Seit Beginn der Grenzkontrollen wurden rund 3400 unerlaubte Einreisen registriert. 2613 Migranten wurden zurückgewiesen. Von 160 Personen, die ein Asyl-Schutzersuchen gestellt haben, wurden 125 zurückgewiesen, 35 Personen durften einreisen, weil sie krank waren oder Kinder dabei hatten. Wir bekommen das Thema Migration Schritt für Schritt in den Griff, zunächst an den deutschen Grenzen und mittelfristig auch auf europäischer Ebene. Wenn die EU-Außengrenzen gesichert sind, brauchen wir keine nationalen Kontrollen mehr.
Baden-Württemberg hatte sehr prägende Ministerpräsidenten, von wem nehmen Sie was mit?
HAGEL: Ein Ministerpräsident von Baden-Württemberg braucht die Wirtschaftskompetenz von Lothar Späth, die Geschwindigkeit von Günther Oettinger und er muss schaffen wie der Teufel. (lacht)
Und von Winfried Kretschmann kann man nichts lernen?
HAGEL: Doch klar. Ich arbeitete mit Winfried Kretschmann seit bald zehn Jahren sehr eng und vertrauensvoll zusammen und habe viel von ihm gelernt. Für ihn zählen in erster Linie gesunder Menschenverstand und Pragmatismus. Er ist in diesen Fragen im besten Sinne ein echter Konservativer.
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