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Israels Angriffe im Iran: Was folgt nach den Luftangriffen?

Krieg im Nahen Osten

Was folgt nach dem Schlag auf Teheran?

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    Ein Mann holt in der israelischen Hafenstadt Habseligkeiten aus einer Wohnung, die nach dem Einschlag einer iranischen Rakete beschädigt wurde.
    Ein Mann holt in der israelischen Hafenstadt Habseligkeiten aus einer Wohnung, die nach dem Einschlag einer iranischen Rakete beschädigt wurde. Foto: Ariel Schalit, dpa

    Wenn der schrille Warnton des israelischen Zivilschutzes vor iranischen Raketenangriffen über die Handys ertönt, bleibt nicht viel Zeit. Gut eine Minute haben dann die Menschen, um Schutzräume aufzusuchen. In einem Luftschutzbunker im Zentrum der Küstenmetropole Tel Aviv drängen sich mitten in der Nacht Dutzende Menschen, die in Eile aus ihren Wohnungen geflüchtet sind. Einige tragen müde Kinder auf dem Arm, andere haben ihre Hunde mitgebracht. Ein Hündchen bellt nervös, ein anderes zittert und winselt leise. Eine Frau mit langen braunen Locken sitzt in sich zusammengesunken auf einer Bank, neben ihr in einem Käfig ihre Katze, die immer wieder kläglich miaut. 

    Von draußen sind in unregelmäßigen Abständen dumpfe Explosionen zu hören. Bei jedem Knall zucken einige der Schutzsuchenden erschrocken zusammen. Erstmals seit Jahrzehnten befindet Israel sich im Krieg mit einem Staat mit einem großen Militär. Anders als die Kassam-Raketen aus dem Gazastreifen können die iranischen Geschosse ganz Israel erreichen. Präzisionsgelenkte Waffen bedrohen auch die Infrastruktur. Mindestens acht Menschen hatten feindliche Geschosse in der Nacht zum Montag aus dem Leben gerissen, die meisten davon in Tel Aviv und umliegenden Städten. Knapp 100 weitere wurden verletzt, darunter ein nur vier Tage altes Baby in Petach Tikva, einer Stadt bei Tel Aviv. Insgesamt sind seit Beginn der Eskalation am Freitag bis Montagmittag 24 Menschen in Israel umgekommen.

    Jubel über erfolgreiche Schläge gegen den Iran

    Dennoch gibt es an der Entscheidung der israelischen Regierung, das Atomprogramm des Irans anzugreifen, derzeit kaum Kritik. Zum einen gelten die nuklearen Ambitionen Teherans in Israel über alle Parteilinien hinweg seit Langem als fundamentale Bedrohung für den jüdischen Staat. Zum anderen sorgen die operativen Erfolge der israelischen Armee für breite Euphorie. 16 Stunden lang habe Israels Luftwaffe den iranischen Luftraum beherrscht: Mit dieser Schlagzeile machte am Morgen nach dem ersten Angriff Ynet auf, das größte israelische Nachrichtenportal. Bis Montagmittag hat Israels Armee, die IDF, mit Unterstützung des Auslandsgeheimdienstes Mossad mehrere Einrichtungen des iranischen Atomprogramms bombardiert und mindestens eine davon offenbar weitreichend zerstört.

    Eben diese Euphorie in der öffentlichen Debatte ist es jedoch, die manchen Experten Sorgen macht. „Ich glaube sehr daran, dass der israelische Angriff gerechtfertigt ist“, sagt Michael Milshtein, Leiter des Forums für Palästinenserstudien an der Universität von Tel Aviv, der auf eine lange Karriere im militärischen Geheimdienst zurückblickt, im Gespräch mit unserer Redaktion. „Aber es gibt offene Fragen: Wie viel Schaden können wir dem iranischen Atomprogramm wirklich zufügen? Und was tun wir, wenn die USA nicht mit einsteigen? Das ideale Szenario wäre, würden die Iraner irgendwann sagen: Wir können nicht mehr, wir wollen ein Abkommen mit den USA und sind bereit, auf Urananreicherung auf unserem Territorium zu verzichten. Aber das halte ich für unwahrscheinlich.“

    Wird Trump aktiv in den Konflikt eingreifen?

    Unter Militärexperten besteht weitgehend Konsens darüber, dass Israel allein das iranische Atomprogramm nicht vollständig auslöschen kann. Vor allem die Urananreicherungsanlage Fordow, die tief unter der Erde liegt, gilt als Herausforderung: Wohl nur bunkerbrechende Bomben, wie die USA sie besitzt, könnten diese Einrichtung zerstören. Manche Analysten in Israel gehen davon aus, dass Ministerpräsident Benjamin Netanjahu auf die Unterstützung der USA baut – und dass US-Präsident Donald Trump in die Operation einsteigen könnte, wenn er sich vom bisherigen Erfolg der IDF beeindrucken lässt. Bislang gibt es dafür jedoch keine Hinweise – was die Frage nach sich führt: Wie und wann plant Israel, seine Angriffe zu beenden, wenn es sein erklärtes Ziel – die Zerstörung des Atomprogramms – gar nicht erreichen kann?

    „Ich hoffe, dass sich dieser Slogan von der Auslöschung des iranischen Atomprogramms nicht ebenso entwickelt wie der Slogan von der Vernichtung der Hamas in Gaza“, sagt Milshtein. „Man kündigt etwas an, das man nicht einhalten kann, und kämpft deshalb immer weiter. Es gibt keinen Mechanismus, um diesen Krieg zu beenden, keine Exit-Strategie. Deshalb sorge ich mich, dass Israel sich in einen Abnutzungskrieg verwickeln lassen könnte.“

    Auch den Diskurs in der israelischen Öffentlichkeit sieht Milshtein kritisch. „Es gibt eine Tendenz, jeden, der Zweifel an Israels militärischem Vorgehen äußert, als unpatriotisch abzutun“, sagt er. „Dabei sollte uns das Desaster vom 7. Oktober gezeigt haben, dass wir es uns nicht leisten können, auf kritische Stimmen zu verzichten.“

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    1 Kommentar
    Wolfgang Boeldt

    1. Israel dürfte dem Iran militärisch überlegen sein. Aber der Iran schafft mehr als nur harmlose "Piekser". Mal sehen wie lange das zivile, nicht das militärische, Durchhaltevermögen auf beiden Seiten vorhandfen ist. 2. Zitat: "Zum einen gelten die nuklearen Ambitionen Teherans in Israel über alle Parteilinien hinweg seit Langem als fundamentale Bedrohung für den jüdischen Staat" und vice versa. Die israelischen A-Waffen sind eine latente Bedrohung für den Nahen Osten, vielleicht sogar darüber hinaus. Ob der Iran und/oder Israel A-Waffen besitzt ist Jacke wie Hose.

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