Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

Kommentar: Deutschland braucht eine Auto-Strategie ohne Ideologie

Kommentar

Deutschland braucht eine Auto-Strategie ohne Ideologie

Michael Pohl
    • |
    • |
    Der E-Auto-Markt in Deutschland steckt in der Krise.
    Der E-Auto-Markt in Deutschland steckt in der Krise. Foto: Julian Stratenschulte, dpa

    Elektroautos verlieren bei deutschen Autokäufern an Reiz. Im Mai brach die Nachfrage nach Batteriefahrzeugen um über 30 Prozent ein. Der E-Auto-Markt in Deutschland steckt in der Krise. Während Teile der Politik die Rückkehr alter Errungenschaften der Verbrennertechnologie feiern, wächst in der Automobilbranche die Nervosität. Hersteller und immer mehr Zulieferer fragen sich, ob sich ihre hohen Investitionen in die Elektrotechnik am Ende lohnen.

    Autobauern droht ein Schicksal wie einst Nokia

    Gleichzeitig gerät die deutsche Schlüsselindustrie international in mehrfacher Hinsicht unter Druck. Der Markt für E-Autos wächst teils ohne sie weltweit, besonders in China und europäischen Ländern wie Frankreich und Großbritannien. Zugleich kämpfen die deutschen Hersteller noch immer mit technologischem Rückstand: Bei Batterietechnik und Software sind andere Wirtschaftsmächte längst enteilt. Drei Nationen sind nicht zufällig führend bei E-Autos: die USA, China und Südkorea. Es sind dieselben, die den Smartphone-Markt dominieren, auf dem Europa seit dem Niedergang des einstigen Weltmarktführers Nokia keine Rolle mehr spielt. Das Schicksal von Nokia muss heute Autobauern und der Politik Warnung sein.

    Der Durchbruch der E-Autos kam nicht nur durch moderne Akkus und Elektromotoren, sondern durch die Digitalisierung des Automobils. Software und Zentralrechner ermöglichen eine neue Ära der Assistenz- und Komfortsysteme ohne teure Preisaufschläge für Extras. Tesla führt hier, gefolgt von chinesischen Hightech-Konzernen wie dem für sein erstes Auto gefeierten Smartphone-Produzenten Xiaomi.

    Beispiel VW zeigt, das Deutschland digitales Entwicklungsland ist

    Deutschlands Autobauer üben nicht nur einen mühsamen Spagat zwischen Verbrenner- und Elektrotechnologie, sondern bewegen sich bei Digitalisierung und Software im negativen Sinne in einem Entwicklungsland. Volkswagen muss sich bei wenig bekannten E-Auto-Bauern wie Rivian in den USA und XPeng in China einkaufen, um von deren Digitalkompetenz zu profitieren.

    Die in Deutschland gestartete Softwareentwicklung brachte nicht die erhofften Erfolge. Das liegt auch viel an den hiesigen Rahmenbedingungen: Die deutsche Politik fremdelt noch immer mit Digitalisierung, anwendungsorientierter Hochschulforschung und einer Start-up-Kultur, die mehr Risikokapital bräuchte.

    Weniger Ideologie würde Industrie und Klimaschutz helfen

    In Berlin und Brüssel dominiert jedoch eine naive Industriepolitik, die mehr Schaden anrichtet als Nutzen bringt. Der willkürliche Stopp der Kaufprämien nach einer nicht zu Ende gedachten Subventionspolitik versetzte dem E-Auto-Absatz einen Tiefschlag. Das sogenannte Verbrennerverbot, das insgeheim Industrieinvestitionen in die Batterietechnik absichern sollte, stößt viele Menschen vor den Kopf. Es klebt auf E-Autos ein ideologisches grünes Label, das potenzielle Käufer abschreckt.

    Der Industrie und dem Klimaschutz wäre mit einer ideologiefreien Strategie und ohne voreilige Markteingriffe mehr geholfen. Die Politik muss Rahmenbedingungen und Umweltstandards schaffen, in denen Unternehmen wettbewerbsfähige Produkte entwickeln und produzieren können. Dazu gehören Investitionen in die Forschungslandschaft und in günstige Energie. Vor allem muss die Politik endlich die Voraussetzungen für den Aufbruch ins Digitalzeitalter schaffen. Schwelgen in alten Industriezeiten hilft wenig. Apple-Gründer Steve Jobs sagte einst einem Nokia-Manager voraus: „Ihr macht Hardware, wir machen Software. Ihr habt keine Chance.“

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden