Es ist absurd, einem beinahe 80-Jährigen zu sagen, dass er erwachsen werden muss. Aber so ist es mit dem Nachkriegs-Europa. Ohne die USA, den vormals großen Bruder, stehen die Europäer allein da. Unzählige Male angekündigt, ist der störrische Heranwachsende nun wirklich auf sich gestellt. Nochmals, bitte wirken lassen: allein. Das Haus der Eltern gibt es nicht mehr. Kommt zurecht oder scheitert.
Erwachsen zu sein, bedeutet im Idealfall und in klaren Momenten, erprobte Mechanismen des Alltags auszuhebeln, Selbstbetrug zu entlarven, vage Hoffnungen zu zerstreuen und sich der Realität zu stellen. Chancen und Risiken zu wägen. Dann zu handeln.
Selenskyj wurde gezielt gedemütigt
US-Präsident Donald Trump und sein rhetorischer Spießgeselle JD Vance haben im Oval Office Wolodymyr Selenskyj, den Präsidenten eines seit drei Jahren von den Russen verheerten Landes, gezielt gedemütigt. Selbst wenn es nicht geplant gewesen sein sollte (doch das war es, merke: juvenile Fehler vermeiden) ändert das in der Sache nichts: Die USA wollen eine andere Weltordnung. Schutz gibt es nur gegen Geld. Und die armen Tröpfe, die sich nicht selbst schützen können, werden nun viel mehr zahlen müssen. Also die Ukraine (unverschuldet). Also Europa (selbst verschuldet). Trump hat im Wahlkampf gesagt, dass Putin mit Europas Ländern, die ihre Schulden nicht begleichen, machen könne, was er wolle. Nach Freitag ist klar: Er hat das genauso gemeint.
Wer es bis jetzt nicht verstanden hat, muss hinnehmen: Bei Trump ist vom Schlimmsten auszugehen. Die Nato wird es in ihrer jetzigen Form bald eher nicht mehr geben. Putin wird irgendwann (bald schon) testen, wie es um die Beistandsverpflichtung bestellt ist. Ein Angriff auf einen baltischen Staat, eine finnische Insel – er wird schauen, wer sich ihm wie entgegenstellt. Die USA werden das nicht mehr sein.
Die europäischen Staaten müssen auf Kriegswirtschaft umstellen
Was das heißt? Die europäischen Staaten (EU, Großbritannien, alle, die guten Mutes sind) müssen sehr schnell sehr viel Geld mobilisieren, um zu kompensieren, was die USA künftig an Waffen und Soldaten nicht mehr bereitstellen. Die europäischen Staaten müssen auf Kriegswirtschaft umstellen. Jetzt. Die Antwort auf Trump muss massiv sein. Sie muss in Washington, Moskau und Peking verstanden werden. Wie in der Finanzkrise muss klar werden: Die EU steht. Koste es, was es wolle. Darüber hinaus müssen die Europäer jetzt einen Plan fassen für den Fall, dass die USA ihre Truppen aus Europa abziehen und ihr atomarer Schutzschirm nicht mehr aufgestellt ist.
Und Deutschland? Muss die Sondierungen so schnell es geht abschließen. Scholz muss Merz sofort eng einbinden und natürlich mit zum Ukraine-Gipfel nach Brüssel nehmen. Alles andere wäre infantil. Es braucht binnen sehr kurzer Frist ein nächstes Sondervermögen, eine reformierte Schuldenbremse, was auch immer, jedenfalls sehr viel mehr Geld für die Bundeswehr. Dazu wird Deutschland zur Wehrpflicht zurückkehren müssen. Nicht irgendwann, sondern gleich.

Kann das mit einem unerfahrenen Kanzler Merz gelingen?
Kann all das gelingen? Mit einem unerfahrenen Bundeskanzler an der Spitze? Das Gegenteil ist keine Option. Hoffnung macht, dass Merz verstanden hat, wie wichtig die deutsch-französische Freundschaft für die EU ist. Die Ältesten in diesem Land sind kurz vor oder während des Zweiten Weltkriegs geboren. Dass sie ein Leben in Frieden haben durften, ist in der äußerst kriegerischen Geschichte dieses Kontinents die Ausnahme, ein Wunder. Diesen Frieden, soweit es noch geht, zu bewahren, ist daher jede Anstrengung wert.

Dann kommt auch der Zivildienst wieder, das können wir gut gebrauchen. Die wenigsten jungen Leute werden sich für die Interessen von psychisch kranken Clowns an der Front verheizen lassen.
Es ist schon krass: Nun soll der noch vorhandene Rest der Ampel noch schnell ein Sondervermögen in Höhe von fast einer Billion Euro ermöglichen, damit der neue Kanzler der Union dann unbehelligt von finanziellen Erwägungen wirtschaften kann. Schämen sich die Konservativen eigentlich gar nicht? Der Ampel haben sie mitten in einer Wirtschaftskrise den Geldhahn abgedreht und nun sollen sich die Roten und die Grünen bitteschön ihrer staatspolitischen Verantwortung erinnern. Ich habe das zwar erwartet, aber so dreist nun doch nicht...
Genau so ist es, Herr Leonhard. Man hätte doch schon längst über die Schuldenbremse oder über Sondervermögen sprechen können, aber zuerst hat Lindner gezickt und dann hat sich Merz bitten lassen, aber nichts gemacht. Nun im Angesicht einer fehlenden Zweidrittenmehrheit – jetzt soll es auf einmal gehen. An Dreistigkeit tatsächlich nicht zu überbieten. Schließlich war es doch die Union, die den Geldmangel mitverschuldet hat, weil sie der Ampelregierung bewusst schaden wollte. Dass sie sowohl der Wirtschaft geschadet hat als auch notwendige Investitionen in die Infrastruktur ausgebremst hat – davon will man jetzt nichts mehr wissen.
Auf den Kommentar von Herrn Küpper fällt mir zuerst mal ein: "So schnell schießen die Preußen nicht". Die Bedrohungslage mag sich geändert haben, noch ist aber definitiv noch nichts in trockenen Tüchern. Und das Lieblingsthema Wehrpflicht. Da mag Prof. Weitzel noch so stark dafür sein: er kann mit Sicherheit den Aufwand nicht abschätzen(Kreiswehrersatzamt, Tauglichkeitsuntersuchung ... freie Heilfürsorge? ... Auskleidung); auch mit dem effektiven Nutzen dürfte er sich schwer tun. Da sind viele Stationen die wieder reanimiert werden müssen. Und 3. Kriegswirtschaft. Ist wirklich jedem klar was das bedeutern würde? Und der Zeitrahmen. Das würde dauern und dauern. Siehe u.a. auch: https://www.imk-boeckler.de/de/podcasts-34757-was-ist-eine-kriegswirtschaft-61224.htm Last but not least: Wollen das die Deutschen bzw. die Mehrheit? Bin mir nicht sicher ob unsere Gesellschaft diese Belastungsprobe aushält.
Die Gesellschaft wird das aushalten MÜSSEN, denn die Nato, die wir kennen, wird es in ihrer jetzigen Form wohl bald nicht mehr geben. Man kann also warten, bis Putin wieder mal spielen will oder man kann die Kegel rechtzeitig mit Juckpulver bestreuen, denn dann macht es nicht so viel Spaß. Solange Trump im Amt ist, ist Europa nicht mehr sicher, denn der wird für die Europäer keinen Finger rühren. Ganz im Gegenteil.
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