Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

Konflikt zwischen Iran und Israel: So ist die Lage

Krieg in Nahost

„Unsere Kinder werden nicht in Angst vor einer iranischen Atombombe leben“

    • |
    • |
    • |
    Israelische Sicherheitskräfte inspizieren zerstörte Häuser, die von einer aus dem Iran abgefeuerten Rakete getroffen wurden, in Rishon Lezion, Israel.
    Israelische Sicherheitskräfte inspizieren zerstörte Häuser, die von einer aus dem Iran abgefeuerten Rakete getroffen wurden, in Rishon Lezion, Israel. Foto: picture alliance, dpa, AP

    Eine solche Nacht haben die Menschen in Israel seit Langem nicht erlebt. Immer wieder schrillten in der Nacht auf Samstag die Sirenen, rissen Familien aus dem Schlaf, trieben sie in Bunker und Schutzräume. In Tel Aviv waren mehrfach Explosionen zu hören; einige davon brachten Türen und Fenster selbst entfernter Gebäude zum Zittern. Hunderte Drohnen und Raketen feuerte der Iran in der Nacht auf Samstag gen Israel ab, als Vergeltung gegen die israelischen Militärschläge auf das iranische Atomprogramm. Viele der Geschosse konnte Israels Luftabwehr abfangen, doch einige gingen dem System durchs Netz: In Rishon LeZion etwa, einer Kleinstadt südlich von Tel Aviv, schlug eine Rakete in ein Einfamilienhaus ein, tötete zwei Menschen und verletzte etliche weitere. Fotos zeigen das Haus in Trümmern: Die Fassade ist heruntergerissen, die Straße davor mit Schutt bedeckt. Insgesamt meldeten die israelischen Behörden bis Samstagmittag drei Tote und Dutzende Verletzte.

    Erst in den Morgenstunden kehrte im Land wieder Ruhe ein. Das Heimatschutzkommando der israelischen Armee, der IDF, senkte am Mittag die Alarmbereitschaft: Die Bürger müssten sich nicht mehr in unmittelbarer Nähe von Bunkern und Schutzräumen aufhalten. Dennoch blieben in Tel Aviv und anderen Städten die meisten Cafés geschlossen – Geschäfte haben am Schabbat ohnehin zu –, und nur wenige Menschen wagten sich aus dem Haus. Die nächste Angriffswelle aus dem Iran gilt nur als Frage der Zeit.

    Israels Verteidigungsminister droht: Wenn Iran weiter die Zivilbevölkerung angreift, wird Teheran brennen

    Denn auch der israelische Angriff auf iranische Atom- und Militäranlagen ist offenbar noch nicht vorbei – obwohl die bisherigen militärischen Erfolge beachtlich sind. Mit Unterstützung des israelischen Auslandsgeheimdienstes Mossad hat die IDF große Teile der iranischen Militärführung vernichtet, führende Nuklearforscher getötet und einer Reihe militärischer und nuklearer Einrichtungen offenbar erheblichen Schaden zugefügt. Und am Samstag drohte Israels Verteidigungsminister Israel Katz dem Obersten Führer des Irans Ali Chamenei mit weiteren Angriffen: „Falls Chamenei weiter Raketen auf die israelische Zivilbevölkerung abfeuert, wird Teheran brennen.“

    Experten rechnen mit weiteren Kämpfen in den folgenden Tagen. „Der Iran ist geschwächt, aber er hat noch immer genügend Kapazitäten, um zurückzuschlagen“, sagte Sima Shine, eine frühere hochrangige Mitarbeiterin des Mossad und Iranexpertin vom Institut für Nationale Sicherheitsstudien (INSS) in Tel Aviv, in einem Pressebriefing.

    In Israel gibt es für den Angriff auf die iranischen Atomanlagen erhebliche Unterstützung – deutlich mehr als für die Fortführung des Gazakrieges. Das iranische Nuklearprogramm gilt hierzulande als existenzielle Bedrohung für den Jüdischen Staat, zumal Vertreter der iranischen Führung dem „zionistischen Gebilde“ immer wieder mit Auslöschung drohen.

    „Wenn es um die Sicherheit des israelischen Volkes gegenüber unseren Feinden geht, sind wir ein Volk mit einer gemeinsamen Mission“, schrieb Oppositionsführer Yair Lapid am Freitag in einem Blogbeitrag. „Unsere Kinder werden nicht in Angst vor einer iranischen Atombombe leben – nicht heute und niemals.“ Auch die Vorsitzende anderer Oppositionsparteien, etwa der frühere Armeechef Benny Gantz und der einstige Verteidigungsminister Avigdor Lieberman, begrüßten den Angriff. Selbst Yair Golan, der Chef der linken Partei Die Demokraten und einer der schärfsten Kritiker der rechtsreligiösen Regierung unter Benjamin Netanjahu, äußerte Unterstützung: „Ein starkes Volk, eine entschlossene Armee und eine Heimatfront, die hinter ihnen steht – so haben wir immer gesiegt, und so werden wir auch heute siegen“, schrieb er in den sozialen Medien.

    Angriff auf iranisches Atomprogramm: Fast die Hälfte der Menschen in Israel unterstützt das

    In der Bevölkerung ist die Stimmung gemischt. Zwar halten viele Menschen, längst nicht nur auf der rechten Seite des politischen Spektrums, das iranische Atomprogramm für gefährlich. Allerdings haben viele Sicherheitsexperten in Israel über Jahre hinweg gewarnt, nur mit Hilfe der USA könne Israel den iranischen Atomanlagen nachhaltigen Schaden zufügen. Denn einige der Anlagen befinden sich Berichten zufolge so tief unter der Erde, dass nur spezielle bunkerbrechende Bomben in Besitz der USA sie zerstören könnten. In einer Umfrage des Israel Democracy Institute, einer liberalen Denkfabrik, äußerten im April 45 Prozent der Befragten, Israel solle das Atomprogramm auch ohne die militärische Unterstützung der USA angreifen; 41,5 Prozent der Befragten sprachen sich dagegen aus.

    Hisbollah will sich aus Konflikt zwischen Israel und Iran heraushalten

    Wann sich die Lage beruhigen könnte, ist noch nicht abzusehen. In Israel gilt es als ermutigendes Zeichen, dass die Hisbollah im Libanon, einst der militärisch mächtigste Verbündete des Irans in der Region, sich aus dem Schlagabtausch offenbar heraushalten will. Weil Israel und der Libanon eine Grenze teilen, bleibt israelischen Bürgern im Falle von Raketenangriffen der Hisbollah viel weniger Zeit zur Vorbereitung als im Falle iranischer Geschosse. Während des militärischen Schlagabtauschs zwischen Israel und der Hisbollah im letzten Jahr konnte die IDF jedoch Berichten zufolge rund 80 Prozent des Raketenarsenals der Gruppe vernichten. Die militärische Schwächung der Hisbollah, die von westlichen Staaten als Terrororganisation eingestuft wird, hat zudem der libanesischen Regierung mehr politischen Spielraum gegenüber der Gruppe gegeben.

    „Die Hisbollah hat eine interessante Mitteilung veröffentlicht und angekündigt, dass sie sich an dem Konflikt zwischen dem Iran und Israel nicht beteiligen“, berichtet die Iranexpertin Sima Shine. „Die mit dem Iran verbündeten Milizen im Irak sind ebenfalls in einer schwierigen politischen Situation. Ich gehe davon aus, dass wir mehr Raketen von der Houthi-Miliz im Jemen sehen werden, aber darauf ist Israel vorbereitet.“

    Dennoch dürfte der Ausnahmezustand in Israel so bald nicht abgesagt werden. Der internationale Ben-Gurion-Flughafen bei Tel Aviv bleibt bis auf Weiteres geschlossen; auch Schulen und Kindergärten werden in den kommenden Tagen aus Sicherheitsgründen vermutlich nicht öffnen. „Das ist keine Militäroperation mehr“, sagt Shine, „das ist ein Krieg.“

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare

    Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.

    Registrieren sie sich

    Sie haben ein Konto? Hier anmelden