Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

Nahostkonflikt: „Hat Israel sicher ermutigt“: Das steckt hinter den Angriffen auf den Iran

Nahostkonflikt

„Hat Israel sicher ermutigt“: Das steckt hinter den Angriffen auf den Iran

    • |
    • |
    • |
    Ein Feuerwehrmann ist am Ort einer Explosion in einer Wohnanlage im Einsatz.
    Ein Feuerwehrmann ist am Ort einer Explosion in einer Wohnanlage im Einsatz. Foto: Vahid Salemi, AP/dpa

    Kurz vor drei Uhr morgens Ortszeit schrillten in Israel die Sirenen, die vor Luftangriffen warnten. Im ganzen Land schreckten Menschen aus dem Tiefschlaf hoch, hoben hastig kleine Kinder aus dem Bett und eilten in Bunker und Schutzräume. Viele gingen zunächst von einer Attacke aus dem Jemen aus: Die dortige Houthi-Miliz feuert seit Monaten immer wieder Raketen gen Israel. Doch dann begannen in Bunkern und Schutzräumen die Telefone zu sirren – eine außergewöhnliche Push-Nachricht vom israelischen Heimatschutzkommando: Wegen der israelischen Angriffe auf das iranische Atomprogramm sei mit Gegenangriffen zu rechnen. Es gelte ab sofort der Notstand: keine Kindergärten, keine Massenansammlungen, die Bürgerinnen und Bürger sollten sich nahe bei Schutzräumen aufhalten.

    Noch am Abend zuvor war in sozialen Medien spekuliert worden, dass ein israelischer Angriff auf Irans Atomprogramm kurz bevorstehen könnte. In Israel hatten manche die Gerüchte scherzhaft abgetan: Für den kommenden Montag hatte der Sohn des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu seine Hochzeit geplant – die würde der Regierungschef nicht kurzfristig sprengen wollen.

    Doch dann meldete sich Netanjahu in den frühen Morgenstunden per Videonachricht zu Wort. „Vor einigen Momenten hat Israel die Operation ‚Aufstrebender Löwe‘ gestartet“, sagte er, „eine gezielte Militäroperation zur Abwehr der iranischen Bedrohung für Israels Überleben. Diese Operation wird so viele Tage weitergehen, wie nötig ist, um diese Bedrohung zu beseitigen.“

    Mächtige Militärs unter den Opfern der israelischen Angriffe auf den Iran

    Seitdem verharrt das ganze Land in Alarmbereitschaft. Am Freitag herrschte selbst im sonst so rastlosen Tel Aviv eine angespannte Stille: Cafés hatten geschlossen, Parks und Spielplätze blieben leer. Am Morgen hatten Medien gemeldet, hundert iranische Drohnen würden das Land zur späten Mittagszeit erreichen. Am Vormittag gab das Militär zunächst Entwarnung: Die meisten Drohnen seien abgefangen worden; die Bürger sollten wachsam bleiben.

    Noch ist das Ausmaß der israelischen Angriffe nicht abschließend bekannt, doch alle Anzeichen deuten auf eine massive Aktion hin. So hat Israels Armee, die IDF, eigenen Angaben zufolge in der Nacht auf Freitag rund hundert Ziele attackiert, darunter Einrichtungen des iranischen Atomprogramms, hochrangige Militärführer und Atomwissenschaftler. Mit Berufung auf Vertreter des israelischen Auslandsgeheimdienstes Mossad berichtete die Nachrichtenagentur AP, der Mossad habe ebenfalls zu der Aktion beigetragen: Demnach habe der Dienst innerhalb des Irans Sprengstoffdrohnen aktiviert. Die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEA) meldete erhebliche Schäden an der Atomanlage nahe der zentraliranischen Stadt Natanz, die der Urananreicherung dient. Iranischen Angaben zufolge sind unter den Getöteten unter anderem der Befehlshaber der mächtigen islamischen Revolutionsgarde und der Generalstabschef der iranischen Armee.

    Wurde im Iran ein Angriff auf Israel geplant?

    Einen Militärschlag auf das iranische Atomprogramm hat Israel im Laufe der Jahre immer wieder angedroht. Die atomaren Ambitionen des Irans gelten hierzulande nicht nur unter rechten Scharfmachern als existenzielle Bedrohung des Landes, die einen Präventivschlag rechtfertige – zumal das Regime in Teheran dem Jüdischen Staat immer wieder mit Vernichtung droht. Zuletzt hatte das Regime sein Atomprogramm, welches es selbst als zivil beschreibt, Berichten zufolge wesentlich vorangetrieben.

    Möglicherweise hätten Israels Geheimdienste neue Hinweise dafür gefunden, dass das iranische Regime sich zur Produktion von Nuklearwaffen entschlossen habe, spekuliert Raz Zimmt, Iranexperte vom Institut für Nationale Sicherheitsstudien in Tel Aviv (INSS). Außerdem hat Israel die Hisbollah im Libanon, den zuvor wichtigsten und mächtigsten regionalen Verbündeten Teherans, letztes Jahr erheblich geschwächt. „Früher war die Hisbollah die wichtigste Bedrohung“, hätte Israel sich zu einem Militärschlag gegen das iranische Atomprogramm entschieden, sagte Zimmt in einem Briefing für Journalisten. „Aber nun ist sie weder willens noch in der Lage, zurückzuschlagen. Das hat Israel sicher ermutigt, die Gelegenheit zu nutzen.“

    IDF-Angaben zufolge hatte der Militärgeheimdienst festgestellt, dass sich in der Nacht auf Freitag ranghohe Vertreter der Luftwaffe der Islamischen Revolutionsgarde in einer unterirdischen Kommandozentrale versammelt hatten, um einen Angriff auf Israel zu planen. Die Aussicht darauf, mehrere Militärführer auf einen Schlag auszuschalten, dürfte die Entscheidung Israels beeinflusst haben.

    Israels Angriff könnte den USA und Donald Trump in die Hände spielen

    In den vergangenen Wochen hatte die US-Regierung unter Präsident Donald Trump versucht, den Iran in Verhandlungen dazu zu bringen, sein Atomprogramm zu begrenzen. Zuletzt waren die Gespräche jedoch ins Stocken geraten. Der israelische Geheimdienstexperte Eyal Pinko zeigte sich in einem Pressebriefing am Freitag überzeugt, dass Israels Militärschlag mit den USA abgesprochen war, auch wenn es sich offiziell um eine rein israelische Aktion handelt. „Ich gehe davon aus, dass die Planung dafür begonnen hat, nachdem Trump ins Amt gekommen ist“, sagte Pinko, der am Begin-Sadat-Zentrum für strategische Studien von der Bar-Ilan-Universität bei Tel Aviv forscht. „Eine solche Operation muss mindestens ein halbes Jahr im Voraus geplant und organisiert worden sein.“

    Der israelische Analyst Avi Melamed glaubt, dass der Angriff der US-Regierung in die Hände spielt: „Aus Trumps Sicht besteht ein Vorteil in einer Situation, in der Israel militärisch eingreift, um das iranische Regime aus einer deutlich geschwächten Position zurück an den Verhandlungstisch zu zwingen“, schreibt er in einer Nachricht. „Den Preis für dieses Vorgehen wird Israel zahlen.“

    Es ist davon auszugehen, dass Iran auf eine derart massive Attacke reagieren wird, etwa mit weiteren Drohnen- sowie Raketenangriffen. Manche Analysten rechnen außerdem mit Cyberattacken und Anschlägen auf israelische Personen oder Einrichtungen in Drittländern. Eins gilt als sicher: Die jüngste Eskalation im Nahen Osten hat gerade erst begonnen.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare

    Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.

    Registrieren sie sich

    Sie haben ein Konto? Hier anmelden