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Dänemark: auf Wikingerspuren rund um Roskilde

Dänemark

Kämpfen wie die Wikinger: Das kann man rund um Roskilde erleben

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    Beim zünftigen Hauen und Stechen nach Wikingerart geht es historisch eher lässig zu. Erwachsene und Kinder haben gleichermaßen ihren Spaß.
    Beim zünftigen Hauen und Stechen nach Wikingerart geht es historisch eher lässig zu. Erwachsene und Kinder haben gleichermaßen ihren Spaß. Foto: Ronald Hinzpeter

    Was für ein Geschrei! Laut brüllend stürmen zwei Reihen Bewaffneter aufeinander los, Schilde knallen aufeinander, Schwerter sausen nieder – doch es klirrt nicht metallisch, sondern es macht nur kurz und trocken „Plock“, denn die Waffen sind aus Holz und ziemlich stumpf. Auch die Kriegerinnen und Krieger, die da scheinbar ein wüstes Hauen und Stechen aufführen, tragen lockere Freizeitkleidung, Sportschuhe, Basecaps und grinsen, frei nach dem Motto: Lachen ist die schönste Art, dem Gegner die Zähne zu zeigen. Die Frauen, Männer und vielen Kinder spielen eben ein klein wenig Wikingerkampf auf einer grünen Wiese. Da fließt kein Blut, höchstens mal die eine oder andere Lachträne.

    Wikinger-Abenteuer mit fröhlichem Hauen und Stechen

    Dabei kann es gut sein, dass genau dieser Boden, auf dem die Freizeit-Wickis stehen, vor 1000 oder 1200 Jahren mit Blut getränkt wurde, denn das hier ist klassisches Wikingerland am Roskildefjord, der sich von Norden her tief in die dänische Insel Seeland hineinbohrt. Wo einst die in ganz Europa gefürchteten Nordleute mit ihren schnellen Drachenbooten lebten, können sich heute Familien mit Kindern in die Vergangenheit versetzen lassen und all-inclusive auf diesem 43 Hektar großen Areal namens Sagnlandet (Land der Legenden) wild sein. Sie erhalten entsprechende Kostüme und als Unterkunft stehen eben Zelte bereit. Sie füllen ihre Tage mit Einbaumfahren, Mehl mahlen, mit dem Feuerstein ein Lagerfeuer entzünden – und eben ein bisschen kämpfen lernen. Die Kulisse, vor der sie sich in mittelalterlichen Kampftechniken üben, ist allerdings wirklich imposant: Sie kloppen sich vor einem 60 Meter langen Holzbau, der aussieht wie ein gewaltiges umgedrehtes Langboot aus 1000 Tonnen Eichenholz. Er stellt die Rekonstruktion einer dänischen Königshalle aus dem achten Jahrhundert dar, eine heidnische Kathedrale der Macht.

    Die nachgebaute Königshalle im Sagnlandet von Lejre sieht aus wie ein umgedrehtes Wikingerschiff.
    Die nachgebaute Königshalle im Sagnlandet von Lejre sieht aus wie ein umgedrehtes Wikingerschiff. Foto: Fjordlandet

    Wer durch das Tor tritt und den gewaltigen Raum auf sich wirken lässt, fühlt sich unwillkürlich die „Herr der Ringe“-Filme und speziell an das Volk von Rohan erinnert, dessen Königsbau ganz offensichtlich vom Wikinger-Stil inspiriert ist. An den hohen Säulen dieser gewaltigen Königshalle ranken sich wild verschlungene geschnitzte Figuren aus der nordischen Mythologie in die Höhe: Odin und Thor, Odins Raben und Wölfe, sich windende Schlangen und stolze Adler.

    Runde Schilde hängen an den Wänden, vor denen sich Tische und Bänke aufreihen. In der Mitte des Saals: ein hölzerner Thron. Dort saß in der Regel der Herrscher, der in solchen Königshallen Hof hielt, sich seinen Untertanen zeigte, Recht sprach und auch Geschenke verteilte, mit denen er Gefolgsleute bei der Stange hielt. Rund ein halbes Jahrhundert hielten solche Königshallen, bevor sie abgerissen und verbrannt wurden.

    In der Königshalle von Lejre dürfen sich auch Touristen ein wenig wie Wikinger fühlen.
    In der Königshalle von Lejre dürfen sich auch Touristen ein wenig wie Wikinger fühlen. Foto: Ronald Hinzpeter

    Sieben solcher Gebäude wurden bisher auf dem Gebiet des Nationalparks Skoldungernes Land ausgegraben, den die Gletscher der Eiszeit zu einem flach gehügelten Landstrich geformt haben. Übersetzt bedeutet der Name „Land der Schildjungen“ und bezieht sich auf die Nachfahren des mythischen Königs Skjöld. In finsteren Zeiten, als Kriege und Unruhen das Gebiet der kleinen Stadt Lejre erschütterten, beteten die Menschen zu Odin, damit er ihnen zu Hilfe komme. Und so segelte eines Tages ein Schiff in den Fjord von Roskilde. An Bord befand sich nur ein kleiner Junge, umgeben von Waffen und Schilden. Die Menschen nahmen an, dass er der Sohn von Odin sein müsse und machten ihn zu ihrem Herrscher, zu König Skjöld. Der wiederum erledigte seinen Job erstklassig, sorgte für Frieden und Wohlstand und wurde der Vorfahr etlicher weiterer mythischer Wikingerkönige – so zumindest geht die Sage von den Schildjungen, wie die Herrscher genannt wurden.

    Die sogenannten Schiffssetzungen im Nationalpark Skjoldungernes Land geben immer noch Rätsel auf
    Die sogenannten Schiffssetzungen im Nationalpark Skjoldungernes Land geben immer noch Rätsel auf Foto: Fjordlandet

    Wer dort genau lebte, ist unklar, doch es gibt zahlreiche Überreste aus der Wikingerzeit, wie etwa die Spuren von Königshallen im Boden oder die sogenannten Schiffssetzungen. Sie bestehen aus großen spitzen, ovalen Steinbrocken, die in Form eines Schiffsrumpfes angeordnet sind. Die längste davon misst immerhin 83 Meter. Wozu die Steinschiffe dienten? Das kann auch Mikkel Eeg vom Nationalpark Skjoldungernes Land nicht beantworten: „Man weiß nicht, wozu sie errichtet wurden. Sie waren wohl ein kultischer Ort, um die Überfahrt ins Totenreich zu ermöglichen“, erklärt er. Dafür spricht, dass in dem Gebiet bisher 50 Wikingergräber entdeckt wurden.

    Ein bisschen Wikinger-Gefühl in der Bucht von Roskilde

    Wie die Drachenboote der Nordleute wirklich aussahen, lässt sich im Wikingerschiffsmuseum von Roskilde eindrucksvoll bewundern. Das beherbergt immerhin fünf originale Schiffe, die vor knapp 1000 Jahren im Fjord versenkt wurden, um eine Hauptfahrrinne zu blockieren und so die Hafenstadt Roskilde vor maritimen Feinden zu schützen. Die Boote lagen übereinander im Wasser und wurden Ende der 50er, Anfang der 60er Jahre in einem extrem aufwendigen Verfahren hochgeholt. „Es hat ewig gedauert, sie wieder zusammenzusetzen“, erläutert Orlando West vom Museum mit leicht bayerisch gefärbtem Deutsch. Kein Wunder, ist er doch in München aufgewachsen. Um das schwarz verfärbte Holz haltbar zu machen, tränkte man die Planken Polyethylenglykol, welches das Wasser verdrängte. Und so lassen sich im Museum sehr schön diese Original-Relikte der Wikinger bewundern, auch wenn die Rümpfe nur in Teilen erhalten geblieben sind.

    Auch Touristen können sich bei einer Ausfahrt mit einem nachgebauten Schiff aus der Wikingerzeit wie einer der wilden Nordleute fühlen.
    Auch Touristen können sich bei einer Ausfahrt mit einem nachgebauten Schiff aus der Wikingerzeit wie einer der wilden Nordleute fühlen. Foto: Fjordlandet

    Die Schiffe der Wikinger lagen einst sehr flach im Wasser und konnten deshalb schnell mithilfe des Segels und der Ruder vorangetrieben werden. Der Rumpf setzte sich aus Planken zusammen, die sich überlappten und dadurch den Rumpf sehr flexibel machten. Orlando West: „Das Schiff biegt und wölbt sich und passt sich dadurch den Wellen an.“ Dass kein Wasser eindrang, dafür sorgten Pech und Wollfäden.

    Im Wikingerschiffsmuseum von Roskilde sind fünf Schiffe aus der Wikingerzeit zu sehen, die einest im Fjord versenkt waren.
    Im Wikingerschiffsmuseum von Roskilde sind fünf Schiffe aus der Wikingerzeit zu sehen, die einest im Fjord versenkt waren. Foto: Ronald Hinzpeter

    Gleich neben dem Museum liegt eine kleiner Hafen mit einer Bootswerft, wo die Schiffe aus Eiche, Kiefer und Esche nachgebaut werden. Das dauert nach den Worten von Orlando West bei einem großen Drachenboot immerhin 14.000 Stunden. Dafür halten die modernen Kopien 30 bis 40 Jahre.

    Wie es sich angefühlt haben mag, in einem Wassergefährt nach Wikingerart zu reisen, lässt sich bei Ausfahrten in nachgebauten kleineren Booten erleben, wenn etwa Silas Ravn und Holger Ekstrand mit Besuchern durch die Bucht schippern. Ehrlich gesagt, kann das in eine ziemliche Plackerei ausarten, wenn es vom Himmel nieselt und der Wind ungünstig steht. Dann muss die zusammengewürfelte Crew sich kräftig in die Riemen legen, die nur mit einer Seilschlaufe an der Bordwand fixiert sind – und nach jeder ungeschickten Bewegung rausrutschen. Und dann sollten schließlich alle im gleichen Takt die langen Stangen mit dem flachen Ende ins Wasser tauchen, was bei ausgewiesenen Landratten an Bord eher leidlich funktioniert. Doch wenn der Wind auffrischt und das Boot vor sich her treibt, macht sich in der Brust doch ein gewisser Stolz und ein Hauch von Wikingergefühl breit.

    Der Dom von Roskilde gehört zum Unesco-Weltkulturerbe.
    Der Dom von Roskilde gehört zum Unesco-Weltkulturerbe. Foto: Ronald Hinzpeter

    Kurz informiert

    Anreise: Der klassische Weg nach Seeland führt mit dem Auto über die sogenannte Vogelflugline von Hamburg oder Puttgarden und von dort mit der Fähre nach Rødbyhaven. Seit Dezember 2019 sind die Zugverbindungen mit der Fähre eingestellt. Die Züge werden zwischen Hamburg und Kopenhagen über die Jütlandlinie umgeleitet. Der Fehmarnbelttunnel ist derzeit in Bau und soll 2029 fertig sein.

    Essen: Ein hübsches Restaurant im Park von Roskilde ist das Pipers Hus mit Blick auf den Fjord. Ungewöhnlich ist das Sct. Hans Have, ein Naturgarten mit einem Bio-Café, einem Laden und einer Gärtnerei. Der Garten liegt am Fjordstien, der den historischen Garten mit der Stadt Roskilde und dem Boserup-Wald verbindet. In dem Garten werden Obst und Gemüse angebaut, seit es dort eine psychiatrische Klinik gibt, also seit rund 200 Jahren. Das Essen ist gut, das Brot geradezu sensationell. Man sitzt in alten Gewächshäusern unter Weinreben und Feigenbäumen oder im Beerengarten unter freiem Himmel.

    Eiscreme: Mehr als 100 Jahre alt ist Hansens Molkerei, die ein exquisites Eis produziert. Sie bezieht ihre Milch von einem Kollektiv, das 1978 einen 800 Jahre alten Gutshof übernommen und auf biologische Landwirtschaft umgestellt hat. In einer Art sozialistischem Experiment leben dort 70 Erwachsene und 35 Kinder – und ihre Milch wird von Hansens zu erstklassiger Eiscreme verwandelt. Ein Besuch in der wunderbaren alten Molkerei in Jægerspris lohnt sich. Das Sahneeis verträgt unbedingt noch einen Nachschlag. (hip)

    Der Autor recherchierte auf Einladung von Visit Denmark und Visit Fjordlandet.

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