
Auf in den Biermärz: Wenn sich im Innviertel alles ums Bier dreht

Im Innviertel in Österreich geht es etwas gemütlicher zu. Im März dreht sich in den Brauereien undGasthäusern alles um die Delikatesse Bier. Das knüpft an eine alte Tradition an.
Es ist eine Gegend zum Runterkommen, nichts Spektakuläres, dafür ein abwechslungsreiches Auf und Ab auf kleinen Straßen durch eine hügelige Landschaft. Das erste, was nach so einem grünen Hügel in den Himmel ragt, ist meist ein Kirchturm mit aufwändig gestalteter Zwiebelhaube. Hier bleibt die Kirche noch im Dorf. Und in den Städtchen scharen sich die Häuser mit ihren Rokokofassaden um den Marktplatz.
Das Innviertel im Dreieck zwischen Inn, Donau und Salzach war mal bayerisch und liegt heute ganz am Rand von Oberösterreich. Typisch ist die Architektur der Stadthäuser mit den hinter den breiten, oft aufwendig verzierten, Fassaden versteckten Dächern. Auf dem flachen Land stechen die imposanten Vierkanthöfe inmitten der Felder ins Auge. Hier ist nichts überlaufen, auf den kurvenreichen Sträßchen drohen keine Staus. Und in den Dörfern scheint die Welt noch in Ordnung. Es gibt Bäcker, Metzger und Wirtshäuser. Und Bier, viel Bier. Vor allem im März.

Das hat Tradition. Wurde doch in alten Zeiten „im Märzen“ das letzte Bier des Jahres eingebraut. Stärker als üblich, weil man es im Lauf der Monate mit Wasser strecken konnte. Das erzählt einer, der es wissen muss: Karl Zuser aus Riedberg, eine imposante Erscheinung, ist Diplom-Biersommelier, Biertrinker und Biersammler aus Leidenschaft. Im Bierkeller des heimischen Gasthofs Riedberg drängen sich in den Regalen mehr als 750 verschiedene Biere.
Man kann gut verstehen, dass hier unten der Ausgangspunkt des Rieder Bierbummels ist. Denn Karl Zuser ist eine schier unerschöpfliche Quelle, wenn es ums Bier geht. „Erzählen kann ich unendlich“, sagt der 50-Jährige, der 1500 Biersommeliers ausgebildet hat. Natürlich weiß so einer auch, dass das Oktoberfest eigentlich das „Abverkaufsfest“ fürs restliche Märzenbier war. Denn „zwischen Georg und Michael“ – also zwischen März und Oktober – durfte früher kein Bier gebraut werden – aus Brandschutzgründen.
Die Brauer im Innviertel haben sich vor zwölf Jahren zusammengetan
An diese alten Regeln knüpft der Biermärz an, wie der Innviertler Tourismuschef Gerald Hartl erklärt. Vor zwölf Jahren haben sich Innviertler Brauer zusammengetan, um dem Gerstensaft wieder zu mehr Aufmerksamkeit zu verhelfen. Auch mit einem gemeinsam gebrauten Bier. Aper heißt das „Gemeinschaftsgebräu“ in diesem Jahr, ein süffiges Märzen.
Im Riedberger Bierkeller gibt‘s aber auch ganz Spezielles zu verkosten: Den Weizen-Doppelbock 1779 zum Beispiel, der daran erinnert, dass das Innviertel bis 1779 bayerisch war. Das Trappistenbier aus Engelszell, wo vor zehn Jahren die Brau-Tradition, die 1829 zum Erliegen gekommen war, wiederbelebt wurde. Und dann ein gewürztes Honigbier, das Zuser mit einem glühend heißen Eisenstab „stachelt“, was dazu führt, dass sich der Kohlensäuregehalt verringert und der Restzucker karamellisiert. Der Schaum liegt auf dem Bier wie Schlagsahne – ein Genuss.
Im März steht der Spaß am Bier im Vordergrund
Bierfan Zuser gibt sein immenses Wissen mit großem Enthusiasmus weiter, weil er überzeugt ist, dass in der österreichischen Gastronomie „nichts mehr verkauft wird als eine Halbe Bier“ und man „von nichts so wenig weiß“. Da wolle er noch ein paar Leute bekehren, sagt Zuser schmunzelnd.
Spaß am Bier, das ist in diesen Märztagen das Motto in Brauereien und Wirtshäusern im Innviertel. Auch in Altheim bei der Brauerei Raschhofer, die seit zehn Generationen im Familienbesitz betrieben wird. Vor über 300 Jahren, erzählt Brauereichef Christoph Scherian, sei die Brauerei aus der Landwirtschaft „rausgewachsen“. Scherian ist ein Quereinsteiger. Er kam von der Bank in die Brauerei der Schwiegereltern.
Der Investment-Banker hat sich gut eingearbeitet, die Raschhofer Biere haben ordentlich Preise eingesammelt – in Bronze, Silber und in Gold. Mit neuen Ideen wie dem Brauturm will der 60-jährige Brauereichef das Biererlebnis noch intensivieren. Stolz zeigt er Würzpfanne und Läuterbottich, beide „durchgehend aus Kupfer“ und das Herzstück der Brauerei.
Hinter der Brauerei Pfesch stecken Quereinsteiger
Auch hinter der Brauerei Pfesch stecken Quereinsteiger. Sie habe sich aus einem Hobby heraus entwickelt hat. So sieht es Martin Ehrlinger, 47, der mit seinem Bruder Florian, 43, das Pfesch-Bier braut. Als sie anfingen, so der gelernte Landwirt und Maschinenbauer Martin, „hat keiner gewusst, wie‘s geht“. Aber schon der erste Versuch war erfolgreich und bald darauf war die Nachfrage da: „Die Leit wollten einfach unser Bier.“
Schnell wurde eine Erweiterung notwendig, eine Abfüllanlage angeschafft, das Zwei-Kessel-Sudhaus ausgebaut. Billig war das Ganze nicht, Florian spricht von einer sechsstelligen Investition. Doch es hat sich gelohnt. Im Sudhaus finden auch die wichtigsten Schritte vom Wasser Zum Bier statt getreu der Volksweisheit: Auch Wasser wird zum edlen Tropfen, mischt man es mit Malz und Hopfen.
„Bier verbindet“, sagt Florian und dass die kleine Brauerei auch Leute zum Bier bringt, die eigentlich keine Biertrinker sind. Das liegt womöglich auch an der Qualität des Bieres, das in Ruhe reifen darf. Martins Frau Johanna (42) bringt derweil Backen und Brauen zusammen - mit einer Backmischung für „Bierstengerl“. Die schmecken natürlich am besten zum Pfesch-Bier. So kommt auf dem Hof, auf dem ein stolzer Hahn über 50 freilaufende Hennen wacht, eins zum anderen. Doch hinter der ländlichen Idylle steckt auch viel Arbeit. Dass Martin um 5 Uhr aufgestanden ist, um den Brotbackofen anzuheizen, erwähnt er ganz nebenbei.
Auch der Apotheker Roman Kainhofer schlägt sich so manche Nacht um die Ohren. Denn der schmale Mann mit der dunklen Brille hat seine Leidenschaft für Edelbrände entdeckt. Besonders liebt er den „Sonnenglanz“, ein Apfelcuvée aus alten Obstsorten. Damit tue er auch etwas für den Erhalt der Streuobstwiesen, ist Kainhofer überzeugt. Nach einem deftigen Mittagessen im Englwirt, zu dem Gastgeber Pepi Burgstaller Innviertler Knödel von der Mama serviert, schmecken die edlen Tropfen aus der Karolido Destillery. Denn die Tennisball großen Knödelchen sind gefüllt mit Surspeck, Geselchtem oder Grammeln. Dazu gibt‘s Sauerkraut und natürlich – Bier.
Wie gut der Gerstensaft auch mit einem Gourmet-Menü harmoniert, kann man beim Wirt z‘Kraxenberg in Kirchheim erleben. Die Bierbegleitung zum Gourmetmenü kommt in Probiergläsern. Schließlich ist „Bier ja nicht zum Abischütt‘n da“, wie Florian Ehrlinger schon feststellte.
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