Für viele Anwohner wirkt die Nachricht elektrisierend: Die Planungen für einen dieselfreien Personennahverkehr auf der Schiene im südlichen Landkreis Augsburg nehmen Fahrt auf. Die Bayerische Eisenbahn-Gesellschaft (BEG), die den Personennahverkehr auf der Schiene plant, finanziert und kontrolliert, setzt auf Akku-Züge. Für sie soll eine neue Oberleitung gebaut werden. Allerdings nur bis Bobingen. Das ist der Industrie- und Handelskammer (IHK) zu wenig.
Für den IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Marc Lucassen sei eine Oberleitung zwischen Augsburg und Bobingen nur ein „Einstieg“. Er sagt: „Es braucht mittelfristig mindestens bis Buchloe, besser bis Kempten, eine durchgehende Elektrifizierung.“ Die IHK Schwaben hatte sich – unter anderem mit einem Gutachten bereits 2007 sowie 2015 in ihrer Stellungnahme zum aktuellen Bundesverkehrswegeplan – für die Elektrifizierung der Strecke Augsburg–Buchloe als wichtige Querverbindung zwischen den Linien München–Lindau und München–Stuttgart eingesetzt.
Wasserstoff-Technologie soll im Landkreis Augsburg weiter getestet werden
Die Elektrifizierung des gesamten Abschnitts zwischen Bobingen und Buchloe sei derzeit nicht geplant, heißt es aus dem Verkehrsministerium in München. Dies wäre lediglich für den Akku-Betrieb eines tri-modalen Neigetechnik-Neufahrzeugs, also ein Antrieb mit Oberleitung, Akku und Wasserstoff-Brennstoffzelle, erforderlich gewesen. Die Beschaffung eines solchen Fahrzeugs sei jedoch verworfen worden. Die Elektrifizierung des Abschnitts zwischen Bobingen und Landsberg sei für den Akku-Betrieb ebenfalls nicht erforderlich. Ein Gutachten hatte laut Ministerium ergeben, dass Fahrzeuge mit geladenem Akku von Bobingen bis Landsberg und wieder zurück fahren können. Zusätzlich bestehe auch noch eine Auflademöglichkeit im Bahnhof Kaufering, der Teil der bereits elektrifizierten Strecke von München nach Memmingen ist. Ein weiterer Grund: Für den zur Umstellung auf Akku-Züge notwendigen Infrastrukturausbau soll eine Bundesförderung nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz beantragt werden. Um diese zu erhalten, müsse der volkswirtschaftliche Nutzen mit einer Nutzen-Kosten-Untersuchung nachgewiesen werden. Jeder zusätzliche Infrastrukturausbau, der für den Akku-Betrieb nicht zwingend benötigt wird, belaste die Kostenseite und sollte daher vermieden werden.
Mit den Akku-Zügen ist die Wasserstoff-Technologie erst einmal aus dem Rennen. Ein Gutachten habe nach Ansicht des Verkehrsministeriums gezeigt, dass die Kombination von Akku- und Wasserstoffantrieb in einem Fahrzeug technisch sehr aufwändig und mit hohen Risiken verbunden wäre. Zudem könne der kostenintensive Aufbau einer Versorgungs- und Betankungsinfrastruktur für Wasserstoff in den großen Neigetechniknetzen entfallen.

Der Testbetrieb des Wasserstoffzuges Mireo Plus H - unter anderem zwischen Augsburg und Füssen - soll unabhängig von den vorgestellten Ausbauplänen bis Mitte 2027 weiter laufen. „Wasserstoffzüge können eine Alternative zum Betrieb mit elektrischen Zügen und Akku-Zügen darstellen. Nach Abschluss des Testbetriebs kann eine fundierte Entscheidung getroffen werden, welche Rolle Wasserstoffzüge beim Abschied vom Dieselbetrieb im bayerischen SPNV spielen werden“, heißt es aus dem Verkehrsministerium.
Die Umstellung auf Akku-Züge und der damit verbundene Oberleitungsbau soll nach Angaben des Verkehrsministeriums ab 2030 beginnen. Die Kosten dafür werden derzeit auf 13,4 Millionen Euro geschätzt. „Dabei handelt es sich um eine grobe Kostenabschätzung, die im Zuge der Planung weiter vertieft werden muss“, teilt das Ministerium mit. Auch der Bauablauf und eventuelle Einschränkungen für die Fahrgäste können erst nach Abschluss dieser Planungen konkretisiert werden. Der Freistaat möchte laut Pressemitteilung die DB-Infrago, das bundeseigene Eisenbahninfrastrukturunternehmen, noch in diesem Jahr mit der Planung beauftragen.
Bobingen freut sich über die neue Technik
In Bobingen kommt die Nachricht vom dieselfreien Schienenpersonennahverkehr doppelt gut an: „Wir gehen davon aus, dass durch den Einsatz elektrifizierter Züge Emissionen und Lärm reduziert werden. Beides sind positive Effekte für die Energiestadt Bobingen, da sie zur Umweltfreundlichkeit und Lebensqualität beitragen“, sagt Zweiter Bürgermeister Armin Bergmann. Zudem könnte die Elektrifizierung das Image der Stadt weiter stärken und Bobingen als modernen, nachhaltigen Standort noch attraktiver machen.

Ausbau des Bahnhofs wird konkret
Es gibt noch einen weiteren Aspekt, der die Bobinger glücklich stimmen darf: „Außerdem freuen wir uns, dass Bobingen nun verbindlich in die DB-Länderliste für Ausbaumaßnahmen aufgenommen wurde und damit der barrierefreie Ausbau des Bahnhofs Bobingen voranschreitet“, so Bergmann. In der Vergangenheit war der fehlende Ausbau immer wieder kritisiert. Die Stadt hakte mehrfach nach und bot sogar an, die Planungskosten für einen Ausbau zu übernehmen. Jüngst teilte die BEG mit, dass bis spätestens 2029 neue Schienenfahrzeuge auf der Strecke Augsburg-Buchloe zum Einsatz kommen. Es müssten die Gleise an Bahnsteig eins und zwei höher gelegt werden. Deshalb müsse der barrierefreie Ausbau in den kommenden Jahren angegangen werden, heißt es in einem Schreiben. Bobingen sei mittlerweile in ein Regel-Ausbauprogramm der DB aufgenommen worden.
Staudenbahn wird vollelektrisch ausgestattet
Immer konkreter wird derweil auch die Reaktivierung der Staudenbahn zwischen Gessertshausen und Langenneufnach. Sie soll vollelektrisch ausgestattet werden. Die Plangenehmigungsunterlagen werden derzeit abgeschlossen und der Planfeststellungsantrag, der im April eingereicht werden soll, vorbereitet. Mit dem Fahrplanwechsel Ende 2027 soll der Personennahverkehr auf der Strecke wieder verkehren.
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