
Der Fußball oder die Formel 1 können auch in sterilen Blasen überleben. Viele andere Ligen dagegen wandeln auf einem schmalen Grat: mit oder ohne Fans?
Der professionelle Sport geht höchst unterschiedlich mit Corona um. Da ist der internationale Geldadel, der sich in hermetisch abgeriegelte Blasen zurückzieht. Entkoppelt von seinem Publikum. Die US-Open der Tennisprofis werden so gespielt. Gleiches gilt für die Play-offs der nordamerikanischen Top-Ligen im Eishockey und im Basketball. Die Formel 1 fährt ebenfalls in einer Blase. Und auch die Fußball-Champions-League beendete ihre Saison vor leeren Rängen. Die Sportler und deren nächstes Umfeld werden von der Außenwelt samt den dort umherschwirrenden Viren abgeschottet. Kameras übertragen das sterile Spektakel in die Wohnzimmer der Interessierten, was die Fernseh- und Werbemillionen sichert. So lässt sich eine Pandemie gut aussitzen.
Ginge es nach Bundesinnenminister Horst Seehofer, dann wäre die Blasen-Phase zumindest im Fußball bald schon wieder vorbei. Im Gespräch mit unserer Redaktion plädierte er dafür, die Stadien zumindest teilweise wieder für Zuschauer zu öffnen. Die konkrete Größenordnung ließ er offen. Es ist ein Vorschlag, den die Fans gerne hören. Es ist aber auch ein Vorschlag, der genau dort hilft, wo ohnehin das meiste Geld fließt.
Die Tour de France agiert nach dem Prinzip Hoffnung, bei anderen regiert die Ungewissheit
Schwieriger wird es eine Etage tiefer. Dort, wo die Etats knapp kalkuliert sind. Im Radsport zum Beispiel. An diesem Samstag startet mit der Tour de France dessen größtes Spektakel. Es abzusagen hätte zahlreiche Teams die Existenz gekostet. Die Sponsoren wollen ihre Fahrer auf der größten Bühne sehen. Also versuchen die Organisatoren der Tour alles, das Rennen starten zu lassen. Fahrer und Betreuer sollen drei Wochen in einer Blase leben. Was aber tun mit den tausenden Zuschauern an der Strecke? 3500 Kilometer Straßenrand passen in keine Blase. Stattdessen: Appelle an die Vernunft der Menschen. Tragt Masken. Haltet Abstand. Wird schon gut gehen. Irgendwie.
Noch ungewisser ist die Lage der Hallensportarten. In Deutschland sind das vor allem Eishockey, Basketball und Handball. Sie alle wollen ab Herbst vor Zuschauern spielen – weil sie es müssen. Eintrittsgelder, Bier- und Bratwurstkonsum finanzieren die Klubs zum Großteil. Das Prinzip der Blase funktioniert dort nicht, denn TV-Gelder spielen eine untergeordnete Rolle. Keine Zuschauer, keine Spiele. Ganz einfach. Also basteln Ligen, Verbände und Klubs eifrig an Hygienekonzepten. Mit deren Hilfe wollen sie möglichst bald möglichst viele Menschen in die Hallen schleusen. Der (Zweck-)Optimismus ist groß. Und mindestens verfrüht. Die Infektionszahlen steigen. Niemand weiß, was nächste Woche ist. Schwer vorstellbar, dass bald schon tausende Zuschauer in die Hallen strömen.
Erst ein Impfstoff wird dem Sport in Corona-Zeiten wieder Normalität bringen
In Leipzig versuchen Wissenschaftler gerade, das Ansteckungsrisiko auf Großveranstaltungen in geschlossenen Räumen zu definieren. Gleiches müsste auch für Fußballspiele in offenen Stadien geschehen. Ein mühsames Unterfangen. Aber es würde der Politik jene Fakten liefern, die Effekthascherei überflüssig machten. Fakten als Diskussionsgrundlage – eigentlich eine gute Idee. Immerhin steht die Frage im Raum, welches gesundheitliche Risiko vertretbar ist, wenn abertausende Menschen ein Fußballspiels besuchen.
Klar ist, dass auch dem Sport erst ein Impfstoff wieder Normalität bringen wird. Bis dahin überlebt der Geldadel in seinen Blasen. Der Rest siecht in freier Wildbahn dahin. Niemand weiß, wie lange noch. Nächsten Sommer sollen in Tokio die Olympischen Sommerspiele stattfinden. Einmal wurden sie schon verschoben. 2021 will das IOC die Spiele mit aller Macht. Und sei es in der größten aller Blasen. Es könnte eine Seifenblase werden.
In dieser Folge unseres Podcasts "Augsburg, meine Stadt" spricht Axel Hechelmann mit Leo Conti vom AEV darüber, was eine Saison ohne Zuschauer für die Augsburger Panther bedeuten würde.
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