Wenn Werner Schuster die komplizierten Zusammenhänge der Sportart Skispringen erklärt, dann hat das immer einen leicht professoralen Charakter. Er lässt sein Gegenüber schnell spüren, dass er nicht nur der plumpe Motivator a la Franz Beckenbauer ist, der seinen Schützlingen nur sagen muss: „Gehts rauf auf die Schanz’n und springts runter“.
Nein, Schuster, der schon als Aktiver damit begann, an der Uni Innsbruck Sport und Psychologie zu studieren, liebt die Wissenschaft. Und es besteht nicht der leiseste Zweifel daran, dass er seiner Diplomarbeit „Sportartgerichtetes Vielseitigkeitstraining als Leitprinzip für die koordinativ-technische Ausbildung im Skispringen“ entweder selbst den Namen gegeben hat oder seinen Professor ob seiner Detailverliebtheit noch heute verehrt.
Das Verhältnis zu den Medien ist nicht ganz einfach
In Oberstdorf wurde Schuster dieser Tage von einem Journalisten gefragt, ob er denn drei Gründe nennen könne, warum sein Vorzeige-Flieger Richard Freitag momentan so stark springe. Da holte Schuster wieder aus... Er halte nichts von diesen „Schubladisierungen“, man müsse den Sportler Freitag ganzheitlicher sehen – und überhaupt. Es folgte eine fünfminütige rhetorisch beachtliche Wortsalve, aus der der Journalist aber alles konnte, nur nicht drei Gründe rausfiltern. Schuster weiß das und sagt: „Ich gebe stets mein Bestes, habe aber manchmal das Gefühl, dass Ihnen (den Medienvertretern) das nicht gut genug ist.“
Dabei genießt der 48-Jährige in der Öffentlichkeit höchstes Ansehen. Er bewältigt, seit er im April 2008 das Amt des glücklosen Peter Rohwein übernommen hat, seine Aufgabe mit Bravour, die deutsche Mannschaft stets zu verjüngen und vom Regionalkader bis zur A-Nationalmannschaft ein durchgängiges Ausbildungssystem aufzubauen. Und er fuhr große Erfolge ein, holte 14 WM-Medaillen und als größten Triumph den Olympiasieg 2014 in Sotschi mit der Mannschaft. Wenn sein Team 16 Jahre nach Sven Hannawald bei der nun begonnenen 66. Vierschanzentournee wieder den Gesamtsieger stellen könnte, wäre Schusters Titelsammlung komplett. Die Sorge, es könnte aber einmal mehr ein deutscher Fluch über dieser Tournee liegen, war Schuster auch in Oberstdorf anzumerken. „Hier kann alles passieren.“
Schon Schusters Vater war Skispringer
In Hirschegg im Kleinwalsertal geboren wuchs Schuster in einer Skispringer-Familie auf. Sein Vater Willy war selbst aktiver Springer in Österreich. Auch Werner Schuster hüpfte früh von Schanzen. Seine größten Erfolge sind ein zweiter Platz beim Weltcup-Springen 1987 im japanischen Sapporo sowie der ewige Schanzenrekord von 158 Metern auf der kleinsten Skiflugschanze der Welt in Ironwood/USA, die unmittelbar nach Schusters Rekord 1994 geschlossen wurde. Schuster lebt heute mit Frau und zwei Kindern gleich hinter dem Fernpass in Mieming in Tirol.
Lesen Sie auch:
Die deutschen K.o.-Duelle beim ersten Tournee-Wettbewerb
Richard Freitag gewinnt Qualifikation in Oberstdorf