Die gute alte Salami-Taktik ist den meisten aus Situationen bekannt, in denen Menschen nur immer so viel zugeben, wie sich ohnehin nicht mehr leugnen lässt. Aus der Wissenslücke wird eine Lüge und dann im Laufe der Ermittlungen ein Geständnisscheibchen. Gefolgt von der nächsten Lüge und dem nächsten Scheibchen. Im Sport haben es diverse Dopingsünder zu Meistern in dieser Disziplin geschafft. Da werden erst die fantastischsten Geschichten erzählt, ehe dann, Scheibchen für Scheibchen, die Wahrheit ans Tageslicht kommt.
Nun ist es aber so, dass es im weiten Feld der Salami-Taktiken auch einen Spezialisten der etwas anderen Art gibt. Er lässt Taten statt (falscher) Worte sprechen. Und verdient mit jedem neuen Scheibchen einen Batzen Geld. Der Schwede Armand Duplantis ist im Stabhochsprung das Maß der Dinge. In Paris gewann er überlegen olympisches Gold und überflog dabei die neue Weltrekordhöhe von 6,25 Meter. Es war seine mittlerweile neunte Bestmarke. Doch schon im Stade de France sahen selbst ungeübte Augen, dass da noch jede Menge Luft zwischen Stange und Sportler war. Folgerichtig hatte der Rekord nicht lange Bestand. Am Sonntag überquerte Duplantis beim Diamond-League-Meeting im polnischen Chorzow 6,26 Meter.
Jeder Weltrekord beschert Duplantis Summe von Ausrüster Puma
Wer sich die Liste der Weltrekorde anschaut, wird schnell erkennen, welche Salami hier in feine Scheiben geschnitten wird: 6,17 - 6,18 - 6,19 - 6,20 - 6,21 - 6,22 - 6,23 - 6,24 - 6,25 - 6,26.
Der Rest der Weltelite ist glücklich, gelegentlich die Sechs-Meter-Marke zu überwinden. Für Duplantis ist das nur ein besseres Aufwärmprogramm. Er fliegt in seiner eigenen Liga und lässt sich das gut bezahlen. Sein Kumpel Karsten Warholm sagte einmal am Rande eines Meetings folgenden Satz: „Jedes Mal, wenn er einen Weltrekord bricht, schüttelt die Bonus-Abteilung bei Puma resigniert den Kopf.“ Daraus lässt sich einigermaßen sicher folgern, dass Duplantis einen Vertrag mit seinem Ausrüster hat, in dem festgelegt ist, dass jede Bestmarke eine Überweisung nach sich zieht. Diese soll Gerüchten zufolge jeweils 50.000 Euro betragen. Dazu kommen in der Regel noch Prämien der jeweiligen Veranstalter, die sich und ihr Meeting gerne mit Rekorden schmücken. Die Diamond League zahlt 45.000 Euro. Etwas überspitzt formuliert verdiente Duplantis also in Polen innerhalb weniger Sekunden knapp 100.000 Euro.
Duplantis selbst hat schon mal gesagt, dass er Höhen jenseits der 6,30 Meter für möglich hält. Es wird ihm keiner widersprechen. Gleichzeitig bedeutet das noch mindestens vier Zahltage, wollte man die unfassbaren Leistungen dieses Jahrhunderttalents auf den schnöden Mammon herunterbrechen.
Bei Salami-Taktik eifert Duplantis Stabhochsprung-Legende Bubka nach
Neu ist dessen Interpretation der Salami-Taktik allerdings nicht. Sein Vorbild heißt Sergej Bubka. Insgesamt 35 Weltrekorde stellte der Ukrainer in den 1980er und 1990ern in der Halle und unter freiem Himmel auf, was zu jener Zeit noch unterschieden wurde. Er war der Erste, der sechs Meter überflog und natürlich steigerte auch er sich jeweils nur um einen Zentimeter. Zu seinen besten Zeiten soll er 100.000 Dollar für einen Weltrekord und 75.000 Dollar Antrittsgage erhalten haben. Nach seinem legendären Weltrekordsprung von 1994 in Sestriere (6,14 Meter) bekam er einen Ferrari geschenkt und drehte gleich noch eine Ehrenrunde.
Duplantis interpretiert die Salami-Taktik etwas geerdeter. Er rennt nach jedem seiner Rekorde noch immer zu seiner mitgereisten Familie und Freunden, als habe er gerade etwas absolut einmaliges geschafft - was in diesem Moment ja stimmt. Bis zum nächsten Weltrekord.
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