Vor einem Jahr war die Vorstellung des Nationalmannschaftskaders für die Heim-EM noch ein mediales Event. Über die Tagesschau, auf Konzerten und in einer Berliner Dönerbude wurden die 26 Spieler bekannt gegeben, die für Deutschland an den Start gingen. Ein Jahr später nimmt sich die Veröffentlichung des DFB-Kaders für die Nations League, gemeinhin als „Mini-EM“ tituliert, geradezu bescheiden aus. Nicht einmal eine Pressekonferenz, sondern nur eine Videobotschaft von Julian Nagelsmann gab es, in der der Bundestrainer auf seine Beweggründe einging, die zur Nominierung des ein oder anderen Akteurs geführt haben. Die Zielsetzung für die beiden Spiele gegen Portugal in München (4. Juni, 20.45 Uhr) und idealerweise das Finale (8. Juni, 20.45 Uhr, ebenfalls in München) gegen den Sieger aus der Begegnung Spanien gegen Frankreich ist hingegen klar: Der Titel in der lange Zeit nur mäßig geliebten Nations League soll es sein. Es wäre der erste Erfolg seit dem Sieg beim Confederations Cup 2017 für die DFB-Elf. Mit dabei helfen sollen mit Tom Bischof und Nick Woltemade zwei Neulinge – und drei zuletzt verletzt fehlende Rückkehrer sollen sofort wieder Führungsrollen innerhalb des Teams übernehmen.
Einer wird dabei im DFB-Tor stehen und dabei wieder die unangefochtene Nummer eins sein: Marc-André ter Stegen. Den Keeper des FC Barcelona verbindet eine tragische Beziehung mit der Nationalelf: Jahrelang stand er im Schatten von Manuel Neuer und durfte nur ran, wenn der Bayern-Schlussmann verletzt war. Das war zwar oft der Fall, aber eben nie bei Turnieren. Als Neuer nach der EM seinen Abschied aus dem DFB-Tor verkündete, schien die Zeit für ter Stegen gekommen. Die Freude über den neuen Status als deutsche Nummer eins währte aber nur kurz: In den Nations-League-Partien gegen Ungarn (5:0) und die Niederlande (2:2) im September spielte der Ex-Gladbacher noch – dann riss die Patellasehne und die abgelaufene Saison ging größtenteils ohne ihn über die Bühne. Auch nach seiner Rückkehr ließ Barca-Coach Hansi Flick in den entscheidenden Spielen nachvollziehbarerweise den nachverpflichteten Wojciech Szczesny im Kasten. Umso mehr wirkt es wie eine eindringliche Seelenmassage, wenn Nagelsmann den 33-jährigen Ex-Gladbacher als „unsere Nummer eins“ bezeichnet und keinen Zweifel an dessen Stammplatz lässt: „Ich habe da volles Vertrauen. Er ist top im Training. Dazu habe ich auch mit Hansi Flick telefoniert, der mir bestätigt hat, dass er sehr gute Leistungen bringt.“
Auch Florian Wirtz ist wieder im DFB-Kader – das letzte Mal als Leverkusener?
Ebenfalls zurück ist Mittelfeld-Star Florian Wirtz. Der Leverkusener, der nach diesem Sommer wahrscheinlich kein Leverkusener mehr ist, fehlte zuletzt wegen einer Innenbandverletzung. „Wir freuen uns, dass Flo wieder gesund ist und hoffentlich auch unser Spiel mit schönen Aktionen verzaubert“, so Nagelsmann. Vor allem nach dem Ausfall von Jamal Musiala sei es wertvoll, zumindest eine Hälfte des Mittelfeld-Duos Wusiala im Aufgebot zu haben. Der Münchner ist nicht der einzige Akteur, der schmerzlich vermisst wird. Auch Nico Schlotterbeck, Kai Havertz, Antonio Rüdiger, Benjamin Henrichs und Tim Kleindienst fehlen verletzungsbedingt im Kader. „Extrem bitter“ sei das, wie Nagelsmann sagt. Bei Musiala, Havertz und Rüdiger habe es zwar die Option gegeben, diese frühzeitig wieder zu holen, wegen des Restrisikos sei das aber kein Thema gewesen.
Weil nach dem Ausfall von Havertz und Kleindienst vor allem in der Sturmspitze die Optionen dünn geworden sind, findet sich auch ein Name wieder, den nicht zwingend alle Beobachter erwartet hatten: Niclas Füllkrug. Hinter dem Stürmer, der im Sommer vom BVB zu West Ham United gewechselt war, liegt eine gebrauchte Saison: Wegen hartnäckiger Achillessehnenprobleme und einer Oberschenkelverletzung kam er nur auf 17 Ligaspiele, die meisten als Einwechselspieler. Darin gelangen ihm nur drei Tore. Trotzdem hat „Fülle“ seinen Platz im DFB-Kader, so Nagelsmann: „Wir brauchen einen Kopfballspieler im Kader, der ein anderes Element hereinbringt.“ Zudem sei der 32-Jährige auch wichtig für die Teamchemie.
Für Nick Woltemade und Tom Bischof wird es ein langer Fußball-Sommer
In letzter dürften sich die beiden Neulinge eher hinten anstellen: Vom VfB Stuttgart ist Stürmer Nick Woltemade dabei, von der TSG Hoffenheim Tom Bischof. Beiden steht auch nach der Nations League ein intensiver Sommer bevor: Der 23-jährige Woltemade wird mit der U21 die Europameisterschaft in der Slowakei spielen, die zwischen dem 11. und 28. Juni angesetzt ist. Der 19-jährige Bischof, der zum FC Bayern wechselt, wird mit seinem neuen Verein die Klub-WM spielen, die vom 14. Juni bis 13. Juli in den USA stattfindet. Besonderheit bei Bischof: Auch er wäre bei der U21-EM im deutschen Kader gestanden, aber der FC Bayern gab den Mittelfeldspieler nicht frei. Aber für eine Mini-EM davor ist ja noch Zeit.
Das ist der Kader der Nationalmannschaft für das Finale der Nations League:
Tor Oliver Baumann (TSG 1899 Hoffenheim), Alexander Nübel (VfB Stuttgart), Marc-André ter Stegen (FC Barcelona)
Abwehr Robert Andrich (Bayer Leverkusen), Waldemar Anton (VfB Stuttgart), Yann-Aurel Bisseck (Inter Mailand), Joshua Kimmich (FC Bayern München), Robin Koch (Eintracht Frankfurt), Maximilian Mittelstädt (VfB Stuttgart), David Raum (RB Leipzig), Jonathan Tah (Leverkusen)
Mittelfeld Karim Adeyemi (Borussia Dortmund), Nadiem Amiri (FSV Mainz 05), Tom Bischof (TSG 1899 Hoffenheim), Serge Gnabry (FC Bayern München), Leon Goretzka (FC Bayern München), Robin Gosens (AC Florenz), Pascal Groß (Borussia Dortmund), Felix Nmecha (Borussia Dortmund), Aleksandar Pavlovic (FC Bayern München), Leroy Sané (FC Bayern München), Angelo Stiller (VfB Stuttgart), Florian Wirtz (Bayer Leverkusen)
Angriff Niclas Füllkrug (West Ham United), Deniz Undav (VfB Stuttgart), Nick Woltemade (VfB Stuttgart)
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