Der Begriff kam erst im vergangenen Jahrzehnt auf, das Phänomen ist aber seit Generationen von Schulkarrieren bekannt: Prokrastination. Praktisch das Gegenteil der altvorderen Lebensweisheit, wonach nicht auf morgen verschoben werden soll, was auch heute besorgt werden kann. Ehe sich der Englisch-Vokabeln gewidmet wird, werden Action-Figuren abgestaubt, die Katze gefüttert und der Fernseher ob lohnenswerter Inhalte durchsucht. Kein Pennäler, der nicht fündig geworden ist.
Der Heranwachsende ist Experte im prokrastinieren. Was Hänschen gelernt hat, beherrscht aber auch Hans. Auch er (seltener: sie) macht sich weiterhin erst kurz vor zu spät an den Vortrag, der morgen vor der Belegschaft gehalten werden soll. Der mit viel Brimborium installierten Transfer-Taskforce des FC Bayern ist nichts Menschliches fremd. Beruhigend auch, dass selbst Macher alten Schlages sich in den Ablenkungen modernen Lebens verlieren. Wie anders ist es zu erklären, dass eine von Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge geführte Instanz bis zum letzten Tag wartet, ehe Transfers finalisiert werden?
Notenschluss gilt auch für den FC Bayern
Der Tag, an dem das Transferfenster schließt, firmiert seit einiger Zeit unter dem Namen Deadline Day. In der Schule war das der Notenschluss. Danach ist nichts mehr zu machen. Der vorrückenswerte Schüler wird vom sitzenbleibenden getrennt. Hier bekommt nun die Analogie zum Fußball eine Schlagseite. Weil: Vorrücken sollte ja eigentlich der Portugiese Joao Palhinha. Vom Mittelstandsklub FC Fulham zum Nobelverein FC Bayern. Durfte Herr Palhinha dann aber nicht, weil die garstigen Engländer ihn nicht ziehen ließen. Blöderweise hatten sie keinen Ersatz für den Mittelfeldmann parat. Das wiederum lag daran, dass die Münchner erst reichlich spät mit ihrem Wunsch an den FC Fulham herantraten, ihren wichtigsten Spieler verpflichten zu wollen.
Wie eine Lerngruppe, die zwar zusammen total intensiv den Stoff des vergangenen halben Jahren aufarbeiten wollte – aber eben erst einen Tag vor der Prüfung. Am Ende muss es der Lehrer ausbaden. Oder eben der Trainer. Thomas Tuchel immerhin kann in seiner recht kleinen Gruppe viel individueller auf jeden Einzelnen eingehen. Der Betreuungsschlüssel ist besser als in jeder Privat-Kita.
Allen Schülerinnen und Schülern ist die Posse zudem der Beweis, dass tatsächlich nicht für die Schule, sondern für das Leben gelernt wird. Erst die Arbeit, dann das Vergnügen. Vergnüglich war es allerdings schon für alle, die es nicht mit den Münchnern halten.