Schon einige Tage nichts mehr von Oliver Kahn gehört. Auch bei der weiterhin sehr zu empfehlenden Doku „FC Hollywood“ war vom ihm nichts zu hören. Interviews gab es von Scholl, Strunz, Basler, Matthäus, Klinsmann, aber eben nicht von Kahn. Offenbar war der Mann anderweitig als Titan gefordert und hatte keine Zeit für so eine Doku. Umso wohltuender, dass Kahn Fußball-Deutschland seine Sicht auf die Dinge nun im „Aktuellen Sportstudio“ seines einstigen Haussenders ZDF kund tat.
Und tatsächlich äußerte sich der 55-Jährige zum arg bunten Treiben der 90er Jahre. „Wie ein Zirkuspferd“ sei er sich damals vorgekommen in einer medial völlig anderen Zeit: „Vor dem Spiel hat man im Hotel erstmal geguckt, ob da ein Journalist unter dem Bett liegt oder irgendwo auf der Toilette.“ Kahn, offenbar das scheue Reh in einer Herde Alpha-Gockel, habe sich deswegen zurückgenommen und sich ausschließlich aufs Sportliche konzentriert. Deswegen bleibe er beim Sichten der Bilder auch „ein bisschen verstört“ zurück und frage sich: „War ich da wirklich dabei? Aber scheinbar ist das damals alles so gewesen.“
Über seine Zeit beim FC Bayern sagt Kahn: „Da muss man sich schütteln“
Aus heutiger Business-Sicht wirke schon die Zusammenstellung der damaligen, fast nur aus Stars bestehenden Mannschaft abstrus: „Du kannst nicht die besten CEOs (Geschäftsführer) Deutschlands nehmen und die dann in einer Firma arbeiten lassen.“ Stichwort Business: Das ist ja bekanntermaßen mittlerweile das natürliche Habitat des Titanen. Auch wenn es bei den Bayern bekanntlich nicht nach Wunsch lief („Da muss man sich schütteln, dann geht es weiter“) bleibt die einstige Nummer eins ein Fall für den Schreibtisch-Job.
Kürzlich ploppte auf, dass Kahn vor dem Einstieg beim französischen Traditionsklub Girondins Bordeaux steht. Der sechsfache französische Meister hat über 100 Millionen Euro Schulden und musste im Sommer in die vierte Liga absteigen – und der aktuelle Besitzer Gerard Lopez sucht nach Investoren. Kahn, der nun mehr mit Aktien als mit Bällen jongliert, weiß um die möglichen Steigerungsraten einer solchen Konstellation. Andererseits gilt natürlich auch die alte Börsen-Weisheit: Never catch a falling knife, zu deutsch: Fang kein fallendes Messer, selbst wenn es aus Bordeaux stammt. Letztlich sei das alles an der Atlantik-Küste „ eine interessante Geschichte“, aber eben keine, die er alleine stemmen könne.
Zugleich darf die Frage erlaubt sein, wie es um die Motivation der Bordeaux-Profis aussieht, wenn sie wissen, dass sie unter der Aufsicht eines Investors stehen, der auf den Namen Kahn hört. Siege in Dauerschleife fallen unter diesen Bedingungen unter die Kategorie des Selbstschutzes. Das können nicht zuletzt seine Mitspieler aus den 90er Jahren bezeugen.
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