Anna G. ist mit dem Jo-Jo-Effekt allzu gut vertraut. Sie ist 40 Jahre alt, Kindergärtnerin, verheiratet, hat einen achtjährigen Sohn und eine pubertierende Tochter. Doch wenn Anna in den Spiegel schaut, erkennt sie sich kaum wieder. In sich trägt sie das Bild einer jungen Frau, die bei Volleyball-Turnieren eine viel beklatschte Kämpferin war.
Aus dem Spiegel blickt ihr inzwischen eine 69 Kilo schwere Anna entgegen, die nicht weiß, wie sie die 70er-Marke vermeiden soll. Fünf Diäten hat sie bisher getestet, und beinahe immer war es das Gleiche: Die anfangs erfreulich steile Abnahmekurve flachte immer weiter ab, schließlich musste sie um jede 100 Gramm verbissen kämpfen. Und wenn sie wieder normal aß, halfen alle guten Vorsätze nichts. Sechs Wochen später hatte Anna ihre Pfunde wieder, und ein paar Monate später waren’s zwei, drei Kilo mehr.
Anna gehört zur stillen Mehrheit. Drei Viertel aller erwachsenen Deutschen haben mindestens eine Schlankheitskur absolviert - und befinden sich damit bereits auf amerikanischem Niveau. Dort würden Studenten lieber eine kokainabhängige oder geisteskranke Frau heiraten als eine dicke. Bei uns sind die Verhältnisse ähnlich: Bereits die Hälfte aller 11- bis 13-jährigen Mädchen hat Diäterfahrung, beinahe zwei Millionen Jugendliche erkranken jedes Jahr an Magersucht oder Bulimie.
Als Alternative zur Diät zwingen sich viele Schlankheitswillige zum Heilfasten, also quasi zur Nulldiät. Hier scheinen die Anfangserfolge zunächst Recht zu geben. Zwei, drei Kilo Gewichtsverlust in den ersten drei oder vier Tagen sind keine Seltenheit. Doch der Schein trügt: Beinahe alles davon ist Wasser, das der Körper infolge der Ernährungsumstellung ausscheidet und sich bei Normalkost wieder einbehält. Das unter Ärzten umstrittene Heilfasten sollte man tatsächlich nur aus gesundheitlichen oder spirituellen Gründen auf sich nehmen - und unter medizinischer Kontrolle.
Muss sich Anna also in ihr Unglück ergeben? Hat sie keine andere Chance als immer neue Jahresringe zuzulegen statt abzunehmen? So ist es zum Glück nicht. Grundsätzlich gilt nach wie vor: Fett wird vor allem dann gebildet, wenn der Körper mehr Energie zugeführt bekommt, als er verbrauchen kann. Wer also nach einer Diät nicht zu alten Essgewohnheiten zurückkehrt, sondern sehr sorgfältig sein Hungergefühl beobachtet, es befriedigt, sobald es auftaucht und nichts mehr isst, sobald der Hunger - und nicht die Lust - verschwunden ist, hat trotzdem gute Chancen.
Grundsätzlich sollte man nach einer Diät darauf achten, gesättigte Fettsäuren, wie sie in tierischen Fetten vorkommen, weitgehend zu meiden und sich zuckerhaltige Leckerbissen nur in kleinen Mengen zuzuführen. Auch ein Stückchen Schokolade ist ein Genuss, es muss keine halbe Tafel sein.
Spannend im Zusammenhang mit dem Jojo-Effekt ist die These des so genannten Setpoints. Damit ist ein Gewicht gemeint, an das sich der Körper gewöhnt hat und das er unter allen Umständen wiederherstellen will. In gewissem Sinn erklärt die Setpoint-These auch den Jojo-Effekt. Denn sobald die „richtige“ Energiezufuhr unterschritten wird, setzt unser Körper alle Hebel in Bewegung, um den Setpoint wieder zu erreichen.
Der Setpoint gibt uns aber auch ein Mittel in die Hand, um ein neues Idealgewicht zu fixieren, um das sich später unser Körper automatisch kümmert. Vieles spricht dafür, dass er ein Wohlfühlgewicht, das für eine Weile gehalten wurde, als neuen Setpoint akzeptiert.
Das gelingt am einfachsten, indem wir unseren Hunger beeinflussen. Und der hängt vor allem vom Zuckergehalt im Blut ab. Sobald dieser nämlich sinkt, sehen wir uns nach Essen um. „Hungerbremser“ sind deshalb solche Nahrungsmittel, die den Blutzuckerspiegel stabil halten, weil sie unser Blut langfristig und langsam mit Zucker versorgen, also Lebensmittel, die nur langsam verdaut werden: stärke- und faserreiche Gemüse und Vollkornprodukte.
Außerdem ist aus Hungerperspektive betrachtet Kalorie nicht gleich Kalorie. Fünf Pfund Tomaten liefern dem Organismus in etwa die gleiche Menge Energie wie eine Currywurst, sättigen aber mehr. Eine Studie der Ernährungswissenschaftlerin Jennifer Blundell von der Universität Sydney ergab, dass unter allen unseren Nahrungsmitteln Kartoffeln den höchsten Sättigungsgrad haben; 100 Gramm Rindfleisch schaffen gerade mal die halbe Sättigung von 100 Gramm Kartoffeln.
Apropos Fleisch: Aus dieser Ecke stammt das Märchen, Fett würde satt machen. Tatsächlich kamen Wissenschaftler vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung in Potsdam Rehbrücke zu dem Ergebnis, dass Nahrungsfett im Verhältnis zu seinem Kaloriengehalt nur wenig sättigt.
Die Frage kann rundum mit Ja beantwortet werden. Dass Ausdauersport den Setpoint des Körpers herabsetzt, ist wahrscheinlich. Wer also kurz nach seiner Diät ausgiebig Sport treibt - und die sonstigen diesbezüglichen Ernährungstipps beachtet -, hat beste Chancen, dem Jo-Jo-Effekt ein Schnippchen zu schlagen. Hinzu kommt die einfache Erkenntnis, dass Muskeln mehr Energie verbrauchen als Fettgewebe, selbst dann, wenn sie nichts tun. Wer also statt fünf Kilo Fett fünf Kilo Muskeln aufgebaut hat, sieht nicht nur besser aus, er kann auch deutlich mehr essen, ohne ein Gramm zuzunehmen.
Wer allerdings Sport dazu nutzen möchte abzunehmen, wird leicht enttäuscht. Hier macht sich der Setpoint wieder einmal unangenehm bemerkbar. Der Körper verteidigt sein Normgewicht mit allen Mitteln. Der Energieverbrauch beim Sport ist deshalb erstaunlich gering. Wer z.B. die Energiemenge eines einzigen unbelegten Brötchens abarbeiten will, muss eine halbe Stunde zügig wandern gehen, und zwei Esslöffel Sahne sind mit 20 Minuten Tennis teuer zu bezahlen.
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