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Wertingen: Nach dem Hochwasser: Lebenshilfe saniert und optimiert ihre Werkstätten in Wertingen

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Nach dem Hochwasser: Lebenshilfe saniert und optimiert ihre Werkstätten in Wertingen

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    Bereits beim Betreten des Wertinger Werkstätten-Gebäudes der Lebenshilfe riecht und sieht man, dass hier noch einiges zu machen ist. Das Hochwasser Anfang Juni 2024 hatte das Haus sehr in Mitleidenschaft gezogen.
    Bereits beim Betreten des Wertinger Werkstätten-Gebäudes der Lebenshilfe riecht und sieht man, dass hier noch einiges zu machen ist. Das Hochwasser Anfang Juni 2024 hatte das Haus sehr in Mitleidenschaft gezogen. Foto: Birgit Hassan

    Bereits beim ersten Schritt in das Haus der Lebenshilfe am Kaygraben in Wertingen ist klar: Hier ist Baustelle. Eine Baustelle, die ungewollt durch das verheerende Hochwasser Anfang Juni vergangenen Jahres entstanden ist. Eine Baustelle, aus der die Verantwortlichen jetzt das Beste machen wollen. Zuversichtlich schauen sie derzeit in die Zukunft, wissen gleichzeitig, dass das Gelingen von einem Miteinander abhängig ist.

    Miteinander hatten sie innerhalb des Lebenshilfe-Teams im vergangenen Frühsommer gekämpft gegen die Wassermassen, die der Regen, die Zusam, der Kaygraben mit sich gebracht hatten. Mehr als vier Tonnen Sandsäcke haben sie geholt, aufgeschichtet und gehofft, das Wasser aus dem Hof ausleiten zu können. Das Plätschern des Wassers klingt heute noch in den Ohren von Tobias Brucklacher. Der 41-Jährige leitet die Werkstätten in Dillingen und Wertingen. An diesem Morgen gewährt er gemeinsam mit dem Geschäftsführer der Lebenshilfe im Landkreis Dillingen, Thomas Resch, und dem ehrenamtlichen Vereinsvorsitzenden Helmut Holland einen Einblick in das Ausmaß der Überschwemmung und was sich nach der Zerstörung daraus entwickelt.

    Im Sanieren kreiert die Lebenshilfe in Wertingen auch einiges neu

    Die Böden des Erdgeschosses sind aufgeweicht und aufgerissen, es riecht nach Kanal. Viele Kloschüsseln seien abgebaut, erklären die Männer den Geruch, die Fliesen in den Sanitärbereichen müssten komplett herausgeklopft werden. Abwechselnd erzählen sie von den überwältigenden Wassermassen und den entstandenen Schäden, richten gleichzeitig den Fokus darauf, was sie jetzt im Sanieren neu kreieren und zeigen den Weg der Lebenshilfe im Landkreis Dillingen auf.

    Vor über 50 Jahren war der Verein entstanden, mit Angehörigen von Menschen mit geistigen und körperlichen Einschränkungen. „Mit elf Menschen hat damals alles in Dillingen angefangen“, erzählt Holland und fügt hinzu: „Heute geht's nicht mehr ohne Know-How.“ Das bringen unter anderem Thomas Resch und Tobias Brucklacher mit, ersterer als Bankbetriebswirt, letzterer als Elektromeister und Fachwirt. Beide waren auf der Suche nach einem „sinnstiftendem Tun“, wie Resch es nennt, der 2022 nach 30 Jahren in der Sparkasse seinen „klaren Auftrag im Sozialbereich“ erkannte.

    380 Beschäftigte – sprich Menschen mit Behinderungen – sowie 150 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zählt die Lebenshilfe mittlerweile in ihren Werkstätten im Dillinger Stadtteil Hausen und in Wertingen. 80 davon arbeiteten bis zu dem Hochwasser in der Zusamstadt, momentan sind es noch 25, ein Teil davon vorübergehend im Haus der Wohngruppe in der Mohnblumenstraße. Der Rest fährt täglich nach Dillingen. Dort hatten sie in einem Krisenstab beschlossen, sofort einen schützenden Holzboden in der Turnhalle auszulegen, um das Weiterarbeiten zu ermöglichen. „Viele sind traurig“, erzählt Helmut Holland, „wollen ‚wieder heim‘ nach Wertingen.“

    Verschiedene Aufzüge ermöglichten es der Lebenshilfe, in das ehemalige Espe-Gebäude einzuziehen

    Darauf liegt klar der Fokus bei den derzeitigen Sanierungsarbeiten. Im Moment entsteht ein neuer Technikraum im Erdgeschoss – raus aus dem Keller, mit zusätzlich 50 Zentimeter Puffer der Geräte vom Boden weg. Mit dem Ausfall des Stroms funktionierten auch die Aufzüge nicht mehr, weswegen momentan nur für körperlich fitte Menschen ein Arbeiten in dem Gebäude möglich ist. Lange habe man laut Holland nach den ersten Kaufgesprächen 2009 überlegt, ob ein zweigeschossiges Gebäude Sinn mache, sich dann aufgrund der vorhandenen Aufzüge dafür entschieden. 2011 zog man schließlich in das ehemalige Espe-Gebäude am großen Kreisel der Wertinger Umgehungsstraße ein. Momentan arbeitet die Werkstätte mit zusätzlichem Baustrom, der zumindest einen Lastenaufzug möglich macht.

    Der „rein klassische Schaden“ durch das Hochwasser beläuft sich laut Geschäftsführer Resch auf 910.000 Euro. Auf eine Versicherung könne die Lebenshilfe dabei nicht zurückgreifen. Die Versicherungssumme sei „unbezahlbar“ gewesen. Jetzt gelte es, wie bei vielen anderen, mit der jetzigen Situation umzugehen. Bereits nach Wochen kalkulierte man mit 1,5 bis 1,6 Millionen Euro Gesamtkosten, da jetzt gleichzeitig einiges modernisiert und optimiert wird. Die Kalkulation von damals habe sich als realistisch erwiesen. Rund 50 Prozent der Kosten will die Lebenshilfe über Spenden und Förderungen zusammenbekommen. Resch: „Den Rest gilt es zu erarbeiten.“

    Auch an diesem Morgen sitzen die in Wertingen verbliebenen Beschäftigten fokussiert an ihren Arbeiten, vernähen Gurte mit Verschlüssen, andere rollen sie auf. Mit 100 bis 120 Firmen arbeiten die Lebenshilfe-Werkstätten des Landkreises Dillingen im nahen und weiteren Umkreis zusammen. „Aus Mitleid bekommen wir keine Aufträge“, weiß Helmut Holland. „Wir haben Qualitätsziele, die wir auch erreichen“, sagt Thomas Resch, „indem wir die Prozesse zerlegen.“ Dabei verweist er auf einen Jahresumsatz von mittlerweile vier Millionen Euro in der Produktion. Ideal seien dabei Daueraufträge. „Die Menschen brauchen Sicherheit in ihrem Tun“, erklärt Werkstattleiter Brucklacher, „und das Gefühl, dass sie gebraucht werden.“

    Eine Hochwasserschutzwand soll Abhilfe schaffen für das Wertinger Gebäude der Lebenshilfe

    Zu den Optimierungen bei der Sanierung gehören jetzt unter anderem die Zusammenlegung zweier Gruppen mit erhöhtem Unterstützerbedarf im Erdgeschoss samt Umkleiden und Sanitäranlagen sowie aufwertende Veränderungen im Aufenthaltsbereich. Beim Blick aus dem Fenster des Obergeschosses zeigen sich gleichermaßen die Vorzüge und – mittlerweile klar erkannten – Gefahren des ehemaligen Industriegebäudes: ein freier Blick auf die Natur, ein großer Garten, gleich dahinter der Kaygraben und das Wehr der Zusam.

    Geschäftsführer Thomas Resch, Vereinsvorsitzender Helmut Holland und Werkstättenleiter Tobias Brucklacher (von links) zeigen auf, wie es mit dem durch das Hochwasser geschädigte Gebäude am Kaygraben in Wertingen weitergeht. Im Rahmen der notwendigen Sanierung wird unter anderem der Speise- und Aufenthaltsraum modernisiert werden.
    Geschäftsführer Thomas Resch, Vereinsvorsitzender Helmut Holland und Werkstättenleiter Tobias Brucklacher (von links) zeigen auf, wie es mit dem durch das Hochwasser geschädigte Gebäude am Kaygraben in Wertingen weitergeht. Im Rahmen der notwendigen Sanierung wird unter anderem der Speise- und Aufenthaltsraum modernisiert werden. Foto: Birgit Hassan

    Dankbar blicken die drei verantwortlichen Männer darauf, dass eine Hochwasserschutzwand entlang des Kaygrabens jetzt aus dem Gesamtplan des Wasserwirtschafts- und Landratsamtes herausgenommen wurde und zeitnah durch die Stadt umgesetzt werden könne. „Wir hoffen stark auf eine Realisierung im zweiten Halbjahr 2025“, sagt Geschäftsführer Resch. Denn ein klassischer Objektschutz sei laut Brucklacher mit Wänden aus Blechpaneelen, gefüllt mit Dämmwolle, nicht möglich. „Je mehr wir in die Realisierung gehen, umso wichtiger ist, dass auch der Schutz von Außen kommt“, so Resch. Wenn alles perfekt läuft, könne die Sanierung im vierten Quartal 2025 abgeschlossen werden und alle wieder in Wertingen einziehen. Realistisch geht der Geschäftsführer eher vom ersten Quartal 2026 aus.

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