Vor allem Familien vom Abstieg bedroht
Der von der Politik beschworene Aufschwung kommt beim Bürger nicht an. Besonders betroffen ist die Mittelschicht. Für viele wird es immer schwerer, den erreichten Status zu halten. Sie machen sich nicht zu Unrecht Sorgen um ihre wirtschaftliche Zukunft.
Augsburg (dpa/AZ) Die Mittelschicht in Deutschland schrumpft: Fünf Millionen Menschen sind seit dem Jahr 2000 aus dieser gesellschaftlichen Gruppe herausgefallen - die meisten nach unten. Dies haben Forscher des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) aus Berlin in einer neuen Studie festgestellt.
Untersucht wurde nur die Einkommensentwicklung (andere Faktoren wie Bildung und gesellschaftlicher Status spielten keine Rolle). Die Forscher definierten einen "Korridor" rund um den Einkommens-Mittelwert: Wer zwischen 70 und 150 Prozent dieses Wertes als verfügbares Einkommen hat, zählt zur Einkommens-Mittelschicht.
Diese Gruppe bildete über lange Jahre eine feste Größe. In den 1980er Jahren gehörten laut DIW in Westdeutschland 64 Prozent der Bevölkerung dazu, im gesamten Bundesgebiet waren es 62 Prozent. Dies entsprach rund 49 Millionen Menschen. Bis 2000 sei dies "weitgehend stabil" geblieben. "Seither aber schrumpft die Einkommens-Mittelschicht und macht nur noch rund 54 Prozent (rund 44 Millionen Personen) der gesamten Bevölkerung aus", heißt es in der Studie.
Wo sind die fünf Millionen Menschen geblieben, die nicht mehr zur Mitte zählen?
Die obere Einkommensgruppe (mit einem verfügbaren Einkommen von mehr als 150 Prozent des Mittelwerts) wuchs seit 2000 um zwei Prozentpunkte und macht jetzt gut ein Fünftel der Bevölkerung aus. Es gab also auch Aufstieg.
Die untere Einkommensgruppe (mit einem verfügbaren Einkommen von weniger als 70 Prozent des Mittelwerts) hat dagegen weitaus stärker zugenommen: um sieben Prozentpunkte. Bereits mehr als ein Viertel der Bevölkerung gehörte im Jahr 2006 dazu. Die "Abwärtsbewegung dominiert", urteilen die DIW-Experten.
Vom Abstieg aus der Mittelschicht bedroht sind vor allem die klassischen Familien. Paare mit Kindern bis zu 16 Jahren haben es schwer, ihre finanzielle Position in der Mitte der Gesellschaft zu halten. 2006 gehörten drei Millionen Menschen weniger aus diesem Kreis zur Einkommens-Mittelschicht als noch 2000. Aber auch die Zahl der Personen, die in Mehrgenerationenhaushalten leben, sank um eine Million.
Gewachsen in der Mittelschicht sind als einzige Gruppe die Alleinerziehenden (plus 400 000 Personen). Aber dies ist nicht typisch für Mütter oder Väter, die mit Kind(ern) auf sich alleine gestellt sind. Sie sind "in der Gruppe der Armutsgefährdeten weit überdurchschnittlich vertreten", stellen die Forscher fest. Unter den Einkommensstarken seien sie dagegen "praktisch nicht nachweisbar".
Mit welchem Einkommen gehört man eigentlich zu welcher Schicht? Das ist für Laien nicht so leicht nachvollziehbar. Die Forscher verwenden "bedarfsgewichtete" Zahlen, um Haushalte mit unterschiedlicher Größe und Zusammensetzung vergleichen zu können. Das mittlere bedarfsgewichtete Jahreseinkommen lag bis 1998 bei rund 17.000 Euro pro Person. In der anschließenden Aufschwungphase stieg es auf über 19.000 Euro, danach gingen die realen Einkommen wieder zurück.
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