Die Autobranche wurde lange als das Aushängeschild der deutschen Wirtschaft gefeiert, jetzt steckt der bedeutendste Industriezweig in einer schweren Krise. Und wird so auch zum Sorgenkind der EU, da in Brüssel weiterhin gilt: Wenn Deutschland niest, bekommt Europa eine Erkältung. Strauchelt die größte Volkswirtschaft der Gemeinschaft, spüren das auch die anderen Mitgliedstaaten. Doch nicht nur das: Von Autoherstellern und Zulieferern hängen europaweit 13 Millionen Arbeitsplätze ab, der Sektor trägt mit rund einer Billion Euro zum Bruttoinlandsprodukt der Union bei. Nur sorgen drohende Strafzahlungen vonseiten Brüssels, das Verbrenner-Aus 2035 wie auch Strafzölle aus den USA für Nervosität.
Um die Zukunft der Branche zu sichern, initiierte die EU-Kommission deshalb einen sogenannten strategischen Dialog mit der Automobilbranche. Dass Präsidentin Ursula von der Leyen höchstpersönlich die Federführung übernimmt, zeigt, wie weit oben das Thema auf der langen Liste der Probleme der Europäer steht. Ergebnisse soll es „eher in Wochen als in Monaten“ geben, versprach die Behördenchefin in dieser Woche. Sie habe EU-Verkehrskommissar Apostolos Tzitzikostas damit beauftragt, den Plan am 5. März zu präsentieren. Erstmals kamen erstmals Vertreter von Herstellern wie BMW oder Volkswagen, von Zulieferern wie Bosch sowie von Gewerkschaften, einer Umweltorganisation, der Kommission und weiteren Organisationen in Brüssel zusammen, um einen Aktionsplan auszuarbeiten. Dieser werde „einen klaren Kurs vorgeben, der sicherstellt, dass unsere Branche in Europa florieren und im globalen Wettbewerb erfolgreich sein kann“, sagte von der Leyen. Zunächst aber wollte man die wichtigsten Aufgaben definieren. Dazu gehört für den deutschen Flügel des Sektors die Frage, wie Strafzölle aus den USA verhindert werden können. US-Präsident Donald Trump droht der Gemeinschaft mit Zusatzabgaben von zehn bis 20 Prozent für Importe aus dem Ausland. Der Schritt würde vorneweg die Bundesrepublik schmerzhaft treffen.
Wird das Verbrenner-Aus doch noch gekippt?
Ebenfalls über der Branche hängt das Damoklesschwert der Strafzahlungen. Wenn Autoproduzenten die sogenannten Flottengrenzwerte für den CO2-Ausstoß überschreiten, könnte auf sie nach derzeitiger EU-Gesetzeslage Geldbußen von bis zu 15 Milliarden Euro zukommen, wie der europäische Automobilverband ACEA schätzt. Insbesondere VW und Renault machen sich Sorgen. „In jedem Fall müssen in der aktuell krisenhaften Situation Zusatzbelastungen in Form von Strafzahlungen vermieden werden, um die Investitionen in die Transformation der Automobilindustrie, den Hochlauf der E-Mobilität und die digitale Vernetzung der Fahrzeuge nicht zu gefährden”, hieß es vom Verband der Automobilindustrie (VDA).
In Brüssel ist man offenbar bereit zu Kompromissen. Zuletzt war zu hören, dass die Kommission „mögliche Flexibilitäten“ prüft, ohne die Klimaziele für 2025 aufzugeben. In diesem Sinne will sie auch das Streitthema Verbrenner-Aus angehen. Umweltschützer befürchten bei diesen Themen ein Aufweichen der Klimaschutzvorgaben. Mehrfach war das Ziel in der Union abgesegnet worden, wonach ab 2035 nur noch neue Autos und kleine Transporter zugelassen werden dürfen, die im Betrieb keine Treibhausgase ausstoßen. Trotzdem gehen die Diskussionen weiter, auch, weil Teile der Christdemokraten das Verbot des Verbrennermotors ablehnen. Daran will Brüssel aber nicht rütteln. Nur der Weg dahin soll erleichtert werden. „Wir werden die Autoindustrie bei der Transformation unterstützen“, sagte von der Leyen.
Auch Europas Autobauer sind sich nicht einig
Wie aber lässt sich der Absatz von E-Autos in den 27 Mitgliedstaaten ankurbeln? Um in Europa „einen Leitmarkt für Elektrofahrzeuge zu etablieren“, fordert der grüne EU-Parlamentarier Michael Bloss ein Gesetz zur Elektrifizierung von Unternehmensflotten. „Mit gezielten steuerlichen und regulatorischen Anreizen kann insbesondere die deutsche Automobilindustrie massiv profitieren.“ Einige EU-Länder setzen bereits auf Steuervorteile oder Kaufanreize, um ihre Bürger zum Kauf zu ermutigen, doch die Rufe nach einer harmonisierten Unterstützung in der Union werden lauter. Zu den Befürwortern einer europäischen E-Auto-Prämie gehört Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD).
Dass die Interessen der europäischen Industrie auch nicht immer deckungsgleich sind, zeigt sich etwa an Zusatzzöllen auf E-Autos aus China. Während etwa die deutsche Industrie sie vehement ablehnt, hatte sich Frankreich in der Vergangenheit grundsätzlich positiv zu Strafmaßnahmen gegen Chinas E-Autos geäußert. Kurz vor Beginn des neuen Dialogs hatten unter anderem BMW und Mercedes angekündigt, vor Gericht gegen die Maßnahme vorzugehen.
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