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Junge Menschen begeistern sich für Schornsteinfeger: Warum dieser Beruf so beliebt ist

Lehrstellenoffensive

Mehr junge Menschen wollen Schornsteinfeger werden – so wie Christoph Minarsch

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    Christoph Minarsch ist angehender Schornsteinfeger im dritten Lehrjahr. Er sagt, er kann sich nichts Besseres vorstellen.
    Christoph Minarsch ist angehender Schornsteinfeger im dritten Lehrjahr. Er sagt, er kann sich nichts Besseres vorstellen. Foto: Philipp Scheuerl

    Es sei einer der entspanntesten Ausbildungsberufe, die man machen kann, sagt Christoph Minarsch, bei einem Cappuccino neben seinem Chef sitzend. Der 19-Jährige hat wohl den Zusatz „für Energiebolzen wie mich“ vergessen. Dass er täglich bis zu 20.000 Schritte geht und 30 Stockwerke besteigt, erzählt er später auf dem Hausdach beiläufig. Er, ein Kollege und sein Chef brennen alle gleichermaßen für das Schornsteinfegen. Doch was genau macht den Beruf aus?

    Vor dem Rathaus in Nordendorf, rund 20 Autominuten nördlich von Augsburg, grüßt ein gut gelaunter Bauhofmitarbeiter drei Männer in Schwarz. Bevor er die Schlüssel zückt, streicht er dem Gesellen über die Schulter. Der Mythos des Glücksbringers hält sich wohl so hartnäckig wie Ruß. Julian Miller, ein ruhiger Typ mit Schornsteinfegermütze und Schnurrbart, ist das gewohnt: „Wir werden teilweise extra auf Hochzeiten eingeladen“. Der Beruf sei für ihn eine Rolle, die nach dem Feierabend bleibt, sagt der 24-Jährige. Ähnliches berichtet der Azubi. Wann immer er von seinem Beruf erzähle, blicke er in fröhliche Gesichter.

    Schornsteinfeger stehen im Mittelpunkt der Energiewende

    Über eine ausklappbare Treppe gelangen die beiden auf das flache Rathausdach. Die Sonne strahlt hell über das Lechfeld, Minarsch trägt zu dem „Arbeitsgwand“ mit den goldenen Knöpfen eine schwarze Mütze, die Kehrleine über die Schulter geworfen. Er greift den Metallkranz mit der schwarzen Kugel und lässt das Werkzeug sorgsam im Kamin hinab. Ist er zu schnell, machen sich im Keller Giftstoffe breit. Ist er zu langsam, wird der Ruß zu schwach entfernt. Dann marschiert er drei Stockwerke nach unten, öffnet das Rohr, das die Pelletheizung mit dem Kamin verbindet, und kehrt den losen Ruß auf. Das ist, kurz gesagt, sein tägliches Brot.

    Wären da nicht die zahlreichen Mess- und Kontrollarbeiten. Schornsteinfeger prüfen Gas- und Ölheizungen, nehmen Holzöfen unter die Lupe, und beraten Hausbesitzer. Manche handeln mit Öfen und Rauchmeldern, andere sind auf das Reinigen von industriellen Abzugshauben spezialisiert – Möglichkeiten gibt es nach der Ausbildung zuhauf.

    Das Team: Julian Miller, der Geselle (links), Christoph Minarsch, der Azubi (Mitte) und Martin Holzapfel (rechts), der Bezirkskaminkehrermeister und Chef.
    Das Team: Julian Miller, der Geselle (links), Christoph Minarsch, der Azubi (Mitte) und Martin Holzapfel (rechts), der Bezirkskaminkehrermeister und Chef. Foto: Philipp Scheuerl

    An diesem Tag steht eine Ölheizung aus den 1970ern auf dem Plan. Minarsch und Martin Holzapfel, sein Chef, schauen sich die Messwerte an. Die Rußzahl passt. Der Kohlenmonoxidgehalt liegt im grünen Bereich. Doch Holzapfel hat dem Hausbesitzer die Hiobsbotschaft längst überbracht. Das 50 Jahre alte Gerät ist ineffizient und muss in zwei Jahren raus. Grund: Die Heizung funktioniert mit einer Vorlauftemperatur von 70 Grad – das sei ein viel zu hoher Wert; moderne Heizkörper kommen mit 40 bis 50 Grad aus, erklärt Holzapfel.

    Das Schornsteinfeger-Team kommt auf 7500 Hausbesuche pro Jahr

    Als Bezirkskaminkehrermeister kennt er die Häuser seiner 18 Dörfer wie seine Westentasche. Mit seinem vierköpfigen Team kommt er auf 7500 Hausbesuche pro Jahr. Nicht ohne Grund nennt Holzapfel „soziale Kompetenz“, „Einfühlungsvermögen“ und „körperliche Fitness“ als wichtige Voraussetzungen für den Beruf. Wer so viel unter Menschen ist – und auch Fremden erklären soll, warum man deren Haus betreten muss – sollte gewieft sein. Dafür gibt es oft Unterstützung: „Du musst auf deine Zeit achten, weil du überall einen Kaffee angeboten bekommst“, sagt Geselle Miller.

    Holzapfel setzt auf eigenständiges Arbeiten und teilt seinen Mitarbeitern je Quartal – auch Kehrrunde genannt – Häuser zu. Wie viel Kaffee sie trinken und wie viel Häuser sie am Tag schaffen, ist ihre Entscheidung. Er vertraut ihnen uneingeschränkt.

    Christoph Minarsch beim Herunterlassen des Kehrbesens auf dem Dach des Rathauses in Nordendorf.
    Christoph Minarsch beim Herunterlassen des Kehrbesens auf dem Dach des Rathauses in Nordendorf. Foto: Philipp Scheuerl

    Ausbildungsboom: Immer mehr Menschen wollen Schornsteinfeger werden

    Damals schnupperte Minarsch über ein Pflichtpraktikum in die Schornsteinfegerwelt – und entschied sich prompt dafür. Weil er sich in seiner Freizeit schon immer viel bewegte und handwerklich geschickt ist, wie er beschreibt, schien das der optimale Weg zu sein. Heute sagt der 19-Jährige: „Ich kann mir nichts Besseres vorstellen“. Mit der Entscheidung war er damals schneller als sein Chef. Holzapfel hatte bei der Polizei bereits unterschrieben, als ein Schornsteinfeger-Besuch ihn umdenken ließ. Wenige Jahre später machte er sich selbstständig.

    Dass der 47-Jährige heute als Lehrlingswart für Schwaben auf Ausbildungsmessen reist, hat er eigentlich nicht nötig. Denn der Beruf erlebt gerade einen regelrechten Boom: Statt der üblichen 16 Bewerbungen gingen im vergangenen Jahr im Regierungsbezirk 26 ein, berichtet Holzapfel. Auch der Bundesverband des Schornsteinfegerhandwerks jubelt: 2024 hätten die abgeschlossenen Ausbildungsverträge den höchsten Stand seit zehn Jahren erreicht – ein Plus von 30 Prozent.

    Geselle Julian Miller sorgt mit dem Azubi im Keller für Ordnung.
    Geselle Julian Miller sorgt mit dem Azubi im Keller für Ordnung. Foto: Philipp Scheuerl

    Der Beruf in Kürze

    • Berufsbild: Schornsteinfeger reinigen und warten Feuerungsanlagen, messen Emissionen, überprüfen Abgasanlagen, führen Brandschutzkontrollen durch und beraten zur Energieeinsparung.
    • Voraussetzung: Es gibt keinen vorgeschriebenen Mindestschulabschluss
    • Ausbildungsvergütung pro Monat (brutto): 1. Lehrjahr: 961 Euro, 2. Lehrjahr: 1038 Euro, 3. Lehrjahr: 1153 Euro.
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