Startseite
Icon Pfeil nach unten
Wirtschaft
Icon Pfeil nach unten

Koalitionspläne: Wird Bargeld schrittweise abgeschafft?

Koalitionspläne

Stirbt das Bargeld langsam aus?

    • |
    • |
    • |
    Verdrängt immer mehr das Bargeld: die Kontokarte. Inzwischen zücken viele Menschen beim Bezahlen auch ihr Smartphone. Die jüngste Ankündigung von Paypal dürfte diesem Trend weiteren Auftrieb geben.
    Verdrängt immer mehr das Bargeld: die Kontokarte. Inzwischen zücken viele Menschen beim Bezahlen auch ihr Smartphone. Die jüngste Ankündigung von Paypal dürfte diesem Trend weiteren Auftrieb geben. Foto: Sina Schuldt, dpa

    Wenn Touristen aus Skandinavien oder den USA nach Deutschland kommen, staunen sie oft über kleine Schilder in Cafés oder Geschäften: „Cash only!“, steht häufig drauf – keine Kartenzahlung möglich. Für manche ist das ein Symbol des Rückschritts, andere wiederum freut es. Denn viele Deutsche hängen am Bargeld – und haben dafür ihre Gründe. Doch es verliert zunehmend an Bedeutung. Darauf deutet nicht nur eine Studie hin. Auch die neue Bundesregierung spricht eine klare Sprache, wenn sie vehement von Digitalisierung spricht. Worauf darf man sich gefasst machen?

    Merz und Klingbeil wollen „schrittweise“ Kartenzahlungen verpflichten

    Einen ersten Hinweis liefern drei Sätze im Koalitionsvertrag. Jeder solle selbst entscheiden können, wie er bei Geschäften des Alltags bezahlt, beteuern CDU/CSU und SPD. Man wolle Bargeld als „gängige Zahlungsform erhalten“. Im dritten Satz heißt es aber: „Wir (...) wollen, dass grundsätzlich Bargeld und mindestens eine digitale Zahlungsoption schrittweise angeboten werden.“ Die Betonung liegt auf dem „und“. Das kommt einer Pflicht zur Kartenoption gleich. Heißt: Kunden können zahlen, wie sie möchten, aber die Geschäfte müssen eine „digitale Zahlungsoption“ anbieten – was in den meisten Fällen wohl auf ein Kartenlesegerät hinauslaufen dürfte.

    So äußerst sich die Regierung zu Kartenzahlungen

    „Wir stellen sicher, dass jeder weiterhin selbst entscheiden kann, wie er bei Geschäften des Alltags bezahlt. Das Bargeld als gängige Zahlungsform erhalten wir. Wir setzen uns für echte Wahlfreiheit im Zahlungsverkehr ein und wollen, dass grundsätzlich Bargeld und mindestens eine digitale Zahlungsoption schrittweise angeboten werden sollen.“
    (Aus dem Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD in der 21. Legislaturperiode)

    Karten bringen den Umsatz, aber am meisten wird noch immer in bar bezahlt

    Dabei holt die Karte ohnehin auf. Wie das Kölner Handelsforschungsinstitut EHI Retail Institute berichtet, wird inzwischen doppelt so viel mit Karte bezahlt wie noch vor fünf Jahren. 239 Mal kauften die Bürgerinnen und Bürger im vergangenen Jahr etwas ein – bei 44 Prozent wurde die EC- oder Kreditkarte gezückt. Gemessen am Umsatz spülen Karten den Betrieben knapp zwei Drittel des Geldes in die Ladenkassen. Bargeld hat hier mit 34 Prozent den Anschluss verloren. Doch rechnet man alle Transaktionen ein – also zum Beispiel auch den Einkauf beim Bäcker – bleibt das Bargeld mitinsgesamt 55 Prozent Anteil die beliebteste Zahlart.

    Auch deshalb muss die Bundesregierung viele Fragen klären. Wird es einen Mindestbetrag geben? Oder darf man für einen Müsliriegel auf Kartenzahlung pochen? Was machen Almhütten ohne Empfang? Vertreter der Gastwirte sind wenig begeistert. Thomas Geppert, Bayernchef des Hotel- und Gaststättenverbandes Dehoga betont: „Wir brauchen keinen Gesetzgeber, der den Leuten sagt, was für sie die beste Lösung ist.“ Schätzungsweise 30 Prozent der Verbandsmitglieder würden aus guten Gründen keine Kartenzahlung anbieten. Das habe häufig mit den Wünschen der Kundschaft, technischen Schwierigkeiten oder hohen Gebühren zu tun. Dass er nicht dennoch mit Widerstand gegen die Koalitionspläne rechnet, hat mit den anderen Zugeständnissen zu tun, die die Regierung der Gastwirtschaft gegönnt hat: Ab 2026 wird die Mehrwertsteuer wieder auf sieben Prozent gesenkt und die Arbeitszeiten werden flexibler.

    Auch im Handel zuckt man mit den Schultern. Ulrich Binnebößel, Sprecher des Handelsverbands Deutschland (HDE), sagt: „Den Trend zur Kartenzahlung sehen wir eh seit Jahren. Der stationäre Handel ist schon fast vollständig mit Kartenzahlungen ausgerüstet.“ Viele Mitglieder fragten sich jedoch, welchen digitalen Zahlungsweg die Regierung genau vorschreiben wird. Denn Kreditkarten verursachten wesentlich höhere Kosten, als es bei EC-Karten der Fall ist. Allgemein sei bargeldloses Wirtschaften wegen niedriger Fixkosten eher günstig. So entfalle der abendliche Gang zur Bank und der Betrieb der Kasse erübrige sich. Aber, so sagt der Verbandssprecher: „Der Händler ist gut beraten, wenn er beides anbietet. Das zeigen Auswertungen zur Kundenzufriedenheit.“

    Geht es nach den Finanzämtern, würde wohl eine Option genügen. 16 Milliarden Euro, schreibt die Deutsche Steuergewerkschaft, würden dem Bund wegen Steuerhinterziehung in bargeldintensiven Geschäften flöten gehen. Der SPD-Finanzpolitiker Michael Schrodi etwa macht sich auch dafür stark, alle Kassen verpflichtend registrieren zu lassen. „Die Zeit der offenen Ladenkassen muss vorbei sein“, sagte er kürzlich der Welt am Sonntag.

    Mit Handy bezahlen bei Raiffeisenbank und Sparkasse: So geht das

    Kartenzahlungen werden auch deshalb beliebter, weil sie stetig einfacher werden. Wie das Handelsforschungsinstitut EHI berichtet, wird in zwei Dritteln aller Fälle die Karte nur noch ans Terminal gehalten, also kontaktlos bezahlt. Mobile Bezahloptionen erleben einen Boom: Jeder zehnte Einkauf wird dem Institut zufolge über das Smartphone oder die digitale Armbanduhr erledigt.

    Die Einrichtung dafür ist inzwischen leicht. IPhone-Nutzer greifen zu „Apple Pay“, Android-Besitzer meist zu „Google Wallet“. Kunden müssen dafür meist eine App downloaden und ihre Karte digital hinterlegen – zum Beispiel, indem sie die Kartennummer eintippen. Auch Sparkassen und Raiffeisenbanken bieten den Service an. Wichtig ist, dass die Bank die Karte für mobile Zahlungen freigibt und das Smartphone über einen NFC-Chip verfügt.

    Darum sieht Paypal in deutschen Supermärkten enormes Potenzial

    In Kürze dürfte eine neue Option hinzukommen. Der amerikanische Bezahldienst Paypal möchte den Sprung an die deutschen Supermarktkassen schaffen – ein Pilotprojekt. Deutschland wäre das erste Land mit einer solchen Funktion. Sie soll überall verfügbar sein, wo auch kontaktlose Mastercard-Zahlungen akzeptiert werden. Angesichts der 32 Millionen aktiven Nutzer, die Paypal nach eigenen Angaben in Deutschland hat, ist das Potenzial enorm.

    Ist mit Karte bezahlen gefährlich? Das sagt die Verbraucherzentrale

    Wer umsteigen will, sollte sich aber gründlich informieren. Nicht ohne Grund spricht die Verbraucherzentrale für den Erhalt von Scheinen aus: Bargeld schützt die Privatsphäre – denn niemand, weder eine Behörde noch eine Firma, könne nachvollziehen, wo, was und zu welcher Uhrzeit bezahlt wird. Bargeld stellt für viele Menschen die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben sicher, die entweder kein Bankkonto besitzen oder ein Leben mit wenig Technik bevorzugen. Außerdem hilft Bargeld, den Überblick über die Ausgaben zu behalten. Auch in Krisensituationen – wie zuletzt beim Stromausfall in Spanien – erweist sich es sich als verlässliches Zahlungsmittel.

    Diskutieren Sie mit
    1 Kommentar
    Moritz Wuttke

    Zeit wird es ja. Das ist auch so ein Feld, bei dem wir extrem hinterher hängen im Vergleich zu anderen Ländern.

    Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.

    Registrieren sie sich

    Sie haben ein Konto? Hier anmelden